Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung e.V. (DGE) hat im März 2024 neue lebensmittelbezogene Ernährungsempfehlungen (Food Based Dietary Guidelines, FBDGs) für gesunde Erwachsene veröffentlicht.
Diese Empfehlungen basieren erstmals auf einem evidenzbasierten Algorithmus, der sowohl Gesundheits- als auch Nachhaltigkeitsaspekte berücksichtigt. Basierend auf diesen Richtlinien hat das Institut für Ernährungspsychologie an der Georg-August-Universität Göttingen/Universitätsmedizin in Zusammenarbeit mit Culinary Medicine Deutschland e.V. ein innovatives Wahlfach für den vorklinischen Abschnitt des Medizinstudiums entwickelt, welches seit April 2024 in einer Pilotphase erprobt wird.
Culinary Medicine: Ein praxisnaher Ansatz
Das Wahlfach folgt dem innovativen Culinary Medicine-Lehrkonzept, das darauf abzielt, nicht nur aktuelles ernährungsmedizinisches Fachwissen zu vermitteln, sondern auch dessen praktische Anwendung in den Alltag von Patientinnen und Patienten zu integrieren. Das Hauptziel dieses Ansatzes ist es, die ernährungsmedizinischen Beratungskompetenzen zukünftiger Ärztinnen und Ärzte zu verbessern. In der Lehrküche setzen die Studierenden die neuen DGE-Empfehlungen in Musterrezepte um und bereiten diese gemeinsam zu.
Der den Empfehlungen zugrunde liegende Algorithmus optimiert gleichermaßen Gesundheitsaspekte (mit dem Ziel, die Krankheitslast zu reduzieren) und Umwelt- bzw. Nachhaltigkeitsaspekte (mit dem Ziel, Treibhausgasemissionen und Landnutzung zu reduzieren). Zudem berücksichtigt er das bisherige Essverhalten der deutschen Bevölkerung. Die DGE hat damit das Konzept der Planetary Health Diet der EAT Lancet Commission lokal adaptiert und auf die Bedürfnisse der etwa 90% der Bevölkerung zugeschnitten, die sich weder vegan noch vegetarisch ernähren.
Innovative Lehrmethoden
Das Wahlfach nutzt den Inverted Classroom-Ansatz, bei dem die Studierenden sowohl Musterrezepte als auch kurze Referate als Teil der Kursleistung vorab selbst erarbeiten und in die Lehrveranstaltung einbringen. Die Referatsthemen orientieren sich am Nationalen Kompetenzbasierten Lernzielkatalog Medizin (NKLM). Parallel zur Pilotierung wird eine Evaluation der Lerneffekte mittels eines Online-Fragebogens in einem Prä-Post-Befragungsdesign durchgeführt, um insbesondere die Verbesserung der ärztlichen Beratungskompetenz im Bereich Ernährungsmedizin, Prävention, Gesundheitsförderung und Nachhaltigkeit zu untersuchen.
PD Dr. med. Thomas Ellrott, Leiter des Projekts, betont die dreifache Innovation des Lehrangebots: die Integration der neuesten DGE-Ernährungsempfehlungen einschließlich planetarer Gesundheit, die praktische Umsetzung in der Lehrküche in Form von Culinary Medicine und den Einbezug der Studierenden in die Kursgestaltung nach der Inverted Classroom-Methode.
Bedeutung für das Medizinstudium
Heidi Schwarzer, Medizinstudentin und Doktorandin im Projekt, hebt hervor, dass das Wahlfach wichtige neue Themen in den vorklinischen Abschnitt des Medizinstudiums einbringt, die bisher keine Berücksichtigung fanden, aber von wesentlicher Bedeutung für die menschliche Gesundheit sind.
Für den klinischen Teil des Medizinstudiums existiert an der Universitätsmedizin Göttingen bereits seit 2020 ein Wahlfach Culinary Medicine, das sich auf die Therapie von ernährungsassoziierten Erkrankungen konzentriert. Dieses Angebot wurde erfolgreich evaluiert und von mehreren anderen Universitäten übernommen.
Ausblick und Bedeutung
Die Pilotierung des vorklinischen Culinary Medicine-Wahlfachs an der Universitätsmedizin Göttingen stellt einen wichtigen Schritt dar, um das Fach Ernährungsmedizin besser in der medizinischen Ausbildung zu verankern. Zukünftige Ärztinnen und Ärzte sollen befähigt werden, ihre Patientinnen und Patienten zur Prävention ernährungsabhängiger Erkrankungen mit paralleler Optimierung der planetaren Gesundheit fundiert und interprofessionell zu beraten.
Das Projekt wird mit einer Fördersumme von 75.000 Euro durch die Rut-und-Klaus Bahlsen Stiftung unterstützt. Es adressiert die Tatsache, dass 70-80% aller Erkrankungen einen Ernährungshintergrund haben und dass die derzeitigen Ernährungssysteme erhebliche Umweltauswirkungen haben.
Uwe Neumann, Vorsitzender von Culinary Medicine Deutschland e.V., lädt weitere Universitäten ein, sowohl das klinische als auch das neue vorklinische Wahlfach zu übernehmen und sich am gemeinsamen Weiterentwicklungsprozess zu beteiligen.
Links:
- Deutsche Gesellschaft für Ernährung e.V. (DGE)
- Uni Göttingen
- EAT Lancet Commission
- Nationaler Kompetenzbasierter Lernzielkatalog Medizin (NKLM)
- Culinary Medicine Deutschland e.V.
Globale Perspektive auf Culinary Medicine
Culinary Medicine entwickelt sich zunehmend zu einer wichtigen Disziplin in der medizinischen Ausbildung, nicht nur in Deutschland, sondern auch weltweit. Eine umfassende Überprüfung zeigt, dass Culinary Medicine die Kunst des Kochens zu Hause mit den Wissenschaften der menschlichen Ernährung, Psychologie, Gastronomie und Medizin verbindet, um Gesundheit und Wohlbefinden zu fördern. Dieser Ansatz zielt darauf ab, sowohl Ärzte als auch Patienten zu befähigen, fundierte Ernährungsentscheidungen zu treffen und ihre allgemeine Gesundheit zu verbessern.
Herausforderungen in der Umsetzung
Die Integration von Culinary Medicine in die konventionelle medizinische Versorgung und Ausbildung bringt Herausforderungen mit sich. Diese könnten in dem neuen Wahlfach an der Universitätsmedizin Göttingen thematisiert werden, um die Studierenden auf die praktische Anwendung in ihrem zukünftigen Berufsleben vorzubereiten.
Globale Ernährungsrichtlinien
Aktuelle globale Richtlinienempfehlungen für die Aufnahme von Natrium und Kalium könnten in das Curriculum des Wahlfachs integriert werden. Dies würde den Studierenden helfen, ihre Empfehlungen in einen breiteren, internationalen Kontext zu setzen.
Nordische Perspektive auf nachhaltige Ernährung
Die Herausforderungen und Möglichkeiten bei der Umstellung der Lebensmittelproduktion und des Konsums auf nachhaltige Ernährungsweisen in den nordischen Ländern bieten interessante Vergleichspunkte. Diese Erkenntnisse könnten in das Wahlfach einbezogen werden, um die Studierenden für die Komplexität von Ernährungsempfehlungen im Kontext von Nachhaltigkeit und kulturellen Unterschieden zu sensibilisieren.
Ernährungssystemische Perspektive
Das Wahlfach könnte eine ernährungssystemische Perspektive einbeziehen, die Aspekte wie Ernährungssicherheit, Selbstversorgung und Resilienz berücksichtigt. Dies würde den Studierenden ein umfassenderes Verständnis der Zusammenhänge zwischen Ernährung, Gesundheit und Umwelt vermitteln.
Herausforderungen der nordischen Länder
Die Tatsache, dass keines der nordischen Länder auf dem Weg ist, die UN-Klima- und Biodiversitätsziele für 2030 zu erreichen, könnte als Fallstudie dienen. Dies würde die Dringlichkeit nachhaltiger Ernährungsweisen unterstreichen und die Studierenden dazu anregen, über globale Lösungsansätze nachzudenken.
Veränderungen der Ernährungsmuster
Die drastischen Veränderungen der Ernährungsmuster in den letzten Jahrzehnten könnten im Wahlfach thematisiert werden. Dies würde den Studierenden helfen, die historische Entwicklung von Ernährungsgewohnheiten zu verstehen und zukünftige Trends vorherzusagen.Diese zusätzlichen Informationen würden das Wahlfach Culinary Medicine an der Universitätsmedizin Göttingen in einen breiteren globalen und nachhaltigen Kontext stellen und den Studierenden ein umfassenderes Verständnis der Komplexität von Ernährung und Gesundheit vermitteln.
Quelle: food-monitor (KI-gestützt)