Spüren Sie beim Essen das „Wohlige Stöhnen aus der Tiefes des Bauches“? Wenn nicht, dann sollten Sie etwas elementares ändern – das geht ganz einfach.
Wir kennen das alle: Der Kühlschrank lacht uns an, obwohl der Magen keinen Mucks von sich gibt. Oder die Uhr zeigt Punkt eins, und zack – obwohl man sich noch vom opulenten Frühstück satt fühlt, wird der Mittagspausen-Lunch herbeigesehnt. Wir essen oft aus Langeweile, Stress, Frust oder einfach routiniert aus Gewohnheit, weil das Essen vor uns steht oder eben „Mahlzeit“ ist. Doch Freunde des guten Geschmacks und des wahren Genusses, lasst es mich euch sagen: Essen ohne Hunger ist wie Sex ohne Orgasmus! Kann man machen, muss und sollte man aber nicht. Denn glauben Sie mir, ich spreche hier nicht von einer kulinarischen Affäre, sondern von der tiefsten, ursprünglichsten Verbindung, die wir zu unserer Nahrung haben können . wenn wir wieder intensiver auf unseren echten, den körperlich-biologischen Hunger als evolutionsnären Trieb zur Lebenserhaltung „Nummer eins“ hören und vertrauen.
Der Ruf der Wildnis – und des Magens
Stellen Sie sich vor, Sie sind ein Urmensch. Ja, genau, mit Keule und Lendenschurz. „Ihr habt den ganzen Tag einem Mammut hinterhergejagt, durch Wälder gestreift und Flüsse durchquert. Euer Magen knurrt nicht nur, er schreit! Euer ganzer Körper signalisiert: Energie! Nahrung! Überleben! Dann, endlich, erlegt ihr das Mammut. Das Feuer brennt, der Geruch von gebratenem Fleisch steigt euch in die Nase. In diesem Moment, wenn der erste Bissen den hungrigen Mund erreicht, dann explodiert etwas in euch….“ Das ist nicht nur Sättigung, das ist pure, unverfälschte, biologische Glückseligkeit.
Und genau dieses Gefühl, dieses wohlige Stöhnen aus der Tiefe des Bauches, dieser organisch-orgasmische Höhepunkt des Essens, der stellt sich nur ein, wenn der echte, biologische Hunger mit am Tisch sitzt und den Start des Essens bestimmt. Ohne ihn ist es bloß ein mechanischer Vorgang, ein Schlucken, Kauen, Verdauen – aber ohne Seele, ohne die Magie, die das Essen zu einem der größten Genüsse des Lebens macht. Und das gleich mehrmals am Tag!
Das limbische Orchester spielt nur für den Hungrigen
Warum ist das so? Nun, wir Menschen gelten als „Krone der Schöpfung“, unser Körper ist ein Meisterwerk der Evolution, und er hat ein Belohnungssystem eingebaut, das seinesgleichen sucht: das limbische System. Dieses archaische Gehirnareal ist zuständig für Emotionen, Motivation und eben auch für die Belohnung. Wenn wir hungrig sind und dann essen, dann wird dieses System auf Hochtouren gefahren. Es schüttet Glückshormone aus, Dopamin tanzt Samba in unseren Nervenzellen, und wir fühlen uns einfach nur… so richtig gut. Zufrieden. Erfüllt. Es ist die körpereigene Art, uns dafür zu belohnen, dass wir unser Überleben sichern – ganz einfach, indem wir köstlich essen, was uns schmeckt, wenn wir „Bärenhunger“ haben. Das war nicht immer ganz einfach, aber heute ist es so. Genießen Sie diesen Status quo!
Aber jetzt kommt der Clou: Wenn wir essen, ohne wirklich hungrig zu sein, bleibt das limbische System stumm. Es ist wie ein Orchester, das zwar die Noten vor sich hat, aber keine Lust zum Spielen. Es gibt keinen Applaus, keine Zugabe, nur eine leere Bühne. Das Essen schmeckt dann vielleicht okay, aber es fehlt dieser tiefe, befriedigende Nachhall, dieses Gefühl, wirklich etwas Gutes getan zu haben – für unseren Körper und unsere Seele.
Die Falle der Verfügbarkeit
Wir leben in einer Welt des Überflusses. Der Kühlschrank ist immer voll, der nächste Supermarkt nur einen Steinwurf entfernt. Essen ist ständig verfügbar, und das verleitet uns dazu, ständig zu essen. Viele Menschen haben leider verlernt, auf die Signale unseres Körpers zu hören. Das Knurren des Magens wird ignoriert, das leichte Ziehen in der Magengegend als unwichtig abgetan. Stattdessen essen wir nach der Uhr, nach dem Kalender oder einfach, weil andere essen. Routine, Gewohnheit, „Abarbeiten“ – doch genau das ist der absolut falsche Weg zu essen und diese ständige Verfügbarkeit kann unsere Sinne abstumpfen lassen. Der Geschmack wird weniger intensiv, die Freude am Essen verfliegt. Wir stopfen uns voll, ohne wirklich satt zu werden, weil die wahre Sättigung nicht nur im Magen, sondern auch im Hirn stattfindet – eben durch die Aktivierung unseres Belohnungssystems.
Die Kunst des Wartens – eine Ode an den echten Hunger
Lassen Sie uns also wieder lernen, auf unseren Körper zu hören! Das ist keine Raketenwissenschaft, sondern eine Rückbesinnung auf unsere Instinkte, auf unsere Intution – es ist die Wiederentdeckung der natürlcihsten Form menschlicher Ernährung, und die heißt: intuitiv essen. Warten Sie, bis der Magen wirklich knurrt. Bis sich ein leichtes, angenehmes Gefühl der Leere einstellt. Bis die Sinne schärfer werden und der Duft des Essens Sie wirklich in den Bann zieht. Dann, und nur dann, greifen Sie zu!
Wenn Sie diese Hingabe an den echten Hunger einmal ungefiltert zulassen, dann werden Sie feststellen, dass selbst ein ganz einfaches Gericht zum „kulinarischen Festmahl“ wird. Die knackige Gurke im Salat, die aromatische Tomate, das saftige Döner, Pasta mit Parmesan – all das wird zu einer Geschmacksexplosion, die Ihnen das Wasser im Munde zusammenlaufen lässt und ein glückseliges Stöhnen entlockt. Es ist wie das Vorspiel zum großen Finale, bei dem jede Sekunde des Wartens die Lust nur noch steigert.
Die Chuzpe des Genießers
Also, liebe Leser, haben Sie die Chuzpe, den Kühlschrank geschlossen zu lassen, wenn der Hunger nicht wirklich da ist. Haben Sie den Mut, auf die Uhr zu pfeifen und stattdessen auf Ihren Bauch zu hören. Es mag am Anfang ungewohnt sein, vielleicht sogar ein bisschen schmerzhaft, aber ich verspreche Ihnen: Die intensiv spürbare innere Belohnung wird es mehr als rechtfertigen.Denn nur wenn wir den echten Hunger voll zulassen, können wir die komplette Pracht des Essens und der genussvollen Sättigung erfahren. Nur dann wird das Essen zu einer sinnlichen Erfahrung, zu einem Akt der Selbstliebe, zu einem Höhepunkt, der uns archaisch, tief befriedigt. Es ist die einzige Art, wie Essen wirklich zu Essen mit „Orgasmus“ wird. Und wer will das schon missen? Viele Menschen wünschen sich, dass sie endlich richtig essen können – wenn Sie diese Zeilen lesen, dann sind Sie genau da angekommen.
____
Dieser Beitrag erschien im Original zuerst auf FOCUS online-Experte
____
Uwe Knop (*72) ist evidenzfokussierter Ernährungswissenschaftler (Dipl.oec.troph./JLU Gießen), Publizist, Referent und Buchautor (aktuell „ENDLICH RICHTIG ESSEN“ (Aug, 2024)). Seit mehr als 14 Jahren bildet die objektiv-faktenbasierte Analyse tausender aktueller Ernährungsstudien den Kern seiner unabhängigen Aufklärungsarbeit. Knop hat den mündigen Essbürger mit eigener Meinung zum Ziel, der umfassend informiert selbst und bewusst entscheidet, worauf er bei der wichtigsten Hauptsache der Welt – genussvolles Essen zur Lebenserhaltung – vertraut.
Kontakt: Uwe Knop auf LI