Mythos oder Medizin? Die Wahrheit über das China-Restaurant-Syndrom

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Das China-Restaurant-Syndrom sorgt seit Jahrzehnten für Diskussionen. Ernährungswissenschaftler Uwe Knop deckt auf, was wirklich dahintersteckt.

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Was ist das China-Restaurant-Syndrom?

Das China-Restaurant-Syndrom, auch als „Glutamat-Syndrom“ bekannt, ist eine umgangssprachliche Bezeichnung für eine Reihe von Symptomen, die angeblich nach dem Verzehr von chinesischem Essen auftreten. Die Beschwerden sollen durch den Geschmacksverstärker Mononatriumglutamat (MSG) verursacht werden, der häufig in asiatischen Gerichten verwendet wird. Typische Symptome, die in den 1960er Jahren erstmals beschrieben wurden, umfassen Kopfschmerzen, Hitzewallungen, Kribbeln im Nacken, Schwitzen und allgemeines Unwohlsein. Die Bezeichnung leitet sich von einem Brief ab, den der amerikanische Arzt Dr. Robert Ho Man Kwok 1968 an das „New England Journal of Medicine“ schickte. Er berichtete darin von diesen Symptomen nach dem Essen in chinesischen Restaurants und spekulierte, dass MSG die Ursache sein könnte. Seitdem hat sich der Begriff in der westlichen Welt etabliert, obwohl es keine belastbaren wissenschaftlichen Beweise für einen direkten Zusammenhang gibt.

Gibt es wissenschaftliche Belege für dieses Glutamat-Syndrom?

Nein, es gibt keine wissenschaftlichen Belege für die Existenz eines „Glutamat-Syndroms“ oder einer Unverträglichkeit gegenüber Glutamat. Zahlreiche klinische Studien, darunter auch doppelblinde, placebokontrollierte Untersuchungen, konnten keine konsistente und reproduzierbare Verbindung zwischen dem Verzehr von Glutamat und den beschriebenen Symptomen herstellen. Bei den meisten Studien, in denen Menschen angaben, empfindlich auf Glutamat zu reagieren, konnten die Symptome bei kontrollierter Verabreichung von Glutamat- oder Placebo-Kapseln nicht reproduziert werden. Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) und andere Gesundheitsorganisationen wie die Food and Drug Administration (FDA) in den USA stufen Glutamat als sicheren Lebensmittelzusatzstoff ein. Auch das Webseite-Team Medizin Transparent der rennomierten Cochrane-Gesellscahft kommt in einer umfangreichen Analyse ebenfalls zu dem Schluss, dass es keine überzeugenden Hinweise für eine Glutamat-Unverträglichkeit gibt.

Seit wann gibt es das China-Restaurant-Syndrom und warum hält es sich als Mythos bis heute?

Das China-Restaurant-Syndrom entstand 1968, als der Brief von Dr. Robert Ho Man Kwok im „New England Journal of Medicine“ veröffentlicht wurde. Kwok beschrieb Symptome wie Taubheitsgefühle und Herzklopfen nach dem Verzehr von chinesischem Essen und vermutete, dass dies auf eine der folgenden Zutaten zurückzuführen sei: Sojasauce, Alkohol zum Kochen oder Natriumglutamat. Die Medien griffen die Glutamat-Hypothese schnell auf, und der Begriff „China-Restaurant-Syndrom“ wurde populär. Der Mythos hält sich bis heute hartnäckig, vor allem aus psychologischen Gründen. Menschen, die nach dem Essen Unwohlsein verspüren, suchen oft eine einfache Erklärung. Das Essen in einem chinesischen Restaurant ist oft reich an Fett, Salz und Kohlenhydraten, und ein schnelles Essen kann zu Blähungen, Sodbrennen oder einem Völlegefühl führen, was leicht mit den beschriebenen Symptomen verwechselt werden kann. Vorurteile und das Konzept der „Nocebo-Effekts“ spielen ebenfalls eine Rolle: Wenn Menschen glauben, dass eine Substanz ihnen schaden könnte, treten die befürchteten Symptome mit höherer Wahrscheinlichkeit auf.

Was genau ist Glutamat und wozu brauchen wir es?

Glutamat ist das Salz der Glutaminsäure, einer nicht-essenziellen Aminosäure. Das bedeutet, der menschliche Körper kann Glutaminsäure selbst herstellen und muss sie nicht zwingend über die Nahrung aufnehmen. Glutamat kommt natürlicherweise in vielen Lebensmitteln vor, darunter Tomaten, Parmesan, Pilze, Algen und Muttermilch. Es ist für den charakteristischen, herzhaften Geschmack „Umami“ verantwortlich, der als die fünfte Grundgeschmacksrichtung gilt. Im menschlichen Körper spielt Glutamat eine wichtige Rolle als Neurotransmitter im zentralen Nervensystem. Es ist an der Signalübertragung zwischen Nervenzellen beteiligt und essenziell für Gehirnfunktionen wie Lernen und Gedächtnis. Im Stoffwechsel dient es als Stickstoffquelle für die Herstellung anderer Aminosäuren und ist Teil des Energiehaushalts. Der menschliche Darm ist darauf spezialisiert, Glutamat aus der Nahrung aufzunehmen, wobei es größtenteils direkt dort verstoffwechselt wird. Der geringe Teil, der in den Blutkreislauf gelangt, wird schnell wieder abgebaut und hat keine bekannten toxischen Effekte.

Also muss keiner Angst haben, zum Chinesen essen zu gehen?

Das ist korrekt, Sie müssen keine Angst haben, beim chinesischen Restaurant essen zu gehen. Das sogenannte „China-Restaurant-Syndrom“ ist ein Mythos, der sich hartnäckig hält. Glutamat gilt als sicherer Lebensmittelzusatzstoff, und die Symptome, die manche Menschen nach dem Essen verspüren, sind höchstwahrscheinlich auf andere Faktoren wie das reichhaltige, oft salzige und fettige, panierte und frittierte Essen oder individuelle Empfindlichkeiten zurückzuführen. Sie können also unbesorgt Ihr Lieblingsgericht genießen, zumindest ohne sich Gedanken über Glutamat machen zu müssen.

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Dieser Beitrag erschien im Original zuerst auf FOCUS online-Experte

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Uwe Knop (*72) ist evidenzfokussierter Ernährungswissenschaftler (Dipl.oec.troph./JLU Gießen), Publizist, Referent und Buchautor (aktuell „ENDLICH RICHTIG ESSEN (Aug, 2024)). Seit mehr als 14 Jahren bildet die objektiv-faktenbasierte Analyse tausender aktueller Ernährungsstudien den Kern seiner unabhängigen Aufklärungsarbeit. Knop hat den mündigen Essbürger mit eigener Meinung zum Ziel, der umfassend informiert selbst und bewusst entscheidet, worauf er bei der wichtigsten Hauptsache der Welt – genussvolles Essen zur Lebenserhaltung – vertraut.

Kontakt: Uwe Knop auf LI