60 Jahre im Namen der Verbraucher.
Die Menschen vertrauen ihr, Unternehmen wissen um ihren Einfluss, fast jeder Deutsche kennt sie: Die Stiftung Warentest. Seit 60 Jahren nehmen die Tester der Nation Produkte und Dienstleistungen unabhängig und wissenschaftlich in die Mangel. Mit einem Aufwand, der seinesgleichen sucht.
4. Dezember 1964: Im Deutschen Bundestag wird unter der Regierung des damaligen Kanzlers Ludwig Erhard die Stiftung Warentest gegründet. Sie soll „Untersuchungen an miteinander vergleichbaren Waren und Leistungen nach wissenschaftlich gesicherten Methoden“ vornehmen.
Die Wirtschaft ist wenig begeistert: Es sei „die vornehmste Pflicht eines jeden Unternehmens, Qualitätsware zu produzieren“ teilt der Verband der Eisen, Blech und Metall verarbeitenden Industrie mit. Der BDI wiederum gibt zu bedenken, Verbraucherinnen und Verbraucher seien doch bereits „durch Werbung in ausreichendem Maße unterrichtet“. Es hilft nichts: Im März 1966 erscheint die erste Ausgabe der Zeitschrift „DER test“. Mit Tests von Nähmaschinen und Stabmixern.
„Dieses Vertrauen müssen wir uns jeden Tag hart erarbeiten“
Heute beeinflussen die unabhängigen Tests der Stiftung Warentest Hersteller und Anbieter aller Branchen. Die Urteile wirken sich auf die Sicherheit und Qualität ganzer Produktgruppen aus, ihr Einfluss auf Unternehmen und Märkte ist enorm. Auf 96 Prozent Bekanntheit bringt es die Stiftung Warentest. 74 Prozent der Deutschen haben laut einer infratest dimap-Studie großes oder sehr großes Vertrauen in ihre Arbeit. Damit genießen Deutschlands oberste Tester mehr Vertrauen als die Gewerkschaften, der Bundestag und sogar das Bundesverfassungsgericht. Nur die Polizei liegt vor ihnen.
„Dieses Vertrauen müssen wir uns jeden Tag hart erarbeiten. Verbraucherinnen und Verbraucher müssen sich darauf verlassen können, dass wir wissenschaftlich und unabhängig testen. Wir sind nur den Fakten und der wissenschaftlichen Genauigkeit verpflichtet”, erklärt Julia Bönisch, Vorständin der Stiftung Warentest.
Die Testerinnen und Tester können und sollen unabhängig von Politik und Wirtschaft arbeiten. Alle Inhalte der Stiftung Warentest sind werbefrei. Seit diesem Jahr erhält sie keine staatlichen Zuwendungen mehr. Finanziert wird die aufwendige Arbeit zu rund 80 Prozent durch den Verkauf der Tests und Publikationen – also durch die Verbraucherinnen und Verbraucher selbst. Den Rest machen Einnahmen aus Logolizenzen und Erträge aus dem Stiftungskapital aus.
Tests mit enormem Aufwand
Mehr als 30 000 Produkte und unzählige Dienstleistungen testet die Stiftung Warentest heute im Jahr. Der Aufwand für die wissenschaftlichen Tests ist immens. Produkttests lässt sie in unabhängigen, geheimen Prüfinstituten durchführen, damit Hersteller keinen Einfluss nehmen können. Getestet wird nach streng definierten, wissenschaftlichen Prüfkriterien.
Die Produkte für die Tests kaufen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter anonym im Einzelhandel ein. Mehr als 1,1 Millionen Euro legen sie dabei jedes Jahr häufig in bar auf das Kassenband. Und ein paar Nerven noch mit dazu, weiß die Chefin der Verbraucherinstitution:
„Versuchen Sie mal, mehrere dutzend Becher Erdbeerjoghurt derselben Marke mit demselben Mindesthaltbarkeitsdatum im Supermarkt zu finden. Das kann ein ganz schön zähes Unterfangen sein. Mindestens interessierte Blicke anderer Kunden sind Ihnen sicher.“
Fragen an Julia Bönisch, Vorständin der Stiftung Warentest
Gibt es irgendein Produkt, dass die Stiftung Warentest in den vergangenen 60 Jahren nicht getestet hat?
Soweit ich weiß, haben wir sogar mal Autos getestet. Einige bei uns würden gern mal Fertighäuser testen. Das ist ein Produkt, für das entscheidet man sich in der Regel nur einmal im Leben. Es ist aber leider ein bisschen zu kostspielig für uns. Wir kaufen ja selbst und anonym im Handel ein. Dass wir mehrere Fertighäuser auf Kosten der Stiftung Warentest erwerben, wäre ein bisschen zu viel des Guten.
Natürlich haben wir auch noch nie Dinge getestet, die wir grundsätzlich nicht empfehlen würden, weil sie Verbraucherinnen und Verbrauchern schaden. Zum Beispiel Waffen.
Tests der Stiftung Warentest sind enorm aufwendig, haben Sie ein Beispiel?
Mein Lieblingsbeispiel ist der Test von Waschpulver. Eigentlich ein Produkt, das gar nicht teuer ist. Welchen Aufwand wir da betreiben, das ist Wahnsinn. Wir verteilen an 51 ausgewählte Haushalte Wäschepakete. Darin sind weiße Hemden, weiße T-Shirts oder bestimmte Formen von Handtüchern. Wir lassen die Haushalte die Wäsche benutzen und sammeln sie dann dreckig wieder ein. Anschließend waschen wir sie mit dem von uns anonym im Handel erstandenen Waschpulver. Das machen wir nicht nur einmal, das machen wir 17 Mal.
Zusätzlich zu diesen 51 Haushalten versehen unsere Expertinnen und Experten bestimmte Stoffe nochmal mit mehr als 10 000 verschiedenen Fleckenarten, die wir dann auch wieder waschen. Auf diese Art und Weise kommen etwa 1,8 Tonnen dreckige Wäsche zusammen, die wir untersuchen. So testet nur die Stiftung Warentest.
Was ist der Sinn dieser Testerei?
Uns gibt es, weil wir das Leben für die Menschen da draußen besser machen möchten. Es wäre ein unfassbarer Aufwand, wenn jeder selbst recherchieren müsste: Was ist denn der beste Kühlschrank, die beste Reiserücktrittsversicherung für mich? Das ist ein Service für die Verbraucherinnen und Verbraucher, die sonst den Werbebotschaften der Unternehmen etwas hilflos ausgeliefert wären. Wir werden ja alle jeden Tag mit verschiedenen Werbebotschaften beschossen, die können stimmen, müssen aber nicht.
Mein Lieblingsbeispiel ist immer noch der Joghurt, der so wertvoll ist wie ein kleines Steak. Welche Möglichkeiten haben Sie denn jetzt privat, das zu untersuchen? Die haben Sie gar nicht. Also kommen wir von der Stiftung Warentest und knöpfen uns das mal vor. Wir können Ihnen dann sagen, ob das wirklich stimmt oder nicht. Sie können mit unserer Hilfe Geld sparen, Sie können besser und gesünder essen, weil Sie mit unserer Hilfe erfahren, in welchen Lebensmitteln vielleicht Schadstoffe enthalten sind und dadurch leisten wir echte Lebenshilfe. Dafür sind wir da.
Sind Sie ein Spiegel der Konsumgesellschaft?
Ja, das kann man schon so sagen. Wenn man sich anguckt, was wir vor 60 Jahren getestet haben und was wir heute testen, da gibt es schon noch Parallelen wie die Nähmaschinen, die auch bereits im ersten test-Heft waren. Aber einige Dinge, die wir heute prüfen, gab es damals noch nicht, wie z.B. Smartphones oder bestimmte Apps. Wir testen auch ganz viel im digitalen und technischen Bereich.
Die Menschen vertrauen Ihnen, weil Sie unabhängig und so penibel genau sind: Machen Sie auch mal Fehler?
Klar, alle machen Fehler. Auch wir sind davon nicht frei. Aber wir haben einen besonders hohen Anspruch an uns selbst, wie wir dann mit solchen Fehlern umgehen. Wir sind immer transparent. Wir korrigieren sofort die Ergebnisse.
Uns ist bewusst, dass das Vertrauen, das die Verbraucherinnen und Verbraucher in uns setzen, das Wertvollste ist, was wir haben. Deswegen legen wir viel Wert darauf, wenig Fehler zu machen und wenn sie dann passieren, sicherzustellen, dass es nicht nochmal vorkommt.
Wie mächtig ist die Stiftung Warentest?
In bestimmten Bereichen haben wir durchaus eine gewisse Macht. Wir beeinflussen mit unseren Testergebnissen Märkte. Wenn auch nicht alle, leider. Da denke ich jetzt zum Beispiel an Konzerne wie Apple. Die Handys schneiden zwar in der Regel gut ab, aber mal angenommen, das wäre nicht so, dann fürchte ich, würde Apple das nicht besonders stören.
Wenn wir aber hier auf die heimischen Märkte gucken, dann können wir tatsächlich beeinflussen, wie Verbraucherinnen und Verbraucher einkaufen. Das hat dann auch eine unmittelbare Auswirkung auf den Umsatz.
Wir sind uns dieser Macht bewusst und gehen sehr verantwortungsvoll damit um. Man darf es sich nicht so vorstellen, dass wir hier jubelnd durch die Gänge hüpfen, wenn wir mal ein Mangelhaft vergeben. Wir wissen, dass wir eine große Verantwortung tragen, deswegen gehen solche Produkte auch alle nochmal in Nachtests, um auch sicherzustellen, dass das kein Fehler ist.
Wie groß ist ihre Rechtsabteilung?
Wir haben einen Justiziar. Der hat noch eine Referendarin und eine Assistentin. Das wars. Aber wir arbeiten natürlich mit externen Kanzleien zusammen, weil es in der Tat so ist, dass viele Hersteller nicht begeistert sind, wenn sie ein Befriedigend oder schlechter von uns kassieren. Da bekommen wir auch regelmäßig Post, die nicht so freundlich ist. Wir können aber in der Regel sehr gut erklären, wie wir gearbeitet haben und wie wir zu unseren Urteilen kommen. Deswegen treffen wir uns, Gott sei Dank, nur sehr selten vor Gericht.