Von Sirup bis Heilmittel: Die Wunderwelt der Holunderblüten entdecken. Mit dem Duft von Holunderblüten in der Luft läutet Deutschland den Sommer ein.
Ernährungswissenschaftler Uwe Knop teilt sein Wissen über die vielfältigen Nutzungsmöglichkeiten dieser saisonalen Kostbarkeiten.
Jetzt ist Holunderblütenzeit – was kann man mit kulinarischen Allrounder aus dem eigenen Garten alles machen?
Die Luft in Deutschland ist derzeit erfüllt vom betörenden Duft blühender Holunderbüsche – und das ist ein klares Zeichen für den Beginn des Sommer. Diese üppige weiße Blütenpracht ist nicht nur ein Augenschmaus, sondern auch eine wahre Schatztruhe für kulinarische Genüsse und natürliche Heilmittel. Die Tatsache, dass die Holunderbüsche jetzt blühen, unterstreicht die Dringlichkeit und die zeitlich begrenzte Gelegenheit, diese natürlichen Gaben zu nutzen. Die Blütezeit ist flüchtig, und wer die aromatischen Blüten verarbeiten möchte, muss dies umgehend tun, um in den Genuss der folgenden „holundrigen Köstlichkeiten“ zu kommen:
Der Holunderblütensirup ist zweifellos das bekannteste und vielseitigste Produkt aus Holunderblüten und ein fester Bestandteil vieler deutscher Haushalte. Auch Holunderblütengelee ist eine wunderbare Möglichkeit, die süße Essenz der Blüten einzufangen. Die traditionellen „Hollerküchle“ – Gebackene Holunderblüten hingegen sind ein herzhafter saisonaler Genuss. Ganze Holunderdolden werden in einen leichten Rührteig getaucht (oft aus Mehl, Zucker, Eiern und Prosecco, Mineralwasser oder Milch) und anschließend goldbraun und knusprig ausgebacken. Darüber hinaus können die Blüten auch zu Holunderblütensaft oder – für eine beschwingte Note – zu Holunderblütenlikör verarbeitet werden. Frische Holunderblüten geben auch als „florale Garnitur“ Salaten eine besondere aromatische Note und verleihen dabei eine ansprechende Optik
Worauf kommt es bei der Verarbeitung besonders an?
Die sofortige Verarbeitung ist der Schlüssel: Da Holunderblüten sehr empfindlich sind und ihr Aroma schnell verlieren, ist es unerlässlich, frische Blüten sofort nach der Ernte zu verarbeiten. Für die Ernte sollten stets ganze Dolden mit vollständig geöffneten weißen Blüten gesammelt werden. Am besten schneidet man sie mit einer kleinen Gartenschere oder einem scharfen Messer ab, anstatt sie abzupfen. Für den Transport ist ein Weidenkorb oder ein ähnliches luftiges Gefäß ideal, da die Blüten darin locker liegen und nicht schwitzen. Die Verwendung von Plastiktüten ist unbedingt zu vermeiden, da die empfindlichen Holunderblüten darin schnell verderben und anfangen zu schwitzen. Die Aufrechterhaltung einer guten Belüftung während des Transports ist ebenso wichtig wie die Ernte selbst, um die empfindlichen Blüten zu bewahren und die Qualität der späteren Produkte zu sichern. Falls möglich, sollte der Korb in einem kühlen Auto transportiert werden.
Nach der Ernte sollten die Holunderblüten umgehend verarbeitet werden. Die zarten Blüten verlieren schnell ihr Aroma und welken, daher ist schnelles Handeln entscheidend, um die volle Essenz der Blüten einzufangen. Vor der Verwendung sollten die Dolden vorsichtig ausgeschüttelt werden, um kleine Insekten zu entfernen. Ein entscheidender Hinweis ist: Die Blüten sollten nicht gewaschen werden. Das Waschen würde den wertvollen Blütenstaub entfernen, der maßgeblich für das charakteristische Aroma und den Geschmack des Holunders verantwortlich ist. Das sorgfältige Bewahren dieses Blütenstaubs ist daher eine grundlegende Technik, um die sensorische Qualität der Endprodukte zu maximieren. Größere grüne Stiele und ungeöffnete oder welke Blüten sollten entfernt werden, da sie einen bitteren Geschmack verursachen könne
Ist Holunder auch gesund?
Das könnte durchaus sein, denn die Holunderblüte gilt seit vielen Jahrhunderten als Naturheilmittel aus der „Apotheke der armen Leute“, das zur sanften Unterstützung bei zahlreichen Beschwerden eingesetzt wurde. Echte wissenschaftliche Beweise fehlen, aber wer genug Holunder zu Hause geerntet hat, kann einen „Einsatz als Heilmittel“ durchaus in Erwägung zeihen. Denn neben ihrem kulinarischen Reiz hat die Holunderblüte eine lange und angesehene Geschichte als Heilpflanze. Schon seit der Antike werden Holunderblüten beispielsweise zur Stärkung des Immunsystems und bei Erkältungs- und Grippesymptomen verwendet.
Nach den Blüten wachsen die Früchte – was lässt sich damit machen?
Auch die Blüten sind enorm vielseitig einsetzbar – dazu gehören beispielsweise folgenden Leckereien:
- Holundersaft: Ein Klassiker, der pur getrunken oder als Basis für andere Getränke und Speisen verwendet werden kann.
- Holundergelee oder Marmelade: Schmeckt lecker auf Brot oder als Beilage.
- Holundersirup: Ideal zum Süßen von Getränken, Joghurt oder Desserts.
- Holunderlikör: Ein aromatischer, selbstgemachter Likör.
- Holunderwein: Kann aus den Beeren hergestellt werden.
- Holunderbeerensuppe: Eine traditionelle Speise, besonders in Norddeutschland bekannt.
- Holunder-Chutney: Eine süß-saure Beilage zu herzhaften Gerichten.
Wichtiger Hinweis: Holunderbeeren sind zwar vielseitig verwendbar, aber essenziell ist, dass sie niemals roh gegessen werden sollten!
Was muss man bei den Holunderbeeren unbedingt beachten?
Während Holunderblüten im Allgemeinen unbedenklich zum Verzehr sind, ist es von größter Bedeutung, den Unterschied zu Holunderbeeren zu verstehen. Rohe Holunderbeeren, auch reife, enthalten einen kritischen Stoff (das „cyanogene Glykosid Sambunigrin“). Der Verzehr roher Beeren kann Übelkeit, Erbrechen und Durchfall verursachen. Daher müssen alle Holunderbeeren vor dem Verzehr unbedingt auf über 80°C erhitzt werden, und das für mindestens 3-5 Minuten, um diese Verbindung abzubauen und sie sicher für den Verzehr zu machen. Diese Unterscheidung ist für die Sicherheit unerlässlich.
Welche kulturellen Infos zum Holunder sind „nettes Begleitwissen“ für den Ernte-Small-Talk?
Der Holunder (Sambucus nigra) nimmt in Deutschland einen besonderen Platz ein. Seine Bedeutung reicht weit über seine praktischen Anwendungen hinaus. Seit Jahrhunderten ist er tief in der deutschen Tradition und Mythologie verwurzelt. Germanen und Kelten verehrten ihn als heiligen „Lebens- und Sippenbaum“, der die Unendlichkeit des Lebens symbolisierte. Es war Brauch, Holunder im eigenen Garten oder in der Nähe des Hauses anzupflanzen, da man glaubte, er sei der Wohnort wohlwollender Hausgeister und der Schutzgöttin Holda, die über Pflanzen und Tiere wachte und Häuser vor Blitz und Donner bewahrte. Diese reiche kulturelle Verankerung erklärt, warum der Holunder in Deutschland so geschätzt wird, im Gegensatz zu manchen anderen Ländern, wo er mitunter als Unkraut angesehen wird. Die tiefe kulturelle Verbindung zum Holunder verwandelt die Ernte und Verarbeitung der Blüten von einer einfachen Tätigkeit in die Teilnahme an einer liebgewonnenen, jahrhundertealten Tradition. Dies verstärkt die persönliche Bindung und die Relevanz des Themas für das Publikum.
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Dieser Beitrag erschien im Original zuerst auf FOCUS online-Experte
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Uwe Knop (*72) ist evidenzfokussierter Ernährungswissenschaftler (Dipl.oec.troph./JLU Gießen), Publizist, Referent und Buchautor (aktuell „ENDLICH RICHTIG ESSEN“ (Aug, 2024)). Seit mehr als 14 Jahren bildet die objektiv-faktenbasierte Analyse tausender aktueller Ernährungsstudien den Kern seiner unabhängigen Aufklärungsarbeit. Knop hat den mündigen Essbürger mit eigener Meinung zum Ziel, der umfassend informiert selbst und bewusst entscheidet, worauf er bei der wichtigsten Hauptsache der Welt – genussvolles Essen zur Lebenserhaltung – vertraut.
Kontakt: Uwe Knop auf LI