„Nur null Promille sind gute Promille“ – Ein Trend ohne wissenschaftliche Basis

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Die Debatte um Alkohol und Gesundheit erhitzt die Gemüter. Ernährungswissenschaftler Uwe Knop wirft einen kritischen Blick auf aktuelle Studien und Empfehlungen.

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Sommerdrinks_Mit KI erstellt ∙ 26. Juni 2024 um 808 AM

Was ist vom aktuellen Trend „Nur null Promille sind gute Promille“ zu halten?

Derzeit gibt´s einen Trend, den Menschen einzutrichtern, „nur null Promille und absolute Abstinenz“ seien gesund – ausschließlich der völlige Alkoholverzicht führe ins „gelobte Land des langen Lebens“. Doch diese frei erfundene Empfehlung entbehrt jeglicher wissenschaftlichen Grundlage – denn es gibt keinen Beweis, dass moderater Bier-, Wein- oder Alkoholgenuss i.A. schädlich wäre. Das zeigen auch laufend neue Studien – deren Ergebnisse sogar das Gegenteil vermuten lassen: Moderater Alkoholgenuss könnte gesundheitsfördernd sein.

Was haben aktuellen Alkoholstudien gezeigt?

Eine neue Studie, publiziert im Medizin-Topjournal JAMA, hat gezeigt: Moderater Alkoholgenuss scheint sich positive auf den Cholesterinspiegel auszuwirken. Denn verglichen mit einem fortgesetzten Konsum ist der Verzicht auf Alkohol signifikant mit einem Anstieg des „bösen“ LDL- und einem Rückgang des „guten“ HDL-Cholesterin-Spiegels verbunden. Diese Publikation bestätigt damit vorherige Studien, denen zufolge regelmäßiger moderater Alkoholkonsum den Cholesterinspiegel insgesamt verbessern könnte. Gerade jüngst erschien dazu eine weitere große Studie, in der beobachtet wurde, dass Rotwein möglichweise das Herz schützen kann. Wie zu erwarten, werden die Ergebnisse der aktuellen Paper von anderen „Abstinenz-affinen“ Wissenschaftlern kritisch bewertet.

Warum werden diese Beobachtungsstudien kritisiert?

Diese Beobachtungsstudien werden grundsätzlich zu Recht kritisiert – und zwar, weil die Daten zu schwach seien. Denn das einzige, was es gibt, sind Surrogate, (also Ersatzwerte), die auf banalen statistischen Zusammenhängen basieren, also Korrelationen. Aber, was es nicht gibt, das ist Kausalevidenz – also klare Ursache-Wirkungs-Beziehungen (wir reden noch immer von moderatem Genuss, nicht vom „Suchtsaufen“.) und harte, klinisch relevante Endpunkte. Oder anders, die Kritik konkret formuliert: „Auch wenn moderater Alkoholkonsum einen Nutzen für den Cholesterinspiegel hat (Surrogat), so bedeutet das nicht zwangsläufig auch einen Schutz vor Tod durch Herz-Kreislauf-Erkrankungen (Endpunkt)!“

Und hier zeigt sich die Doppelzüngigkeit der Forscherwelt: Wenn der „Null Promille-Abstinenzler-Phalanx“ eine Studie nicht ins Bild passt, dann werden positive Alkohol-Beobachtungsstudien kritisiert – aber gleichzeitig werden passende wissenschaftliche Daten von gleicher schlechter Qualität kritiklos dazu genutzt, um vor Alkohol zu warnen! Auf solchen schwachen Studien basiert beispielsweise auch die DGE-Empfehlung „Null Promille“.

Wie ist die DGE-Empfehlung „Null Promille“ zu bewerten?

Die Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) hat Mitte August 2024 eine neues „ Positionspapier “ veröffentlicht, in dem die „Wächter gesunder Ernährung“ den Bürgern nun sogar Angst vor einem abendlichen Glas Bier oder Wein machen: „Es gibt keine potenziell gesundheitsfördernde und sichere Alkoholmenge für einen risikofreien, unbedenklichen Konsum.“ Die DGE empfiehlt daher, komplett auf alkoholische Getränke zu verzichten: „Am besten null Promille“.

Dieses Beispiel zeigt erneut, dass der moralische Zeigefinger („Trink´ keinen Alkohol!“) über der wissenschaftlichen Evidenz steht, denn: Es gibt keinen einzigen wissenschaftlichen Beweis, dass ein moderater Alkoholgenuss krank macht oder gar früher sterben lässt. Wichtig ist „moderat“ im Sinne von wenig bis gelegentlichem Trinken in genussvollen Maßen oder ab und zu mal feiern. Wir reden hier nicht von Hardcoretrinkern und Alkoholikern. Deren gesundheitliches und soziales Gefährdungspotenzial für sich selbst, die Familien und Umwelt ist über jede Diskussion erhaben, das ist klar. Mehr dazu können Sie auch hier nachlesen.

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Dieser Beitrag erschien im Original zuerst auf FOCUS online-Experte

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Uwe Knop (*72) ist evidenzfokussierter Ernährungswissenschaftler (Dipl.oec.troph./JLU Gießen), Publizist, Referent und Buchautor (aktuell „ENDLICH RICHTIG ESSEN“ (Aug, 2024)). Seit mehr als 14 Jahren bildet die objektiv-faktenbasierte Analyse tausender aktueller Ernährungsstudien den Kern seiner unabhängigen Aufklärungsarbeit. Knop hat den mündigen Essbürger mit eigener Meinung zum Ziel, der umfassend informiert selbst und bewusst entscheidet, worauf er bei der wichtigsten Hauptsache der Welt – genussvolles Essen zur Lebenserhaltung – vertraut.

Kontakt: Uwe Knop auf LI