Die Spargelsaison steht vor der Tür, doch die Zukunft des deutschen Spargels hängt am seidenen Faden.
Ernährungswissenschaftler Uwe Knop beleuchtet die brisanten Hintergründe.
Im April beginnt die Spargelsaison – wird es die letzte mit deutschem Spargel sein?
Das Szenario ist durchaus denkbar. Denn der Präsident des Bauernverbands, Joachim Rukwied, kritisiert die angepeilte Anhebung des Mindestlohns auf 15 Euro, die gerade den Sondierungen zwischen Union und SPD ausgehandelt wird – und zwar deutlich und heftig. „Mit dieser Anhebung wäre die deutsche Landwirtschaft nicht mehr wettbewerbsfähig. Dies wäre das Ende für den Obst-, Gemüse- und Weinanbau in Deutschland.“ Wenn also die neue kleine GroKo kommt und den Mindestlohn bringt, dann wird – Rukwied zufolge – 2025 das letzte Jahr des deutschen Spargels.
Warum ist Spargel im Vergleich zu anderen Gemüsesorten überhaupt so teuer?
Die Ernte ist wesentlich aufwändiger, da viel mehr vorsichtig-filigrane und erfahrene Handarbeit nötig ist, weil der Spargel fragil und zerbrechlich ist – und dazu müssen meist Leiharbeiter aus Osteuropa hergebracht werden, weil die Kosten für hiesige Arbeitskräfte den ohnehin schon hohen Spargelpreis noch weiter steigen lassen würden.
Welche Rolle spielen die ausländischen Erntehelfer in der Spargelproduktion und warum ist ihre Arbeit so aufwendig?
Sie sind elementar wichtig, weil deren fleißig-erfahrene Handarbeit aus ökonomischen Gründen unersetzlich ist für das „weiße Luxusgemüse“ auf deutschen Tellern. Doch niedrig bezahlte ausländische Leiharbeiter, die mit Bussen angekarrt für Tage oder Wochen in Gemeinschaftsunterkünften einquartiert werden und gebückt bei Wind & Wetter auf deutschen Feldern Spargel stechen, dieses unzeitgemäße Bild der Realität stößt besonders bei den sozial sensibleren jüngeren Generationen auf Widerstand. Daher sinkt besonders in dieser Gruppe der Konsum – denn Spargel hat hier einen gewissen Image-Schaden mit dem Brandmal „sozialer Ungleichheit“ erlitten.
Wie sieht die Ökobilanz von Spargel aus, welche Auswirkungen hat seine Produktion aufs Klima?
Spargel von unbeheizten Feldern aus der Region hat eine vergleichsweise gute Klimabilanz im Vergleich zu Import-Spargel aus Spanien, Griechenland und Südamerika oder deutschem „März-Frühspargel“ von beheizten Feldern. Alle „klimabewussten Spargelaficionados“ sollten also im Mai/Juni beim regionalen Händler ihres Vertrauens zugreifen. Das sollte auch nicht schwer sein, denn mehr als 80 % unseres Spargels kommen aus Deutschland – und somit sind die „schlanken Edelstangen“ auch das Gemüse mit der größten Anbaufläche hierzulande.
Kann der Nährwert von Spargel im Vergleich zu anderen Gemüsesorten überzeugen?
Spargel ist im Grunde eine energielose und recht nährwertfreie „Presswasserstange“ – und damit in etwa auf Augenhöhe mit Gurken, Tomaten und Blattsalaten. Spargel gehört zu den teuren „Luxusgemüsen“, die kein Mensch zur Lebenserhaltung benötigt, sondern die einfach nur als „nice to have“ schmecken. Dessen sollte man sich beim Einkauf nicht nur von Spargel, sondern vieler nährwertfreier Gemüse bewusst sein: sie verbrauchen teils viele Ressourcen, liefern aber kaum Energie und essenzielle Nährstoffe.
Das muss aber den avisierten Genuss nicht schmälern – doch vorher sollte man einmal folgendes kulinarische Grundsatzexperiment durchführen: Dazu probieren Sie den Spargel, in der gewünschten Konsistenz gekocht/zubereitet, ganz pur – und hören dabei auf Ihre intuitiven Körpersignale: Schmeckt mir „nackter“ Spargel (auch ohne Soße Hollandaise oder Butter)? Wie fühlt sich das Kauen im Mund an? Welches Feedback bekommen ich von meinem Belohnungszentrum im Gehirn, das in enger Verbindung mit meinem enterischen Nervensystem („Bauchhirn“) steht? An diesem reinen Biofeedback sollten Sie Ihren Konsum ausrichten – nicht nur von Spargel, sondern von allen Lebensmitteln. .
Gibt es nachhaltige Alternativen zu Spargel, die vergleichbaren Genuss liefern?
Nachhaltig im Sinne „kurzweiligeren Genuss“, den man gerne wiederholt, ist der grüne Spargel. Denn den muss man nicht schälen, er ist einfacher zu verarbeiten und die kulinarischen Einsatzmöglichkeiten sind größer. Dem Klima ist es aber wahrscheinlich egal ob grün oder weiß, wenn er natürlich sonnengereift aus der Region kommt. Grundsätzlich gilt: Zu einer ganzheitlichen Wohlfühl-Ernährung gehört neben einer unverfälschten Intuition auch eine klare persönliche Ethik, also Ihr eigener Wertekompass, der beim Kauf mitentscheidet. Gesund essen ist leicht gemacht, wenn Sie auf diese drei einfachen Regeln achten, die jeder kennen sollte.
Dieser Beitrag erschien im Original zuerst auf FOCUS online-Experte
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Uwe Knop (*72) ist evidenzfokussierter Ernährungswissenschaftler (Dipl.oec.troph./JLU Gießen), Publizist, Referent und Buchautor (aktuell „ENDLICH RICHTIG ESSEN“ (Aug- 2024)). Seit mehr als 14 Jahren bildet die objektiv-faktenbasierte Analyse tausender aktueller Ernährungsstudien den Kern seiner unabhängigen Aufklärungsarbeit. Knop hat den mündigen Essbürger mit eigener Meinung zum Ziel, der umfassend informiert selbst und bewusst entscheidet, worauf er bei der wichtigsten Hauptsache der Welt – genussvolles Essen zur Lebenserhaltung – vertraut.
Kontakt: Uwe Knop auf LI