Resteverwertung von Backwaren

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Restbrot in Zahlen.

9,9 Kilogramm … Brot und Backwaren lassen sich laut des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) jährlich pro Person allein in privaten Haushalten mit einfachen, smarten Tipps vor dem Wegwerfen retten.

Brotchips; Foto: ©Martin Braun-Gruppe

„Altes Brot ist nicht hart – kein Brot, das ist hart. Dieses oft zitierte Sprichwort bringt auf den Punkt, wie wertvoll Brot als Lebensmittel ist. Es erinnert uns daran, seine aufwändige Herstellung zu schätzen – und es nicht vorschnell zu entsorgen. Natürlich ist Brot ein Frischeprodukt. Doch wenn mal zu viel im Einkaufskorb landet oder sich der Speiseplan ändert, lassen sich aus nicht mehr ganz frischem Brot oder Kuchen oft noch köstliche neue Gerichte oder traditionelle Feingebäcke zaubern.“

CHRISTOF CRONE
Vorsitzender und Geschäftsführer Wissensforum Backwaren e.V.

Was macht Brot zu altem Brot?

Wenn Brot alt wird, liegt das nicht daran, dass es „schlecht“ ist – sondern an einem ganz natürlichen Prozess: der sogenannten Retrogradation. Die Stärkemoleküle im Brotinneren beginnen sich nach dem Backen langsam zu verändern.

Frisch gebackenes Brot ist weich, weil die Stärke durch das Backen aufquillt − sie bindet Wasser.

Mit der Zeit bindet die Stärke das Wasser jedoch nicht mehr so gut – sie „kristallisiert“ langsam wieder aus. Das Brot verliert Feuchtigkeit, wird fester und fühlt sich hart an. Besonders schnell passiert das bei Weiß- oder Weizenbrot. Roggen- oder Vollkornbrote bleiben meist länger weich und damit frisch.

Der Prozess der Retrogradation ist reversibel – mit etwas Wasser und Wärme (z. B. im Ofen oder im Airfryer mit Wasser bestrichen) lassen sich Brot und Kleingebäck von Vortagen noch einmal mit einem Frischekick versehen.

Ebenfalls eine gute Option: Einfrieren. So lässt sich die Retrogradation verlangsamen.

Alter erwünscht!

Traditionelle „Alte“ Brote

Was wir heute als „altbacken“ abstempeln und ohne Nachdenken oft vorschnell entsorgen, war früher ein genialer Trick: Brot wurde durch besondere Backverfahren absichtlich getrocknet, um es haltbar zu machen. So ließen sich Vorräte anlegen – ganz ohne Konservierungsstoffe oder Kühlung. In vielen europäischen Regionen entstanden dabei einzigartige Brotsorten, die bis heute gebacken und geschätzt oder in letzter Zeit durch Rückbesinnung auf Bewährtes wieder neu aufgelegt werden. Ein paar der Beispiele kann man auch bei der Urlaubsreise verkosten und erfahren, dass altes Brot nicht gleich ungenießbar bedeutet muss, sondern von früheren Generationen einfach gut durchdacht hergestellt wurde.

Schüttelbrot (Südtirol, Italien)

Würziges, knuspriges Roggenbrot mit einer Mischung verschiedenster Gewürze wie unter anderem Kümmel und Fenchel – flach geschüttelt, hart gebacken und daher monatelang haltbar. Es handelt sich ganz streng genommen nach den „Leitsätze für Brot und Kleingebäcke“ nicht so richtig um ein Brot entsprechend der Definition, aber es hat sich in der Südtiroler Genusskultur etabliert und in den letzten Jahrzehnten einen wahren Boom erlebt. Früher wurde in den vielen Bergbauernhöfen nur an wenigen Tagen im Jahr der oft tagelang dauernde und sehr aufwändige Backprozess durchgeführt. Ziel war es, einen großen Vorrat zu backen, von dem die Familie lange zehren konnte. Das Schüttelbrot wurde kühl und trocken gelagert und zum Verzehr in eine Flüssigkeit wie Kaffee eingetunkt, um es weicher werden zu lassen.

Reikäleipä/Ruisreikäleipä (Finnland)

Die Finnen haben weit von Südtirol entfernt ein ähnliches traditionelles Brot, das nun auch wieder in kleinen Handwerksbäckereien zum Kauf angeboten wird. Das runde, trockene Roggenbrot mit einem Durchmesser von ca. 30 cm ist genau wie das Schüttelbrot extrem flach. Die Finnen haben schon beim Backen an die Lagerung gedacht und vor dem Backen in der Mitte ein Loch geformt. So konnten die bei hohen Backtemperaturen hergestellten Brote einfach über eine Stange geschoben und trocken und sicher unter der Decke der Hütten länger gelagert werden.

Knäckebröd (Schweden)

Natürlich darf bei der Auflistung der Klassiker nicht fehlen: das Knäckebrot aus Schweden. Bei uns wesentlich länger bekannt und in sehr vielen Varianten nicht nur beim Bäcker, sondern auch im Supermarkt erhältlich. Es handelt sich in der traditionellen Fassung um ein dünnes Knusperbrot aus Roggen, da dieser als Brotgetreide vor allem in den nördlichen Ländern Europas die Brotlandschaft geprägt hat.

Knäckebrot; Foto: ©Zeelandia

Brot & Brötchen

Top 10 Resteverwertung

  1. Paniermehl/Semmelbrösel Brötchen oder Weißbrot trocknen lassen und mahlen. Zum Panieren, für Aufläufe oder zum Binden von Fleischbällchen.
  2. Croutons Brötchen oder Weißbrot in Würfel schneiden, in Öl oder Butter rösten, ideal für Salate oder Suppen.
  3. Semmelknödel Klassiker aus altbackenen Brötchen, Ei, Milch, Petersilie, Zwiebeln. Perfekt zu Pilzrahm oder Braten.
  4. Arme Ritter Brötchen- oder Weißbrotscheiben in Milch und Ei einweichen, würzen, anbraten. Als Süßspeise z. B. mit Zimt-Zucker und Apfelmus, oder herzhaft mit Speck, Zwiebeln, Käse.
  5. Ofenschlupfer/Scheiterhaufen Süßer Auflauf aus altbackenem Brot oder Brötchen, meist mit Äpfeln oder anderen Früchten, Milch, Eiern, Zucker und Zimt. Lecker dazu: Vanillesoße.
  6. Panzanella (italienischer Brotsalat) Brotwürfel mit Tomaten, Gurken, Zwiebeln, Olivenöl, Essig und Kräutern. Frisch und sommerlich.
  7. Brotchips Dünne Brot- oder Brötchenscheiben in Öl geröstet und ggf. mit Salz und weiteren Gewürzen verfeinert. Toller, selbstgemachter Snack.
  8. Gemüsefüllung Zerkleinerte Brotreste mit Kräutern, Ei und Käse mischen und Paprika, Zucchini oder Pilze damit füllen und garen.
  9. Brotauflauf Brotwürfel mit Gemüse, Ei-Milch-Mischung, Käse überbacken – wie ein Brot-Käse-Gratin.
  10. Brotsuppe In Brühe gekochtes altbackenes Brot, gewürzt mit Knoblauch, Zwiebeln, Kräutern. Rustikal und sättigend.

Süße Klassiker der Resteverwertung

Granatsplitter & Co.

Nachhaltigkeit, der bewusste Umgang mit Lebensmitteln und die Verwendung saisonaler Rohstoffe sind heute in aller Munde. Doch Nachhaltigkeit in der Backstube ist keine Erfindung der Moderne – sie hat Tradition. Schon im 19. Jahrhundert war es in Bäckereien üblich, aus übrig gebliebenen Backwaren neue Köstlichkeiten zu zaubern. Denn das Wegwerfen von Lebensmitteln war damals nicht nur verpönt, sondern auch wirtschaftlich undenkbar. Stattdessen wurde in den Backstuben kreativ recycelt – mit süßen Ergebnissen, die bis heute begeistern.

Was als nostalgisches Feingebäck wiederentdeckt wird und eine regelrechte Renaissance erlebt, war früher vor allem eines: clever. Granatsplitter, Schweineohren oder Rumkugeln gehören zu den traditionellen Gebäcken, die aus übrig gebliebenen Kuchen-, Teig- oder Gebäckresten hergestellt werden. In Zeiten, in denen Lebensmittelverschwendung noch unvorstellbar war, wurden diese süßen Kreationen, die heute zu den Klassikern zählen, erfunden – als kreative Resteverwertung mit Genussgarantie.

Granatsplitter: mächtig schokoladig, restlos genial

Nicht nur die Generation Z schwelgt bei der Erwähnung von Granatsplittern sofort in kalorienreichen Kindheitserinnerungen: Aus Biskuit-, Torten- oder Kuchenabschnitten wird eine saftige Masse hergestellt, oft mit Buttercreme oder Frischkäse vermengt, zu kleinen Kuppeln geformt, die auf einer Keksplatte platziert und in Kuvertüre getaucht werden. Das Ergebnis: knackige Hülle, saftiger Körper und herrlich schokoladiges Mundgefühl – und immer ein bisschen anders, je nachdem, welche Reste vom Tag übrig bleiben und verarbeitet werden.

Schweineohren & Rumkugeln: herzhafter Name, süßer Genuss

Auch Schweineohren (Palmiers) gehen auf einen ähnlichen Gedanken zurück: Blätterteigabschnitte wurden zu Herzchen zusammengerollt, mit Zucker karamellisiert und knusprig gebacken. Heute gehören sie zum festen Sortiment vieler Bäckereien – ursprünglich aber waren sie ein Produkt der Sparsamkeit und Nachhaltigkeit. Man findet sie heute auch mit einer oft einseitigen, feinen Schokoglasur.

Schweineohren; Foto: ©Martin Braun-Gruppe

Rumkugeln, auch Punschkugeln genannt, sind ein weiteres bekanntes Beispiel, dass Resteverwertung nicht nur schlau, sondern auch sehr lecker sein kann und dass Übriggebliebenes mehr verdient als weggeworfen zu werden. Aus Kuchenresten, Marmelade und einem Schuss Rum entstand zu früherer Zeit ein neuer Leckerbissen, der bis heute in vielen Konditoreien beliebt ist.

Diese Gebäcke sind nur ein paar Beispiele, die eindrucksvoll zeigen, wie viel kulinarische Raffinesse in Resten steckt – und wie man mit Einfallsreichtum Lebensmittelverschwendung vermeiden und besondere Genussmomente zaubern kann. Es ist Zeit, diesen cleveren Klassikern mehr Aufmerksamkeit zu schenken, sich davon inspirieren zu lassen und neue Rezepte aus Resten zu erfinden – nicht nur aus Nostalgie, sondern auch aus Respekt vor Lebensmitteln.


Über das Wissensforum Backwaren

Das Wissensforum Backwaren e.V. versteht sich als Ansprechpartner für alle, die mit Backzutaten arbeiten, und für diejenigen, die sich über die Thematik informieren wollen.

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