Die einfachste Essensregel der Welt lautet: Was Ihnen nicht schmeckt, kann nicht gesund sein! Vertrauen Sie der Weisheit Ihres Körpers.
Haben Sie sich auch schon mal gefragt, warum Ihnen dieser mega-gesunde Grünkohl-Smoothie einfach nicht schmeckt, während Sie für eine bestimmte, vielleicht unvernünftig erscheinende Speise sofort Feuer und Flamme sind? Die Wellness-Gurus predigen Disziplin, aber Ihr Magen rebelliert? Keine Sorge, Sie sind weder undiszipliniert noch kulinarisch ungebildet. Sie hören einfach nur auf eine der klügsten Instanzen in Ihrem Körper: Ihre kulinarische Körperintelligenz. Oder anders: Das Geheimnis des guten Geschmacks liegt in Ihrem Bauchhirn – und dieses schlaue Organ weiß am besten, was gesund für Sie ist!
Das Bauchhirn: Ihr persönlicher Ernährungsberater
Der Schlüssel zu diesem Phänomen ist das Enterische Nervensystem (ENS), liebevoll auch als unser „Bauchhirn“ bezeichnet. Das Bauchhirn ist also kein esoterisches Hirngespinst, sondern ein faszinierender organischer Teil von uns: Dieses hochkomplexe Geflecht aus über 100 Millionen Nervenzellen in Ihrer Darmwand arbeitet weitgehend autonom – quasi als eigenständiges, kleines Gehirn mit lebenslang wachsender Intelligenz in Ihrem Verdauungstrakt. Es steuert nicht nur die Verdauung, sondern steht auch in ständigem, intensivem Austausch mit Ihrem Kopfhirn über den Vagusnerv. Und das Verrückte: Es sendet mehr Signale ans Gehirn, als es empfängt! Ihr Bauch hat also mehr zu sagen, als Sie dachten.
Dieses Bauchhirn ist Ihr kulinarisches Gedächtnis. Es analysiert in Windeseile, was Sie essen, wie gut Ihr Körper die Inhaltsstoffe verarbeiten kann und welche Substanzen ihm in der Vergangenheit gut oder eben gar nicht bekommen sind.
Der Geschmack als Türsteher
Nun kommt der Clou: Das Bauchhirn ist ein Meister der Prävention. Bevor ein Lebensmittel überhaupt tiefer in den Verdauungstrakt gelangt und dort möglicherweise Chaos anrichtet, hat es bereits Türsteher an der Eingangspforte postiert – Ihre Geschmacksknospen und die Nase.
Wenn Ihr Körper eine Zutat oder eine Kombination von Inhaltsstoffen im Essen als potenziell schwer verdaulich oder individuell unverträglich einstuft, löst Ihr Bauchhirn einen sofortigen Abwehrmechanismus aus: Das Essen schmeckt Ihnen nicht!
Es ist die einfachste Logik der Welt:
Wenn Ihr Körper weiß, dass er einen Stoff nicht gut verarbeiten kann, wird der Geschmack manipuliert, damit Sie das Lebensmittel ablehnen. Sie möchten es weder kauen noch schlucken. Ein hochwirksamer Schutzmechanismus.
Praxisbeispiele: Wenn gesund nicht gleich lecker ist
Schauen wir uns das mal in der Praxis an – und seien Sie ehrlich, Sie kennen das sicher:
- Der Fall des empfindlichen Magens: Sie wissen, dass Ballaststoffe gesund sind. Doch wenn Sie einen empfindlichen Magen haben, der große Mengen an unverdaulichen Bestandteilen nur unter Protest verarbeiten kann, dann wird Ihnen ein riesiger, roher Salat mit Vollkornbrot wahrscheinlich nicht schmecken. Ihr Körper weiß: Zu viele Ballaststoffe jetzt = Blähungen, Krämpfe und Schmerzen später. Die Folge: Der Geschmack warnt Sie. Ihr Bauch sagt: „Stopp, das ist Stress!“
- Der Fisch-Feind: Manche Menschen können Fisch buchstäblich nicht riechen. Der Geruch allein löst Ekel aus. Der Grund? Für diesen individuellen Körper ist Fisch vielleicht aufgrund bestimmter Proteine, Abbauprodukte (man denke an Histamin-Intoleranzen) oder einer erlernten Abneigung nicht optimal zu verarbeiten. Der Geruch ist der sofortige Warnschuss, bevor das potentielle Problem überhaupt im Mund landet.
- Die Chili-Paprika-Paradoxie: Sie lieben scharfe Chili, aber hassen den Geruch von rohem Paprika? Obwohl beides zur gleichen Familie gehört, unterscheidet Ihr Bauchhirn messerscharf: Das Capsaicin in der Chili wird vielleicht positiv mit Schmerz- und Glückshormonen verknüpft, während die spezifischen Paprika-Aromastoffe in Ihnen eine tief sitzende, individuelle Unverträglichkeit triggern. Geschmack ist nicht nur Genuss, sondern biochemische Analyse in Echtzeit! Dieses Beispiel kenne ich aus „gelebter Praxis“: Denn ich bin ein absoluter Scharf–Chili-Freund, aber es gibt ein einziges Gemüse, das ich nicht mag: Rohe Paprika! Ein paar Schnibbel im gemischten Salat und der penetrante Geruch und Geschmack der Paprika sind das „Aus“ für diese Mahlzeit.
Das Credo des gesunden Menschenverstands
Hören Sie auf Ihr Bauchgefühl – es ist wörtlich zu nehmen! Das enterische Nervensystem speichert und analysiert Ihre individuelle Verträglichkeit präziser als jede generelle Ernährungs-Tabelle.
Merken Sie sich daher diesen wissenschaftsbasierten, aber doch so menschlichen Merksatz
Was Ihrem Körper direkt an der Eingangspforte, am Türsteher „Geschmack“, kategorisch abgelehnt wird, kann für Sie persönlich in diesem Moment nicht gesund sein.
Und umgekehrt:
Nur was Ihnen richtig gut schmeckt und ein echtes Wohlgefühl auslöst, kann auch gesund sein, weil Ihr Körper weiß, dass er es optimal verwerten und verdauen kann.
Letzteres muss nicht immer so sein, denn es kommt hierbei auch auf den „Auslöser“ des Essens an: Ist es der echte Hunger zur Lebenserhaltung? Wunderbar! Ist es aber „emotionales Essen“, das zu Kompensation negativer Gefühle dient, dann ist natürlich auch vorgenannte Körperweisheit kritisch zu hinterfragen – denn das „gute Gefühl“ beim Essen wird hier missbraucht. Mehr dazu können Sie hier nachlesen,.
Vertrauen Sie daher Ihrer kulinarischen Körperintelligenz, denn sie ist evolutionär klug – und seien Sie dabei immer ehrlich zu sich selbst, welche Funktion Ihr Essen gerade erfüllt. Beziehen Sie idealerweise neben Ihrer INTUITION auch Ihren eigenen Wertekompass, Ihre individuell ETHIK, mit ein – so haben Sie die beste Ausgangslage, Ihren persönlich perfekt passenden Essweg zu finden.
____
Dieser Beitrag erschien im Original zuerst auf FOCUS online-Experte.
Uwe Knop (*72) ist evidenzfokussierter Ernährungswissenschaftler (Dipl.oec.troph./JLU Gießen), Publizist, Referent und Buchautor (aktuell „ENDLICH RICHTIG ESSEN“ und „ERFOLGREICH ABNEHMEN“ (2. Auflage 2025)). Seit mehr als 15 Jahren bildet die objektiv-faktenbasierte Analyse tausender aktueller Ernährungsstudien den Kern seiner unabhängigen Aufklärungsarbeit. Knop hat den mündigen Essbürger mit eigener Meinung zum Ziel, der umfassend informiert selbst und bewusst entscheidet, worauf er bei der wichtigsten Hauptsache der Welt – genussvolles Essen zur Lebenserhaltung – vertraut.
Kontakt: Uwe Knop auf LI
