Welche „ernährungsphilosophische“ Sicht spielt bei Tiefkühlkost eine Rolle? 

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Tiefkühlkost feiert 70 Jahre in Deutschland und die Zahlen sprechen für sich.

Mit KI erstellt

Ernährungswissenschaftler Uwe Knop wirft einen Blick auf die Trends und Wahrheiten hinter dem Erfolg.

Was zeigen die aktuellen Absatzzahlen von Tiefkühlkost?

Im aktuellen Jubiläumsjahr „70 Jahre Tiefkühlkost (TK) in Deutschland“ verbucht die Tiefkühlbranche Rekordumsätze. Der Pro-Kopf-Verbrauch von TK stieg 2024 auf einen Höchstwert von 50 kg (2023: 49,4 kg). Sowohl TK-Pizza, -Pommes und -Eis als auch Gemüse. Fertiggerichte und TK-Fisch sind weiterhin beliebt, weil sie haltbar, zeitsparend sowie schnell und einfach zuzubereiten sind – und den Menschen anscheinend gut schmecken, sonst würden sie TK nicht kaufen.

Kurzer Rückblick in die Historie: Bei der Lebensmittelmesse Anuga in Köln wurden 1955 in Deutschland erstmals Tiefkühlprodukte vorgestellt. Lag der durchschnittliche Verbrauch 1960 noch bei 800 Gramm pro Kopf und Jahr, sind es 2024 die o.a. 50 Kilogramm Tiefkühlkost. Tiefgefrorener Spinat und TK-Suppengemüse waren in den Anfangsjahren besonders beliebt. Heute bietet der Handel rund 11.000 Artikel an. 96 Prozent aller Haushalte kauften 2024 Tiefkühlprodukte..

Ist selbst einfrieren genauso gut wie industrielle TK-Ware aus dem Supermarkt? 

Nein, denn hier gibt es einen ganz entscheidenden Nachteil des Selbsteinfrierens: Haushaltsübliche Gefriergeräte frieren Lebensmittel langsamer ein als industrielle Schockfroster. Dies kann zu größeren Eiskristallen führen, die die Zellstruktur stärker beschädigen und beim Auftauen zu einem Verlust von Saft, Textur und möglicherweise auch Nährstoffen führen können. Aus eisig-frisch wird matschig-weich – nicht schön. Diesbezüglich haben TK-Lebensmittel aus dem Supermarkt einen ganz klaren Vorteil – und der heißt „Schockfrosten“: Industriell hergestellte TK-Produkte werden meist schockgefrostet. Dieses schnelle Einfrieren bei sehr tiefen Temperaturen (-30 bis -50 °C) führt zur Bildung kleinerer Eiskristalle. Dadurch werden die Zellstruktur der Lebensmittel weniger beschädigt, was zu einer besseren Erhaltung von Geschmack, Textur und Nährstoffen führt – und so sehen z.B. TK-Himbeeren nach dem Auftauen deutlich besser und schmackhafter aus als Selbsteingefrorene.

Wie gesund sind Tiefkühlgerichte im Vergleich zu frisch zubereiteten Mahlzeiten?

Rein rational, wissenschaftlich faktisch betrachtet lautet die Antwort: Niemand weiß es. Und das liegt an den massiven Limitierungen der Ernährungsforschung, Einen wissenschaftlichen Nachweis besonderer „Gesundheitskraft“ gibt es weder für TK-Kost oder „frisch zubereitet Mahlzeiten“ noch für irgendeine andere Form des Essens. Und es wird diese Kausalevidenz auch niemals geben – wie es bis dato für gar nichts im Bereich gesunder Ernährung belastbare Beweise gibtAus geschmacklicher Sicht kann diese Frage nur jeder für sich selbst beantworten: Was besser schmeckt und gut bekommt, das sollte bevorzugt werden. Ganz einfach.

Ist tiefgefrorenes Gemüse genauso gesund wie frisches Gemüse? 

Wenn man sich rein die Inhaltsstoffe anschaut, ja. Mehrere Studien haben gezeigt, dass gefrorene Produkte wichtige Nährstoffe lange behalten. So waren die Konzentrationen von Vitamin C in untersuchten Proben von TK-Bohnen, -Spinat und -Rosenkohl höher als in den frischen Produkten, die schon drei Tage im heimischen Kühlschrank aufbewahrt wurden. Das liegt an der schnellen Schockfrostung kurz nach der Ernte, eine der schonendsten Methoden der Haltbarmachung.

Je nach Produktart, Menge und Tiefgefrierverfahren sind die Lebensmittel innerhalb von vier bis 20 Minuten nach dem Ernten tiefgefroren. Danach werden die TK-Produkte konstant bei mindestens -18 °C gekühlt. Bei dieser Temperatur kommen die Zellaktivitäten zum Stillstand. Zudem sorgt der „Kälteschlaf“ für einen Erhalt der Vitamine. So enthalten grüne Bohnen nach einem Jahr im „ewigen Eis(schrank)“ bei minus 18 Grad Celsius noch immer 80 Prozent ihres ursprünglichen Vitamin C-Gehalts. Das ist aber nicht alles. Man kann auch noch über den Tellerrand hinaus philosophieren.

Welche „ernährungsphilosophische“ Sicht spielt noch eine Rolle? 

Frisches Gemüse „lebt“ und arbeitet noch, der Stoffwechsel ist noch aktiv. Und je frischer, z.B. direkt aus dem eigenen Garten geerntet und verzehrt, desto lebendiger, echter, naturnaher sind Gemüse, Obst und Kräuter. TK-Gemüse hingegen ist gefroren, da lebt nichts mehr „vor sich her“. Für manche ist dieser Faktor entscheidend. Sicher hat diese „pflanzliche Vitalaktivität“ auch Einfluss auf den Geschmack, was die Präferenz von Frischkost ebenfalls bedingen kann.

Warum sind Tiefkühlerbsen so übernatürlich „grüner als grün“?

Supermarkt-Gemüse aus der Tiefkühltruhe sieht viel grüner aus als frisches Gemüse. Dieses knackige Aussehen bekommen die TK-Erbsen durch ein Verarbeitungsverfahren namens „Blanchieren“. Das bedeutet, dass die Erbsen kurz in kochendes Wasser oder Dampf gegeben und dann sofort in kaltem Wasser „abgeschreckt“ werden. Direkt danach wird das TK-Gemüse eingefroren.

Durch die Hitze wird die natürliche grüne Farbe dieser Gemüsesorten verstärkt, und durch das schnelle Einfrieren bleibt sie erhalten. Das kurze, kontrollierte Blanchieren dient auch dazu, die Qualität der Produkte zu erhalten. Zum Beispiel wird die Anzahl der Keime auf der Oberfläche des Gemüses reduziert – und die Nährstoffe bleiben möglichst lange erhalten.

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Dieser Beitrag erschien im Original zuerst auf FOCUS online-Experte

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Uwe Knop (*72) ist evidenzfokussierter Ernährungswissenschaftler (Dipl.oec.troph./JLU Gießen), Publizist, Referent und Buchautor (aktuell „ENDLICH RICHTIG ESSEN“ (Aug, 2024)). Seit mehr als 14 Jahren bildet die objektiv-faktenbasierte Analyse tausender aktueller Ernährungsstudien den Kern seiner unabhängigen Aufklärungsarbeit. Knop hat den mündigen Essbürger mit eigener Meinung zum Ziel, der umfassend informiert selbst und bewusst entscheidet, worauf er bei der wichtigsten Hauptsache der Welt – genussvolles Essen zur Lebenserhaltung – vertraut.

Kontakt: Uwe Knop auf LI