Wissenschaftler auf der Spur eines unerwarteten Aphrodisiakums:: Die Suche nach dem Geheimnis eines erfüllten Liebeslebens führt zu überraschenden wissenschaftlichen Erkenntnissen.
Ernährungswissenschaftler Uwe Knop diskutiert die faszinierenden Ergebnisse einer neuen Studie zum Thema Intervallfasten und Sexualtrieb.
Was hat die neue Studie zu Intervallfasten und Sexualtrieb gezeigt?
Langfristiges Intervallfasten im 24-Stunden-Rhythmus (1 Tag „essen nach Belieben“, 1 Tag nur Wasser) steigert den Sexualtrieb männlicher Mäuse, indem es die Konzentration des Botenstoffes Serotonin im Gehirn senkt. Ursache ist ein diätbedingter Mangel an der Vorläufersubstanz Tryptophan – einer Aminosäure, die über die Nahrung aufgenommen werden muss. Darüber berichtet ein internationales Wissenschaftlerteam unter Beteiligung des Deutschen Zentrums für Neurodegenerative Erkrankungen e.V. in ihrer neuen Studie. Die nun veröffentlichen Forschungsergebnisse beruhen auf einer Zufallsentdeckung – denn ursprünglich hatten die Forscher ein anderes Ziel. Sie wollten herausfinden, wie sich Fasten bei männlichen Mäusen auf deren Nachwuchs auswirkt. Doch ein überraschender Befund lenkte ihre Untersuchungen in eine neue Richtung: Alte Mäusemännchen – nach menschlichem Maßstab waren es Senioren –, die über längere Zeit gefastet hatten, zeugten ungewöhnlich viele Nachkommen. Die fastenden Männchen hatten deutlich mehr Sexualkontakte als jene Mäuse, die unbegrenzt fressen konnten. Gemessen an ihrem Alter zeigten diese Tiere ein ungewöhnlich hohes Paarungsverhalten – und entsprechend viele Nachkommen. Ihr Verhalten hat altersbedingte physiologische Einschränkungen mehr als ausgeglichen.
Sind diese Ergebnisse auch auf Männer übertragbar, die Intervallfasten?
Die Wissenschaftler gehen davon aus, dass beim Menschen ähnliche Wirkprinzipien bestehen könnten. Daher sehen si im Fasten einen möglichen Ansatz zur Behandlung unerwünschter sexueller Lustlosigkeit. Denn auch beim Menschen spielen Botenstoffe eine wichtige Rolle bei der Regulation des Sexualverhaltens. Das gilt unter anderem für das Serotonin. Das zeigt sich zum Beispiel an sogenannten SSRI – einer Klasse von Medikamenten gegen Depressionen, die den Serotoninspiegel erhöhen. Eine mögliche Nebenwirkung dieser Therapie ist ein Verlust an Libido. Umgekehrt ist bekannt, dass ein niedriger Serotoninspiegel das sexuelle Verlangen fördern kann. „Daher halte ich es für sehr plausibel, dass sich die sexuelle Lust beim Menschen über Fasten beeinflussen lässt – möglicherweise nicht nur bei Männern, sondern auch bei Frauen. Denn auch bei ihnen wirkt Serotonin auf die Libido“, so PD Dr. Dan Ehninger, Forschungsgruppenleiter am DZNE und Leiter der aktuellen Sexmäuse-Studie. Das große Aber: Zu den Auswirkungen des Fastens auf die menschliche Libido gibt es bis dato nur wenige wissenschaftliche Studien, die keine abschließende Bewertung zulassen.
Welche Rolle spielen Ernährung und Lebensstil generell bei der Steigerung von Libido und sexueller Leistungsfähigkeit?
Grundsätzlich sind sie sehr wichtig – denn ausreichend gute Ernährung und ein entspannt-gesunder Lebensstil bilden das Fundament für die Entwicklung sexueller Lust. Denn wer nicht genug zu essen hat, chronisch unterversorgt und latent hungrig ist oder permanent Stress und (existenzielle) Angst verspürt, hat andere Sorgen und Bedürfnisse als „guter Sex“. Demnach bieten Länder wie Deutschland sehr gute Voraussetzungen zur Entwicklung einer gesunden Libido, denn wir leben de facto in „Schlaraffia Germania“ mit allem an Nahrung, was man sich wünschen kann, wir müssen keine Angst haben und können – wenn wir es richtig machen – ein wunderbar entspanntes Leben führen.
Können bestimmte Lebensmittel wirklich als Aphrodisiaka wirken? Wenn ja, welche sind das?
Die gibt es nur im Bereich der Mythen und Märchen. Weder „geschlechtsteil-affine“ Gemüse wie der maskuline Spargel – der im Übrigen nur fest und damit roh als „Phallusmetapher“ herhält, denn gekocht ist er schlaff und hängend – noch die feminine feucht-weiche Auster haben irgendeinen nachgewiesenen Effekt auf die sexuelle Lust. Auch scharfe Chilis machen nicht „scharf“. Grundsätzlich gilt: Es gibt keinen einzigen wissenschaftlichen Beleg für „lukullische Aphrodisiaka“ zum Essen oder Trinken.
Gibt es denn spezielle Ernährungsformen, die dazu beitragen können, die Libido zu steigern?
Ja, das 24-Stunden-Intervallfasten! Nein, Spaß beiseite. Auch wenn hier gerne von vielen selbsternannten „Coaches & Co.“ egoman-verkaufsfördernd kolportiert wird, dass die Problemlösung in einer Umstellung der Lebens- und Ernährungsgewohnheiten liegt, muss man klar konstatieren: Es gibt weder spezielle Diäten wie Low Carb oder Keto noch geheimnisvolle Ernährungspläne, die die Libido steigern. Oft wird auch reflexartig zum Abnehmen geraten, weil unnötige Kilos und zu viel inneres Fett das Sexualleben massiv stören würden. Aber das alles sind nur ganz vage Versprechungen ohne wissenschaftliche Evidenz (also ohne belegten Nutzennachweis). Denn es kommt beim „Comeback of Liebeslust“ auf ganz andere Faktoren an.
Ok, dann mal Hosen runter: Was hilft wirklich bei sexueller Dysfunktion und mangelnder Lust?
Wenn die Lebensgrundlagen stimmen, also Sie körperlich und geistig gesund sind und kein Leben in chronischem Stress und Dauerangst führen, dann ist die Kernantwort ganz einfach: Sie brauchen den richtigen Partner! Der eigene Mann, die passende Frau an der Seite – darauf kommt es elementar an, nicht auf „gesunde“ Ernährung oder das abschmelzende Muffin-Top. Sie müssen spüren, dass der eigene Partner Sie sexuell ehrlich erregt, Sie müssen echte intuitive Lust auf ihn entwickeln – und umgekehrt natürlich genauso. Man muss sich gegenseitig begehren, die sexuelle Urkraft muss pulsieren. Das ist das A und O. Wenn dieser evolutionäre Anziehungstrieb dominant gefühlt wird und bedingungslos ausgelebt werden will, dann können Sie auch vorher gemeinsam Burger mit Pommes essen, um anschließend mit ihrem leichten Übergewicht leidenschaftlich über sich herzufallen. Ergo: Bei nachlassender Sexlust das eigene Leben grundehrlich selbstreflektieren – und das nicht nur alleine, sondern idealerweise im konstruktiv-offenen Dialog mit dem Partner.
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Dieser Beitrag erschien im Original zuerst auf FOCUS online-Experte
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Uwe Knop (*72) ist evidenzfokussierter Ernährungswissenschaftler (Dipl.oec.troph./JLU Gießen), Publizist, Referent und Buchautor (aktuell „ENDLICH RICHTIG ESSEN“ (Aug, 2024)). Seit mehr als 14 Jahren bildet die objektiv-faktenbasierte Analyse tausender aktueller Ernährungsstudien den Kern seiner unabhängigen Aufklärungsarbeit. Knop hat den mündigen Essbürger mit eigener Meinung zum Ziel, der umfassend informiert selbst und bewusst entscheidet, worauf er bei der wichtigsten Hauptsache der Welt – genussvolles Essen zur Lebenserhaltung – vertraut.
Kontakt: Uwe Knop auf LI