Glukose-Trick oder Marketing-Trick? Alle drei „Regeln“ sind frei erfunden und frei von Evidenz:

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Alle Jahre wieder beginnt im Januar die „Abnehmensaison“ – und der gute Vorsatz „schlank werden“ steht bei vielen Menschen ganz weit oben auf der Agenda.

Mit KI erstellt

Neben den Dauerbrennern Low Carb und Intervallfasten soll „Abnehmen mit dem Glukose-Trick“ wahre Wunder bewirken – was ist dran am Diät-Hype?

Mit der richtigen Ernährung den Blutzucker in Schacht halten – und dadurch abnehmen, jung, frisch und gesund bleiben! Das zumindest verspricht der „Glukose-Trick“. Dabei handelt es sich um einen frei erfundenen Diät-Trend einer amerikanischen Bloggerin, die sich dazu drei einfache Regeln ausgedacht hat:

1. Regel: Etwa 20 Minuten vor dem Essen soll ein Glas Wasser vermischt mit einem Esslöffel Essig getrunken werden.

2. Regel: Bei jeder Mahlzeit gilt folgende Reihenfolge: Zuerst isst man das Gemüse, dann Fette und Eiweiße (z. B. Fleisch, Fisch, Hülsenfrüchte), dann Kohlenhydrate (wie Nudeln, Kartoffeln, Reis) – danach Süßes

3. Regel: Wiederum 20 Minuten nach jeder Mahlzeit soll man etwas Sport machen.

Dieser Plan – der „Glukose-Trick“ – verspricht, die potenziell negativen Auswirkungen von Blutzuckerschwankungen zu minimieren. Durch eine gezielte Ernährung soll so ein stabiler Blutzuckerspiegel erreicht werden, der sich positiv auf verschiedene Aspekte der Gesundheit auswirken und zum Wunschgewicht führen soll. Doch wie bei allen „Abnehmwunderkuren“ gilt auch hier: Für keine der vorgenannten drei Regeln gibt es einen wissenschaftlichen Nachweis der Wirksamkeit. In punkto Essig sei an die Luftnummer „Apfelessig“ erinnert – auch das ist nicht mehr als Mythos frei von jeglicher Evidenz.

Des Weiteren hat es ernährungsphysiologisch keinen nachvollziehbaren Sinn, bestimmte Lebensmittel gemäß festgelegtem Schema nacheinander zu essen. Der Magen verdaut nicht nach einer willkürlichen „Reihenfolge“ – ganz im Gegenteil: Im Magen wird das Essen zu einem „Einheitsbrei“ vermischt, bevor dieser in den Darm „weitergereicht“ wird. Demnach spielt es keine Rolle, in welcher Reihenfolge die einzelnen Lebensmittel gegessen werden.

Es gibt noch nicht einmal Beweise, welche Lebensmittel zum Abnehmen beitragen, geschweige denn existieren Beweise, dass die Ess-Reihenfolge relevant für den Abnehmerfolg ist. Und ob man nach dem Essen oder davor oder wann auch immer am Tag 20 Minuten „etwas Sport“ macht ist ebenfalls kalorisch einflussfrei – Bewegung an sich ist jedoch zu begrüßen. Viele Menschen mögen es aber nicht, direkt nach dem Essen Sport zu treiben – mit vollem Bauch ist Bewegung anstrengend und stresst. Alternativ kommt daher ein moderater Verdauungsspaziergang in Frage, der einem richtig gut tut.

Ein Blutwert im Fokus ist viel zu kurz gedacht!

Genauso wenig existieren Belege, dass der Fokus auf einen einzigen Blutwert (Blutzucker) zu einer langfristigen Gewichtsreduktion führt. Und die zusätzliche Empfehlung, dass gesunde Menschen ihren Blutzuckerspiegel selbst messen sollen, ist schlicht unsinnig. Es bringt einerseits nichts, denn alle Menschen reagieren „postprandial“ (also in Sachen Stoffwechselreaktion nach dem Essen) unterschiedlich auf Lebensmittel – es gibt keine „Standard-Blutzuckernahrung“. Die Blutzuckerkurve ist daher nie eine pauschale Konstante, sondern stets eine absolut individuelle Reaktion. So konnten bereits 2016 israelische Forscher belegen, dass die gleichen Nahrungsmittel den Blutzuckerspiegel von Mensch zu Mensch ganz unterschiedlich stark beeinflussen. Isst der eine Mensch eine Orange, können sich völlig andere Werte ergeben als bei einem anderen Studienteilnehmer.

Hinzu kommt: Das dauerhafte Glukose-Selbsttracking ist nicht nur nutzlos, es birgt auch gewisse Risiken wie die zwanghafte Selbstkontrolle diverser „Vitalparameter“ – das können Pulsmessungen, Blutdruck oder eben der Blutzuckerspiegel sein. Wer „anfällig“ für solche Selftracking-Messungen ist, den können diese Selbstoptimierungszwänge in psychischen Druck oder gar Essstörungen treiben. Last but not least fehlen auch hier wissenschaftliche Daten, um die Wirksamkeit und Sicherheit von Tracking-Apps und deren korrespondierender Ernährungsempfehlungen zu belegen.

Diäten gibt es wie Sand am Meer, doch welche Ernährungsform ist nun die richtige zum Abnehmen?

Da gibt es keine konkrete – denn die eine optimale Ernährungsform zum Abnehmen existiert nicht. Es gibt schlicht nicht das eine Abnehm-Konzept, das für alle gilt. Übergewicht ist immer ein hochkomplexes Problem und man muss scheuklappenfrei und mit ehrlicher Selbstreflexion nach dem Ursachencocktail suchen – und dieser ist immer individuell, denn unsere Gene, unser Mikrobiom (früher „Darmflora“), die Lebensweise und unser Stoffwechsel unterscheiden sich sehr stark. So lauten auch die aktuellen Ernährungsempfehlungen der Ärzte-Leitlinie „Adipositas“ zum Abnehmen: Die Wahl des Ernährungsstils sollte nur der Abnehmwillige selbst anhand seiner Essgewohnheiten, Wünsche und Vorlieben individuell treffen. Übergewichtige Menschen sollten also auf ihre persönliche Situation maßgeschneidert-abgestimmte, individualisierte Ernährungsempfehlungen erhalten. Denn es gibt heute viele, wissenschaftlich gut untersuchte Möglichkeiten, Essenergie einzusparen – sodass jeder Mensch eine für ihn passende Ernährungsweise finden sollte, die es ihm leichter macht, sein Gewicht im Griff zu behalten.

Es gibt nur einen richtigen Weg – und der ist immer individuell!

Dabei ist es essenziell, dass man seinen ganz eigenen Weg geht, der perfekt zur eigenen Persönlichkeit passt, denn nur dieser absolut individuelle Weg führt auch dauerhaft zum neuen Wunschgewicht. Wie dieser Weg aussieht, das zeigt der „Fünf-Phasen-Plan zum Wunschgewicht„, entwickelt auf Basis der aktuellen wissenschaftlichen Datenlage.

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Dieser Beitrag erschien im Original zuerst auf FOCUS online-Experte

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Uwe Knop (*72) ist evidenzfokussierter Ernährungswissenschaftler (Dipl.oec.troph./JLU Gießen), Publizist, Referent und Buchautor (aktuell „ENDLICH RICHTIG ESSEN“ (Aug- 2024)). Seit mehr als 14 Jahren bildet die objektiv-faktenbasierte Analyse tausender aktueller Ernährungsstudien den Kern seiner unabhängigen Aufklärungsarbeit. Knop hat den mündigen Essbürger mit eigener Meinung zum Ziel, der umfassend informiert selbst und bewusst entscheidet, worauf er bei der wichtigsten Hauptsache der Welt – genussvolles Essen zur Lebenserhaltung – vertraut.

Kontakt: presse@echte-esser.de