Knuspriges Fischfilet versus fiepsende Ohren? „Fisch essen kann Tinnitus verhindern“ – was steckt dahinter?

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Tinnitus adé durch Fisch? Was eine neue Studie jetzt enthüllt. Die Debatte um die Auswirkungen unserer Ernährung auf die Gesundheit gleicht einer „Never-Ending-Story“ nach Schema X.

KI erstellt
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Ernährungswissenschaftler Uwe Knop beleuchtet eine neue Studie, die einen Zusammenhang zwischen Fischkonsum und einem reduzierten Risiko für Tinnitus aufzeigt.

Eine neue Studie erregt gerade mediale Aufmerksamkeit: „Fisch essen kann Tinnitus verhindern“ – was steckt dahinter?

Eine aktuelle Beobachtungsstudie, die in der angesehenen Fachzeitschrift „The American Journal of Clinical Nutrition“ erschienen ist. hat gezeigt: Menschen, die regelmäßig Fisch essen, leiden weniger oft an der Hörstörung Tinnitus – das ist ein sehr belastende Erkrankung, bei der Betroffene fiktive Geräusche teils sehr intensiv wahrnehmen, da keine äußeren Schallquellen vorhanden sind. Diese Geräusche können sehr unterschiedlich sein und werden oft als Pfeifen, Rauschen, Brummen, Summen oder Klingeln beschrieben. Weder sind die genauen Ursachen bekannt noch gibt es eine Standardtherapie – auch weiß niemand, welchen Einfluss die Ernährung auf diese „Phantomgeräusche“ im Ohr hat. Die neue Studie hat nun errechnet, dass ein höherer Verzehr von Thunfisch, hellem Fisch und Schalentieren mit einem geringeren Tinnitus-Risiko verbunden war. Dieser beobachtete Zusammenhang sagt aber letztlich: Nichts. Die Studie samt medialer Berichterstattung ist daher ein weiteres Paradebeispiel für die „Glaskugel Ernährungswissenschaft“ und ihre Kommunikationsmechanismen.

Warum ist diese Studie eine Paradebeispiel für die „Glaskugel Ernährungswissenschaft“?

Hier greift das gewohnte Schema massiver Überinterpretation von Ergebnissen schwacher Beobachtungsstudien. Konkret: Aus Korrelationen werden Kausalitäten suggeriert – also banale statistische Zusammenhänge werden zu Ursache-Wirkungs-Beziehung aufgewertet und hochstilisiert. Doch das ist wissenschaftlich nicht möglich. Auch wenn beispielsweise in winterlichen Infektionszeiten gerne immer wieder von „Stärkung des Immunsystems durch XYZ essen“ schwadroniert wird, es ändert nichts an der „ewigen Tatsache“: Ernährungsforschung kann keinerlei Kausalevidenz (also Ursache-Wirkungs-Beziehungen) liefern, weil wesentliche Voraussetzungen im Studiendesign dafür nicht erfüllt werden.

Die relevanten Limitierungen, die ökotrophologische Studien auf Kristallkugelniveau „downgraden“ basieren auf Beobachtungsstudien, denn sie sind das Fundament der Ernährungsforschung. Diese Studien, auf denen das gängige Ernährungs(halb)wissen basiert, können keine Beweise (Kausalitäten) liefern, sondern nur vage Vermutungen und Hypothesen abgeleitet von schwachen Korrelationen. Das wiederum sind statistische Zusammenhänge, über deren tatsächliche Verbindung man nichts weiß. Ein Beispiel: Rotweintrinker leben länger. Liegt es am Rotwein oder am „Rest“ des Lebensstils, weil diese Menschen mehr Geld haben, eine bessere  Gesundheit , höhere Jobs, mehr Geld, mehr Sex, mehr Zufriedenheit? Eine Korrelation liefert keine Kausalität! So ist und so bleibt es.

Also weiß niemand wirklich wissenschaftlich gesichert, was konkret „gesunde“ Ernährung ist?

Richtig. Das weiß niemand. Die vorgenannten Faktoren Korrelation und Kausalität sind nur nur zwei Beispiele zahlreicher Limitierungen, aufgrund derer die Ernährungsforschung zu einem „bemitleidenswerten“ Forschungszweig wird. So ist insbesondere noch das „wachsweiches“ Datenfundament zu nennenDie Mengen an verzehrten Lebensmitteln, also die Studiengrundlage, basieren stets auf unüberprüfbaren  Eigenangaben der Probanden. Und hier weiß man zwar nicht, was stimmt, aber man weiß: Es wird gern geschummelt, die Antworten sind (fast) nie 100 Prozent ehrlich, ein Stichwort ist „Underreporting“ – aus Gewissensgründen wird gern mehr vermeintlich „gesunde Kost“ angegeben, dafür die „bösen“  Lebensmittel  nach unten „korrigiert“. Ergo: Man kann allein die Datengrundlage schon nicht ernst nehmen, denn sie ist alles andere als valide. Und oftmals wird diese nur ein einziges Mal zu Beginn einer Studie abgefragt, die zehn Jahre oder länger läuft. Viele weitere Einschränkungen der Ernährungsforschung können Sie hier nachlesen. 

Wie soll man denn am besten essen, wenn die Wissenschaft hier nicht weiterhelfen kann?

Das ist ganz einfach: indem man auf die natürlichste Form der Ernährung des Menschen vertraut – und die nennt sich: Intuitiv essen, also essen mit vollem Vertrauen in seinen eigenen Körper und seine Gefühle. Um intuitiv zu essen, gibt es eine wichtige Grundvoraussetzung: Sowohl Körper als auch Geist, Seele, Psyche müssen gesund sein. Ist das gegeben, dann orientieren Sie sich an folgenden, ganz einfachen evolutionsbiologischen Erfolgsprinzipien: Essen Sie nur dann, wenn Sie echten, körperlichen Hunger verspüren und zwar nur das, worauf Sie wirklich Lust haben, was Ihnen richtig schmeckt und vor allem: was Sie gut vertragen. Essen Sie, bis Sie zufrieden satt sind und sich dabei gut fühlen. Dazu muss man einfach die gesamte Ernährungs-Verrücktmacher-Fraktion ignorieren und beim richtigen Essen nur auf sich selbst, auf seine  Ethik und seine Intuition vertrauen – mehr braucht es nicht, um Gesundheit, Genuss und gutes Gewissen unter einen zu Hut bringen.

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Dieser Beitrag erschien im Original zuerst auf FOCUS online-Experte

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Uwe Knop (*72) ist evidenzfokussierter Ernährungswissenschaftler (Dipl.oec.troph./JLU Gießen), Publizist, Referent und Buchautor (aktuell „ENDLICH RICHTIG ESSEN“ (Aug- 2024)). Seit mehr als 14 Jahren bildet die objektiv-faktenbasierte Analyse tausender aktueller Ernährungsstudien den Kern seiner unabhängigen Aufklärungsarbeit. Knop hat den mündigen Essbürger mit eigener Meinung zum Ziel, der umfassend informiert selbst und bewusst entscheidet, worauf er bei der wichtigsten Hauptsache der Welt – genussvolles Essen zur Lebenserhaltung – vertraut.

Kontakt: presse@echte-esser.de