Filets züchten statt Fische fangen
Hochstehende Lebensmittelverarbeitung löst Ressourcen- und Umweltprobleme
Überfischung ist ein sich dynamisch weltweit entwickelndes Problem. Bereits 60 Prozent der Fischbestände sind maximal befischt und 33 Prozent gelten sogar als überfischt. Fische werden schneller gefangen als sie sich reproduzieren können. Einige Fischarten sind ausgestorben, bei etlichen weiteren ist es zu befürchten. Der Hauptgrund für die Überfischung ist der industrielle Fischfang. Diese intensive Ausbeutung ist die Ursache für den massiven Rückgang der Bestände der Arten in den Meeres- und Küstenökosystemen.
Die anhaltende Überfischung der Meere ist aber nicht nur für Lebensräume und Tierarten bedrohlich. Sie gefährdet auch die Grundlagen für Ernährung und Lebensunterhalt von Millionen Menschen mit niedrigem Lebensstandard in den Entwicklungsländern. Diese Ressourcen für die Ernährung zu erhalten, ist deshalb kein nationales, sondern ein internationales Problem. Es geht also nicht nur um die heimische Kutterscholle mit Krabben, sondern um die weltweite Eiweißversorgung von Menschen.
Durch Fangquotierungen und Strukturmaßnahmen versucht die EU, die Bestände im Nord- und Ostseeraum vor Überfischung zu schützen. Einen weiteren Ausweg aus dem Dilemma zwischen Nahrungsversorgung und Überfischung der Meere bieten Aquakulturen. 51 Prozent der weltweiten Produktion von 185,4 Millionen Tonnen Fisch und Meeresfrüchten, nämlich rund 94 Millionen Tonnen, stammen inzwischen aus der Aquakultur.
In Deutschland werden durchschnittlich etwa 15 Kilogramm Fische und Meeresfrüchte pro Kopf und Jahr konsumiert. Fisch ist eine gesunde Eiweißquelle. Der Trend, tierisches Eiweiß durch pflanzliches Eiweiß zu ersetzen, macht auch vor dem Fisch nicht Halt. Das sind dann aus Soja und Weizen hergestellte Fischstäbchen als pflanzliche Alternativen.
Eine weitere Alternative mit weltweiter Attraktivität bieten innovative Forschung und hochstehende Verarbeitung zur Produktion von Lebensmitteln. Am Entwicklungszentrum für Marine und Zelluläre Biotechnologie (EMB) des Fraunhofer Instituts wird daran gearbeitet, aus echten Fischzellen Fisch herzustellen. Der direkt aus Zellen kultivierte Fisch ist die Antwort auf eine wachsende Weltbevölkerung, in der immer mehr Menschen auf Fisch als Proteinquelle angewiesen sind, und damit auf die Überfischung vorhandener Fischbestände.
Mit dieser Variante zellulärer Agrarwirtschaft wird die Abfallkultur schon sehr frühzeitig bei der Produktion von Lebensmitteln vermieden. Ein markantes Beispiel ist das Fischstäbchen. Hier wird nur ein kleiner Teil des gefangenen Fisches verwendet, um ein gut schmeckendes und optisch ansprechendes Lebensmittel herzustellen. Ein großer Teil des Fisches entspricht nicht diesen Anforderungen und wird entsorgt respektive für die Produktion von geringerwertigen und nicht für die menschliche Ernährung geeigneten Produkten verwendet. Vom Fisch werden nur die Filets benötigt, die den Rest des gefangenen Tieres zu minderwertiger Verwendung degradieren.
Das ist Verschwendung. Die Anforderungen an Lebensmittel steigen. Es geht nicht nur um ausgewogene und geschmacklich attraktive Kost, sondern um Nachhaltigkeit, Biodiversität, Tierwohl und nicht zuletzt Klimaschutz. Der hohe Standard der Verarbeitung in der Lebensmittelwirtschaft bietet Wege zur Problemlösung. Dabei geht es nicht nur um den Aspekt der Wirtschaftlichkeit, sondern vor allem auch um Ressourcenschonung, High processed Food ist der Schlüssel für attraktive Lösungen. Ohne Verarbeitung sind keine Lebensmittel denkbar, die alle Herausforderungen zu Nachhaltigkeit über Tierwohl bis zum Klimaschutz erfüllen können. Im Gegenteil. Eine vorurteilsfreie Beschäftigung mit wissenschaftlich basierter Lebensmittel-Forschung zeigt, dass die Ernährung im Umbruch ist. Der Schlüssel zur Lösung der Probleme, zu denen auch die Verfügbarkeit von Anbauflächen, von Wasser und nicht zuletzt auch das Ressourcenmanagement wie beim Fisch zählen, ist zielorientierter Fortschritt. Wichtige Voraussetzungen dafür sind Forschung, Entwicklung und anspruchsvolle Verarbeitung.