Nutri-Score: Eine gute Informationsquelle oder besser ignorieren?

Was ist eigentlich gesund und was nicht? Informationen hierzu können komplex sein und sich manchmal auch widersprechen. Also einfach auf den Nutri-Score verlassen? Oder lieber nicht? Um für mehr Klarheit zu sorgen, verrät Kyle Crowley, Ernährungsexperte und Chief Product Officer bei Protein Works, was es mit dem Nutri-Score auf sich hat.
„Ein Informationssystem, das Lebensmittel danach bewertet, wie gut ihre Nährstoffversorgung ist, ist erstmal keine schlechte Idee. Der Nutri-Score in Deutschland bewertet Lebensmittel von A bis E, wobei A die beste Bewertung ist.“ meint Kyle.
Aber ist das ein guter Leitfaden und warum werden Chips besser bewertet als Kokosnussöl? Der Grund liegt darin, wie der Nutri-Score berechnet wird, wie uns Kyle verrät: „Die Nährwerte eines Lebensmittels werden pro 100 g/100 ml in gute und schlechte Kategorien eingeteilt und mit Punkten bewertet. Gute Punkte (z. B. für Gemüse, Ballaststoffe, Proteine) mindern die schlechten Punkte (z. B. für Zucker, Salz, gesättigte Fettsäuren). Die Gesamtpunktzahl bestimmt dann, wo das Produkt auf der Skala von A bis E eingestuft wird.”
„Das bedeutet aber auch, dass stark verarbeitete Produkte wie Chips manchmal besser abschneiden können als natürliche Fette wie Kokosnussöl“, erklärt Kyle. „Chips enthalten zwar Salz und Fett, liefern aber oft auch Ballaststoffe und Proteine aus den Kartoffeln – Punkte, die ihre Bewertung verbessern. Kokosnussöl hingegen besteht fast ausschließlich aus gesättigten Fettsäuren und bekommt dadurch viele Minuspunkte.“
Laut Kyle sollte der Nutri-Score daher als Orientierung, nicht aber als alleinige Entscheidungsgrundlage dienen: „Er hilft beim Vergleich ähnlicher Produkte in derselben Kategorie, sagt jedoch nichts darüber aus, wie gesund ein Lebensmittel im Gesamtkontext einer Ernährung ist. Wer ihn richtig nutzt, kann trotzdem von der schnellen Übersicht profitieren.“
Besondere Vorsicht ist bei stark verarbeiteten Lebensmitteln geboten: Kyle erklärt: „Der Nutri-Score berücksichtigt nicht, wie stark ein Produkt verarbeitet ist oder welche Zusatzstoffe es enthält. Ein Müsli-Riegel mit Süßungsmitteln kann so möglicherweise eine ähnliche Bewertung wie ein Naturjoghurt bekommen – obwohl beide in puncto Verarbeitung und Nährstoffdichte völlig unterschiedlich sind.”
Darum rät er: „Nutze den Nutri-Score als zusätzlichen Blickwinkel, aber lese immer auch die Zutatenliste. So erkennst du, ob ein vermeintlich gutes Produkt vielleicht stark verarbeitet ist oder viele Zusätze enthält.“
Änderungen ab 2024 – was Verbraucher:innen wissen sollten
Ab dem 31. Dezember 2023 gilt ein aktualisierter Berechnungsrahmen für den Nutri-Score, mit einer realistischen Übergangsfrist bis 2026. Zucker und Salz wirken sich künftig stärker negativ aus, während Ballaststoffe positiver gewichtet werden – besonders hohe Gehalte bringen nun deutlich mehr Pluspunkte.
Weitere Anpassungen:
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Tierische Proteine werden neu gewichtet: Geflügel und Fisch erhalten künftig mehr Punkte, rotes Fleisch hingegen weniger
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Nüsse, Samen und Öle bilden jetzt eine gemeinsame Kategorie, in der gesunde pflanzliche Fette besser abschneiden
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Getränke werden konsequenter als solche bewertet: Auch Milchmischgetränke mit geringem Vorteil werden härter beurteilt, und Süßstoffzusatz führt zu Negativpunkten (Quelle)
Viele Produkte dürften sich durch diese Änderungen um ein bis drei Noten verschlechtern – ein Kakaopulver etwa könnte künftig nicht mehr als „B“ eingestuft werden. Die Verbraucherzentrale Hamburg begrüßt einige Anpassungen, kritisiert aber unter anderem, dass der Zucker-Referenzwert weiterhin bei 90 g/Tag liegt, während die WHO nur 50 g empfiehlt, sowie die langgezogene Übergangsfrist.
Fazit von Kyle
„Die Neuberechnungen erhöhen zwar die Aussagekraft des Nutri-Scores, besonders im Bereich Zucker, Salz und Ballaststoffe, aber sie machen ihn nicht zur alleinigen Entscheidungsbasis“, betont Kyle. „Verbraucher:innen sollten sich auch künftig eine gesunde Portion Skepsis bewahren: den Nutri-Score als schnellen Orientierungspunkt nutzen, aber stets auch Zutatenliste und Verarbeitung im Blick behalten.“
Quelle: https://de.theproteinworks.com/
