Übergewicht bekämpfen, aber wie? Ernährungswissenschaftler Uwe Knop beleuchtet die frischen Empfehlungen amerikanischer Herzspezialisten und den bemerkenswerten Strategiewechsel im Umgang mit Fettleibigkeit.
Wie lauten die neuen Empfehlungen der amerikanischen Herzspezialisten?
Die amerikanischen Herzspezialisten („Kardiologen“) empfehlen in ihrem aktuellen „Konsens Gewichtsreduktion“ zur Verbesserung der Herzgesundheit, Übergewicht frühzeitig medizinisch zu behandeln. Das sei wichtig, weil Übergewicht das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie Herzschwäche, koronare Herzkrankheit und Schlaganfall erhöht. Besonders hervorgehoben werden von den US-Medizinern neue Medikamente – und hier besonders im Fokus die „Abnehmespritzen“. Diese Arzneimittel werden im neuen Konsensus-Paper als wirksamer angesehen als reine Änderungen des Lebensstils und als weniger riskant als chirurgische Eingriffe zur Gewichtsreduktion („bariatrische OPs“).
In ihren neuen Empfehlungen beleuchten die Herzspezialisten auch, dass Fettleibigkeit komplexe Ursachen aufweist, die durch verschiedene Faktoren wie Genetik, psychologische Aspekte, hormonelle Ungleichgewichte, soziale Bedingungen, Umweltfaktoren und andere Medikamente beeinflusst werden. Das ist im Grunde bekannt und damit nicht neu – im Gegensatz zu einer anderen, sehr bemerkenswerten Empfehlung dieses „Kardiologen-Konsens“.
Was ist an diesem „Kardiologen-Konsens“ besonders bemerkenswert?
Das neue Konsensus-Statement der US-Kardiologen kommt einem „Paradigmenwechsel“ sehr nahe. Denn normalerweise wird bei Übergewicht oft zuerst versucht, durch Änderungen im Lebensstil – also durch angepasste Ernährung und mehr Bewegung – Gewicht zu verlieren. Erst wenn das nicht ausreicht oder nicht funktioniert, werden medikamentöse Therapien in Betracht gezogen.
Die Autoren der neuen Empfehlung des „American College of Cardiology (ACC)“ vertreten jedoch einen anderen Standpunkt namen:
- „Upfront“-Option: Sie schlagen vor, dass man nicht erst abwarten muss, ob die Lebensstiländerungen scheitern. Vielmehr sollte eine medikamentöse Therapie mit den neuen Medikamenten zur Gewichtsabnahme (den „Gewichtssenkern“) direkt von Anfang an („upfront“) als eine Option für das Gewichtsmanagement in Betracht gezogen werden. Der Hauptgrund dafür sei, die Herz-Kreislauf-Gesundheit bei Übergewicht schneller und effektiver zu verbessern.
- Lebensstiländerungen als Basis: Trotzdem betonen sie, dass Anpassungen bei Ernährung und Bewegung weiterhin die Grundlage jeder Behandlung zur Gewichtsreduktion bilden. Die Medikamente sollen also eine Ergänzung sein, nicht ein Ersatz für gesunde Lebensgewohnheiten.
Zusammenfassend bedeutet das: Kardiologen sehen die neuen Abnehmspritzen nicht nur als „letzte Rettung“ bei Übergewicht, sondern als eine wichtige, frühzeitig einsetzbare Unterstützung, um die Herzgesundheit zu schützen, während Lebensstiländerungen weiterhin unerlässlich sind.
Welche Abnehmspritzen gibt es und wirken die sie?
Zuerst kam 2023 die Abnehmspritze „Wegovy“ (Wirkstoff: Semaglutid) auf den Markt. Die zweite Abnehmspritze heißt „Mounjaro“ (Wirkstoff: Tirzepatid). Beide Wirkstoffe sind nicht neu – sie werden bereits seit vielen Jahren zur Behandlung von Typ-2-Diabetes („Zuckerkrankheit“) eingesetzt – und seit 2023 können sie nun auch ganz gezielt nur bei Übergewichtigen oder Fettleibigen verordnet werden, die keinen Diabetes haben. Beide Spritzen kann nur ein Arzt auf Rezept verschreiben. Dabei ist wichtig zu wissen, dass alle Verwender nicht nur spritzen müssen, sondern auch unbedingt ihre Ernährung umstellen und sich mehr bewegen sollen. Tirzepatid und Semaglutid gehören zur Wirkstoffgruppe der „GLP-1-Rezeptoragonisten“ (auch GLP-1-Analoga, also GLP-1-„Kopien“), das heißt sie ahmen die Wirkung des körpereigenen Darmhormons GLP-1 nach, das ausgeschüttet wird, wenn wir essen. Zu dessen Wirkungen gehören einerseits die Steigerung der Insulinausschüttung aus der Bauchspeicheldrüse, was den Blutzuckerspiegel genauer senken kann als andere Arzneimittel, daher der bisherige Einsatz bei Diabetes. Anderseits hat es Wirkungen auf das Sättigungszentrum in unserem Gehirn, weil es Hunger bzw. Appetit herabsetzt und im Magen zu einer langsameren Entleerung und einer längeren Sättigung führt. Insgesamt haben die „Abnehmspritzer“ somit weniger Hunger, sind satter und essen daher auch weniger. Aber es gibt auch zahlreiche Nebenwirkungen.
So haben Forscher in einer neuen Großstudie die Glucagon-like Peptide-1-Rezeptoragonisten (GLP-1-RA) erstmals systematisch im Hinblick auf diverse Effekte bei 175 gesundheitlichen Problemen und Krankheiten untersucht. Dabei stellten sie fest: Die Abnehmspritzen senken nicht nur Blutzucker und Gewicht – bei den Verwendern ändern sich die auch Risiken für verschiedene Beschwerden und Krankheiten. Die Autoren berichten, dass GLP-1-RA nicht nur zahlreiche positive Zusatzwirkungen haben können, sondern auch einige negative Risiken mit sich bringen. Daher ist es wichtig, dass alle Ärzte, die Abnehmspritzen verordnen, jeden einzelnen Patienten genau hinsichtlich der persönlichen Risiken aufklärt.
Wie kann ich ohne Abnehmspritzen und Chirurgie erfolgreich abnehmen und schlank bleiben?
Erstmal ohne Arzneimittel-Spritzen und „bariatrische Operationen“ abzunehmen, das sollte immer das primäre Ziel sein. Bei der langfristigen Gewichtsreduktion und vor allem beim anschließenden „Gewicht halten“ kommt es auf einen zentralen Faktor an – und der heißt individuelle Ernährungs- und Lebensstilumstellung, die lebenslang zu mir und meinem Charakter passt. Mit dieser persönlichkeitsaffinen Intervention, also einer Maßnahme, die ich gerne umsetze, lassen sich etwa zwei Kilogramm pro Monat gesund abnehmen. Dazu muss man auch keine Kalorien zählen. Wenn Sie das Projekt Gewichtsreduktion starten möchten, hier finden Sie in diesem einfachen 5-Phasen-Plan alles, was Sie wissen müssen.
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Dieser Beitrag erschien im Original zuerst auf FOCUS online-Experte
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Uwe Knop (*72) ist evidenzfokussierter Ernährungswissenschaftler (Dipl.oec.troph./JLU Gießen), Publizist, Referent und Buchautor (aktuell „ENDLICH RICHTIG ESSEN“ (Aug, 2024)). Seit mehr als 14 Jahren bildet die objektiv-faktenbasierte Analyse tausender aktueller Ernährungsstudien den Kern seiner unabhängigen Aufklärungsarbeit. Knop hat den mündigen Essbürger mit eigener Meinung zum Ziel, der umfassend informiert selbst und bewusst entscheidet, worauf er bei der wichtigsten Hauptsache der Welt – genussvolles Essen zur Lebenserhaltung – vertraut.
Kontakt: Uwe Knop auf LI