Mythos oder Medizin? Die Wahrheit über Ernährung und Erkältungsschutz. Die kalte Jahreszeit bringt nicht nur Schnee und Eis, sondern auch die alljährliche Welle von Schnupfen und Grippe. Kann gesunde Ernährung schützen?

Kann ich mich mit gesunder Ernährung vor Erkältung und Grippe schützen?
Ein „Nein“ wäre zu hart als Antwort, daher besser: Es könnte sein, aber wir wissen es nicht genau, denn dazu gibt es keine wissenschaftlichen Belege. Niemand kann Ihnen sagen: „Essen Sie dies und jenes, um sich vor Erkältungen, Schnupfen, Corona und Grippe zu schützen!“ Das ist reines Wunschdenken. Eine gesicherte Anti-Erkältungs-Diät gibt es nicht. Wir haben in der Ernährungswissenschaft noch nicht einmal Beweise für gesunde Ernährung im Allgemeinen. Genauso wenig lassen sich Lebensmittel gesichert evidenzbasiert (also in Studien bestätigt) in „gesund und ungesund“ einteilen. Das liegt ganz einfach daran, dass es in diesem Forschungszweig so viele Limitierungen gibt, die keinerlei Kausalevidenz (Ursache-Wirkungs-Belege) ermöglichen. Warum das so ist können Sie hier nachlesen.
Gibt es besondere Lebensmittel, die als „Schnupfen-Keim-Killer“ helfen?
Auch wenn dazu keine wissenschaftlich gesicherten Empfehlungen möglich sind, so besteht doch eine gewisse „phytopharmakologische Wahrscheinlichkeit“. Denn es gibt durchaus sehr starke pflanzlicher Keimkiller auf unserem Speiseplan – aber die Belege für deren immunstärkende und antibiotische Wirkungen reichen nicht über das Niveau von Grundlagenforschung, also Reagenzglasstudien hinaus. Dazu gehören insbesondere das „Phyto-Penicillin“ Knoblauch und der Keimkiller Chili, der noch viele weitere erfreuliche Effekte ausübt. Auch die die scharfen Inhaltsstoffe von Zwiebeln, Pfeffer, Meerrettich, Senf oder Ingwer können ein wahres Füllhorn an gesundheitlichen Vorteilen bieten. Aber: Nur, weil es keine harten Beweise gibt, sollte das niemanden vom Genuss der Powerwürzer abhalten – wer Knoblauch und Chili gerne genießt, der isst nicht nur lecker al gusto, sondern es ist klar, dass man sich mit den beiden Pflanzen auch viele, pharmakologisch hoch aktive, sekundäre Pflanzenstoffe einverleibt. Vielleicht trägt diese Metaboliten-Melange zu einem gewissen Teil zu stärkerer Gesundheit bei, wer weiß es schon – plausibel ist es allemal. Lesen Sie mal die überraschenden Einblicke, was scharfes Essen wirklich bringt.
Worauf sollte ich beim Essen achten, wenn ich bereits erkältet bin?
Da man erkältet deutlich weniger Hunger hat als im gesunden Zustand ist folgendes sehr wichtig: Hören Sie noch intensiver auf den eigenen Körper als sonst. Spüren Sie genau in sich hinein, wonach Ihr Körper in diesem Moment verlangt – und essen und trinken Sie nur das und sonst nichts. Denn so stillen Sie den Mini-Hunger genau mit den Lebensmitteln, die Ihr Körper in dieser „vulnerablen Phase“ braucht. Je intensiver Sie intuitiv essen, desto besser.
Kann ich mich mit der Einnahme von Vitamin-D-Pillen vor einer Atemwegserkrankung schützen?
Sehr wahrscheinlich nicht. Dazu gibt es zahlreiche Studien namhafter Organisationen, die wahrlich keine guten Ergebnisse lieferten. Lesen Sie hier alle Infos zu Vitamin D im Winter, die Sie kennen müssen – wussten Sie z.B., dass gleich drei große medizinische Fachgesellschaften unisono von einer allgemeinen Vitamin-D-Einnahme abraten?
Hilft Ingwer-Tee, um eine Erkältung abzuwehren?
Es könnte sein, dass er dazu beiträgt – siehe Antwort oben zu den Scharfstoffen. Aber auch wenn Ingwer seit Jahren als Wunderknolle bekannt ist und gerne als Superfood tituliert wird – hier muss man die Kirche im Dorf lassen. Ingwer enthält zwar eine Vielzahl scharfer, bio- und pharmakologisch aktiver ätherischer Öle und Substanzen, einschließlich dem bekannten Gingerol, das für seine scharfe und würzige Note verantwortlich ist. Daher wird Ingwertee gerne auch Gesundheits-Booster genannt. Die Grundlagenstudienlage ist auch nicht schlecht – jedoch fehlen auch hier wissenschaftliche Belege, dass Trinken von Ingwertee vor Erkältung schützt. Hinzu kommt, Ingwer ist enorm biopotent und damit nicht ohne „Nebenwirkungen“ – das heißt, es gibt einige Risikogruppen, die aufgrund seiner Scharfkraft lieber die Finger von der Powerknolle lassen sollten.
Welche allgemeinen Tipps zur Stärkung des eigenen Körpers gegen Erkältungen sollte man beherzigen?
Der wichtigste „Doppel-Tipp“ lautet: Ausreichend, und vor allem gut schlafen sowie ungesunden Stress, den Distress, vermeiden. Je besser der Schlaf und je weniger Stress, desto höher ist die allgemeine Wahrscheinlichkeit für ein starkes Immunsystem. Darüber hinaus ist es sinnvoll, so zu essen, dass der Körper alle Nährstoffe, Vitamine und Mineralstoffe erhält, die er benötigt – und das ist relativ einfach: Achten Sie auf eine individuell ausgewogene Ernährung. Das geht am besten, wenn man intuitiv isst: Essen Sie nur dann, wenn Sie echten, körperlichen Hunger verspüren und zwar nur das, worauf Sie wirklich Lust haben, was Ihnen richtig schmeckt und vor allem: was Sie gut vertragen. Essen Sie, bis Sie zufrieden satt sind und sich dabei gut fühlen. Wenn Sie dann noch Ihre Intuition mit Ihrer Ethik zum perfekten Match namens „Ethuition“ kombinieren, dann haben Sie die größte Wahrscheinlichkeit ein ganzheitlich gesundes Essverhalten zu entwickeln, das sowohl Ihren Körper als auch Ihren Verstand vollumfänglich zufrieden und glücklich macht – und sie mit allen Nährstoffen versorgt, die Ihr Körper braucht, egal ob im Sommer oder im Winter.
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Dieser Beitrag erschien im Original zuerst auf FOCUS online-Experte
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Uwe Knop (*72) ist evidenzfokussierter Ernährungswissenschaftler (Dipl.oec.troph./JLU Gießen), Publizist, Referent und Buchautor (aktuell „ENDLICH RICHTIG ESSEN“ (Aug, 2024)). Seit mehr als 14 Jahren bildet die objektiv-faktenbasierte Analyse tausender aktueller Ernährungsstudien den Kern seiner unabhängigen Aufklärungsarbeit. Knop hat den mündigen Essbürger mit eigener Meinung zum Ziel, der umfassend informiert selbst und bewusst entscheidet, worauf er bei der wichtigsten Hauptsache der Welt – genussvolles Essen zur Lebenserhaltung – vertraut.
Kontakt: Uwe Knop auf LI
