Adipocities: „Städte für Fette“, wo Fettleibige unter sich leben, frei von Stigmatisierung – ist das eine Lösung?

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Das Rätsel um Übergewicht und Fettleibigkeit wird sukzessive entschlüsselt. Ein ganz neuer Denk- und Lösungsansatz dabei sind „Adipocities“, also „Städte für Fette“.

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Ernährungswissenschaftler Uwe Knop teilt seine neuesten Erkenntnisse und räumt mit Mythen auf.

Warum werden Menschen fettleibig, was sind die schlimmsten Dickmacher-Faktoren?

Die Ursachen für Übergewicht und Fettleibigkeit sind enorm vielfältig und sehr komplex in einer individuellen Matrix miteinander verwoben. Unser Körpergewicht wird dabei primär durch das Zusammenspiel folgender biologischer Faktoren und Lebensstilfaktoren bestimmt:

  • Gene/Erbgut (spielt die erste Geige im Konzert des Körpergewichts!)
  • Stoffwechselstatus
  • Stresslevel
  • Ernährung
  • Bewegung
  • Schlafqualität/-dauer/-mangel
  • Medikamente
  • Krankheiten (Diabetes, Schilddrüse, Psyche)

Aber auch sozioökonomische Faktoren spielen eine Rolle, dazu gehören

  • geringes Einkommen
  • Migrationshintergrund
  • sozialer Status und
  • niedriger Bildungsstand

Beispielsweise sind Kinder aus diesen Schichten besonders stark von Fettleibigkeit betroffen – das ist auch längst bekannt und mehrfach bestätigt Ob, wann und wie gesundheitsschädlich Adipositas wird, hängt jedoch immer vom Einzelfall ab. Eine neue Studie der Universität Mannheim hat gerade einen weiteren, sehr spannenden Aspekt geleifert, der dabei eine große Rolle zu spielen scheint.

Was hat die neue Studie der Universität Mannheim ergeben?

Adipositas, auch Fettleibigkeit genannt, kann schwerwiegende soziale, sozio­ökonomische und gesundheitliche Folgen haben. Die neue Studie zeigt nun, dass die Probleme weniger stark sind, wenn die Betroffenen in Gegenden leben, in denen Adipositas verbreitet ist. Zu diesem Ergebnis kamen die Forscher nach Analyse der Archivdaten von mehr als 3,4 Millionen Menschen aus den USA und dem Vereinigten KönigreichDie Studien­autoren fanden heraus, dass in Regionen mit hoher Adipositasrate die negativen Konsequenzen für die Betroffenen schwächer sind, was teilweise auf eine geringere Stigmatisierung zurückzuführen sein könnte. Das Forschungs­team unter­suchte auch die Einstellungen der Teilnehmer zum Thema Gewicht. Sie stellten fest, dass die Voreingenommenheit gegenüber Adipositas in Gebieten mit hohen Adipositasraten am geringsten war. Das könnte erklären, warum Menschen mit Adipositas in diesen Gebieten seltener alleinstehend sind und eine bessere Gesundheit aufweisen als vergleichbare Personen in Regionen mit geringer Adipositasrate.

Wären also „Adipocities“, also „Städte für Fette“ eine Lösung?

Die bisherige Forschung hat gezeigt, dass adipöse Menschen häufiger arbeits­los sind, weniger Freunde haben und eine schlechtere physische und mentale Gesundheit aufweisen. Sie erleben außerdem Vorurteile und Diskriminierung und haben Nachteile, die in manchen kulturellen Kontexten stärker ausgeprägt sind als in anderen – die Folgen der Adipositas hängen also auch vom Wohnort ab: In Regionen mit niedriger Adipositasrate sind Betroffene häufiger arbeits­los im Vergleich zu denen, die in Gebieten mit hoher Adipositasrate leben. Auch ihre Gesundheit ist weniger stabil. Es sei „also nachvollziehbar, dass Menschen mit Adipositas in Regionen mit niedrigen Raten an Fettleibigkeit stärker auffallen und deshalb ganz andere soziale Erfahrungen im Alltag machen“, so die Autoren, Im Umkehrschluss liegt die Vernutung nahe, dass „Adipocities“, also „Städte für Fette“, zu mehr Gesundheit und Zufriedenheit und weniger Stress durch Stigmatisierung führen können.

Ist Dicksein denn grundsätzlich gesundheitsschädlich?

Nein. Hier muss immer der Einzelfall in all seinen Facetten betrachtet werden. Es gibt nicht nur viele Fettleibige mit einem gesunden Stoffwechsel, sondern auch das überraschende „Adipositas-Paradoxon„, d.h. Dicke leben teilweise länger als Dünne. Dieses wissenschaftlich kontrovers diskutierte Phänomen wurde in einer aktuellen Publikation erneut bestätigt.

Gibt es den goldenen Weg der Gewichtsreduktion, also sowas wie die „beste Diät der Welt“?

Nein, eine „beste Diät der Welt“, die sicher und bewiesen dauerhaft zum Wunschgewicht führt, die gibt es nicht. Den „goldenen Weg der Gewichtsreduktion“ hingegen, der lässt sich zumindest ansatzweise skizzieren: Wer seinen Herzenswunsch ’schlanker werden und bleiben‘ wirklich aus tiefster innerer Überzeugung aktiv zum Leben erwecken möchte, der kann dies nur mit  einer individuellen Ernährungs- und Lebensstilumstellung erreichen, die lebenslang perfekt zur eigenen Persönlichkeit und zum Stoffwechsel passt. Hier finden Sie die wesentlichen  Grundlagen nachhaltiger Gewichtsreduktion – dazu muss man nicht einmal Kalorien zählen.

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Dieser Beitrag erschien im Original zuerst auf FOCUS online-Experte

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Uwe Knop (*72) ist evidenzfokussierter Ernährungswissenschaftler (Dipl.oec.troph./JLU Gießen), Publizist, Referent und Buchautor (aktuell „ENDLICH RICHTIG ESSEN“ (Aug- 2024)). Seit mehr als 14 Jahren bildet die objektiv-faktenbasierte Analyse tausender aktueller Ernährungsstudien den Kern seiner unabhängigen Aufklärungsarbeit. Knop hat den mündigen Essbürger mit eigener Meinung zum Ziel, der umfassend informiert selbst und bewusst entscheidet, worauf er bei der wichtigsten Hauptsache der Welt – genussvolles Essen zur Lebenserhaltung – vertraut.

Kontakt: presse@echte-esser.de