Die Zahl der Menschen mit Essstörungen steigt weltweit an. Ernährungswissenschaftler Uwe Knop beleuchtet die Gründe und gibt Tipps, wie man dem entgegenwirken kann.
Gerade haben Forscher aktuelle Zahlen zu Essstörungen bei Heranwachsenden und jungen Erwachsenen veröffentlicht – was zeigen die Daten?
Essstörungen haben in Europa, Nordamerika, Asien und Australien deutlich zugenommen – auch in Deutschland wächst die Zahl der Betroffenen.. Das zeigen internationale Daten, die auf dem 27. Weltkongress für Psychosomatik vorgestellt wurden. „Wir sehen eine kontinuierliche Zunahme von Patientinnen und Patienten mit komplexen und schwerwiegenderen Formen von Essstörungen – nicht nur in der Hauptbetroffenengruppe junger Mädchen, sondern in allen Altersklassen“, sagte Prof. Stephan Zipfel, ärztlicher Direktor der Abteilung Psychosomatische Medizin und Psychotherapie an der Medizinischen Universitätsklinik Tübingen. Neueste Zahlen ließen zudem den Schluss zu, dass Essstörungen insgesamt eine viermal höhere Prävalenz aufweisen als ursprünglich angenommen, berichtet Zipfel laut Deutschem Ärzteblatt.
Welche Ursachen und Auslöser werden diskutiert?
Als Ursachen werden “globale Phänomene” vermutet – und das nicht nur für die seit 20 Jahren steigende Zahl an Essstörungen sondern für die generelle Zunahme von psychischen Erkrankungen bei jungen Menschen vor allem in Industrienationen Zu diesen “Phänomen” gehören beispielsweise sowohl dauerhafte gesellschaftliche Umbrüche und einschneidende Veränderungen als auch Kriege oder Klimaangst – was zu Stress, Entfremdung, Einsamkeit und letztlich zu Essstörungen führen kann. Einer der wahrscheinlich wichtigsten Faktoren wird jedoch von der Forschergemeinde vollumfänglich ausgeblendet.
Welche wichtige Faktor zur Entwicklung von Essstörungen fehlt und warum?
Ein wahrscheinlich höchst relevanter Faktor, der zur Entwicklung von Essstörungen beiträgt, ist die wachsende Unsicherheit zur richtigen Ernährung. Überall hört und liest man heutzutage von “gesunder Ernährung”. Kein Tag vergeht ohne neue Studien zur richtigen Ernährung und der korrespondierenden Medienberichte. Dabei klaffen die Wahr- und Weisheiten sehr weit auseinander und enden in einem uneinheitlichen Chor unterschiedlichster Meinungen und Sichtweisen selbsternannter Experten, Influencer, Coaches und öffentlicher Institutionen – kein Mensch blickt mehr durch, was richtig und was falsch ist, und das macht ein gesundes Essverhalten gerade für sensible Personen zu einem regelrechten “Martyrium auf dem Teller”. Das kann zu gestörtem Essverhalten führen.
Warum dieser Aspekt nicht zentral diskutiert wird, darüber lässt sich nur spekulieren. Vielleicht wollen die Psychologen den endlosen Ernährungsstimmen nicht in den Rücken fallen – oder sie wissen selbst nicht, was richtig und was falsch ist und äußern sich deshalb einfach gar nicht dazu, weil sie befürchten, das Flasche zu sagen.
Wie esse ich am besten, um Essstörungen vorzubeugen?
Genussvoll essen zur Lebenserhaltung sollte die schönste Hauptsache der Welt sein und sich auch genau so anfühlen – am besten wie eine angenehme Melange aus Dankbarkeit, Freude, Lust und Sinnlichkeit. Doch die Realität, besonders jüngerer Generationen, sieht anscheinend oft anders aus: Unzufriedenheit, Selbstzweifel und Verunsicherung prägen das schlechte Gewissen beim omnipräsenten Thema Ernährung. Unbeschwert essen, das war mal. Doch aus diesem Ess-Dilemma kommt man prinzipiell ganz easy wieder raus, in dem wir einfach endlich (wieder) richtig essen lernen. Dazu muss man der Macht seiner Intuition und die Kraft seiner Ethik vertrauen. Die Intuition liefert dabei die einzigartige Weisheit des eigenen Körpers, die Ethik steuert die Weisheit des Wissens bei.
Konkret heißt das: Die Gefühle Hunger, Genuss und Verträglichkeit liefern den biologischen Körperinput, der Verstand entscheidet ethisch über rationale Fragen zu Tierhaltung, Anbau, Herkunft, Nachhaltigkeit, Produktions- und Personalbedingungen – und zwar immer vollumfänglich individuell innerhalb des ganz persönlichen Wertekosmos und unabhängig vom vermeintlich richtigen moralischen Zeitgeist der Gesellschaft. Zusammengefasst in einer Frage heißt das: „Was vertrage ich gut und was ist mir wichtig?“ Mit dieser einfachen Art des echten Essens habe ich die größten Chancen, um Essstörungen vorzubeugen
Dieser Beitrag erschien im Original zuerst auf FOCUS online-Experte
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Uwe Knop (*72) ist evidenzfokussierter Ernährungswissenschaftler (Dipl.oec.troph./JLU Gießen), Publizist, Referent und Buchautor (aktuell „ENDLICH RICHTIG ESSEN“ (Aug- 2024)). Seit mehr als 14 Jahren bildet die objektiv-faktenbasierte Analyse tausender aktueller Ernährungsstudien den Kern seiner unabhängigen Aufklärungsarbeit. Knop hat den mündigen Essbürger mit eigener Meinung zum Ziel, der umfassend informiert selbst und bewusst entscheidet, worauf er bei der wichtigsten Hauptsache der Welt – genussvolles Essen zur Lebenserhaltung – vertraut. Kontakt: presse@echte-esser.de