Alkohol-Mythos aufgedeckt: Was die Wissenschaft jetzt sagt. Die endlose Debatte um Alkohol und Gesundheit erhitzt die Gemüter. Öl ins Feuer gießen aktuelle Forschungsergebnisse amerikanischer Herzspezialisten.

Was stellt die amerkanische Herzgesellschaft in ihrer aktuellen Studie fest?
In der aktuellen wissenschaftliche Stellungnahme der „American Heart Association“ zum Zusammenhang von Alkoholkonsum und Herz-Kreislauf-Erkrankungen stellen die US-Herzspezialisten erneut klar: Die verfügbaren Erkenntnisse deuten darauf hin, dass der Konsum geringer Mengen Alkohol (1 bis 2 Getränke pro Tag) kein oder sogar ein reduziertes Risiko für koronare Herzkrankheit, Schlaganfall, plötzlichen Herztod und möglicherweise Herzinsuffizienz birgt. Im Gegensatz dazu ist starker Alkoholkonsum, wie beispielsweise Rauschtrinken oder der Konsum von durchschnittlich ≥ 3 Getränken pro Tag, durchgängig mit schlechteren Behandlungsergebnissen bei allen untersuchten Herz-Kreislauf-Erkrankungen verbunden. Angesichts der aktuellen Studienlage ist weiterhin unklar, ob Alkoholkonsum Teil eines gesunden Lebensstils ist. Daher sollten Ärzte gesunde Lebensgewohnheiten wie regelmäßige körperliche Aktivität, Verzicht auf Tabak und die Aufrechterhaltung eines gesunden Körpergewichts fördern.
Sind diese Zusammenhänge neu?
Nein. Erst kürzlich hat eine neue Studie, veröffentlicht im European Heart Journal , die bisherigen Forschungsergebnisse eindrucksvoll bestätigt; Die spanischen Wissenschaftler konnten zeugen, dass niedriger bis moderater Rotweinkonsum mit einem niedrigeren Risiko für Herzkrankheiten zusammenhängt.
Konkret: Der Genuss von etwa 3 bis 12 bzw. 12 bis 35 Gläsern Wein pro Monat war mit einem deutlich geringeren Risiko (um 38 Prozent bis 50 Prozent reduziert) für kardiovaskuläre Erkrankungen verbunden – im Vergleich zu Personen, die nur sehr wenig oder gar keinen Wein tranken. Aufgrund des besonderss Designs von Korrelationen plus „Biomarkern“ ordnen Wissenschaftler diese Arbeit wie folgt ein: „So liefert die Arbeit überzeugende Evidenz für die Korrelation von moderatem Rotweinkonsum mit niedrigeren kardiovaskulären Erkrankungsrisiko.“ Aber: Eine Korrelation ist keine Kausalität, also kein Beweis – udn davon gibt es auch keine.
Warum gibt es keine Beweise, dass moderater Alkoholkonsum weder gesund noch schädlich ist?
Das ist einfach erklärt: Die Ernährungswissenschaften sind in einer sehr bemitleidenswerten Lage, weil sie keine Beweise ( Kausalevidenz ) sondern nur banale statistische Zusammenhänge ( Korrelationen ) liefern kann – und diese Beobachtungen lassen ausschließlich Vermutungen, Hypothesen und Spekulationen zu. Die unglaublich zahlreichen Limitierungen (die Sie hier finden) führen dazu, dass dieser Forschungszweig dem Lesen einer Glaskugel gleicht. Auch die amerkanischen Herzspezialistzen betomen in Ihrer neuen Publikation: „Die meisten Studien zu diesem Thema sind beobachtend und daher anfällig für Verzerrungen und Störfaktoren. Weitere randomisierte Studien zu niedrigem bis moderatem Alkoholkonsum sind erforderlich, um eindeutigere Schlussfolgerungen zu ziehen.“ Aber diese gibt es nicht.
Warum warnt dann die DGE vor jedem Tropfen Alkohol und empfiehlt null Promille?
Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) hat Mitte August 2024 eine neues „ Positionspapier “ veröffentlicht, in dem die „Wächter gesunder Ernährung“ den Bürgern nun sogar Angst vor einem abendlichen Glas Bier oder Wein machen: „Es gibt keine potenziell gesundheitsfördernde und sichere Alkoholmenge für einen risikofreien, unbedenklichen Konsum.“ Die DGE empfiehlt daher, komplett auf alkoholische Getränke zu verzichten: „Am besten null Promille“.
Dieses Beispiel zeigt erneut, dass der moralische Zeigefinger („Trink´ keinen Alkohol!“) über der wissenschaftlichen Evidenz steht, denn: Es gibt keinen einzigen wissenschaftlichen Beweis, dass ein moderater Alkoholgenuss krank macht oder gar früher sterben lässt. Wichtig ist „moderat“ im Sinne von wenig bis gelegentlichem Trinken in genussvollen Maßen oder ab und zu mal feiern. Wir reden hier nicht von Hardcoretrinkern und Alkoholikern. Deren gesundheitliches und soziales Gefährdungspotenzial ist über jede Diskussion erhaben.
Aber Alkohol macht sicher süchtig, wenigstens das ist wissenschaftlich nachgewiesen, oder?
Ich denke nicht. Meines Erachtens ist es eine „humanbiologische Weisheit“, dass nicht die psychotropen Substanzen per se abhängig machen, sondern: Suchtaffine Menschen, sogenannte Suchtcharaktere werden abhängig. Hierbei ist das komplexe Zusammenspiel der individuellen Biologie/Genetik mit den persönlichen Lebensstilfaktoren entscheidend.Wenn Alkohol per se süchtig machen würde, dann wäre halb Deutschland massiv alkoholkrank – und sicher viele andere Länder dito. Dem ist aber nicht so, denn, ich vermute: Die meisten Menschen trinken gelegentlich Alkohol, wenn und weil sie Lust drauf haben ohne dass es Ihrem Leben (und ihrer Leber) schadet – aber die meiste Zeit trinken sie: Nichts. Seien Sie ehrlich zu sich selbst, wenn Sie Alkohol trinken. Fragen Sie sich nach den Gründen: Einfach, weil es Spaß macht und guttut? Und fühlen Sie sich am nächsten Tag gut? Oder: Wollen Sie sich betäuben? Spüren Sie Entzugserscheinungen?
____
Dieser Beitrag erschien im Original zuerst auf FOCUS online-Experte.
Uwe Knop (*72) ist evidenzfokussierter Ernährungswissenschaftler (Dipl.oec.troph./JLU Gießen), Publizist, Referent und Buchautor (aktuell „ENDLICH RICHTIG ESSEN“ und „ERFOLGREICH ABNEHMEN“ (2. Auflage 2025)). Seit mehr als 15 Jahren bildet die objektiv-faktenbasierte Analyse tausender aktueller Ernährungsstudien den Kern seiner unabhängigen Aufklärungsarbeit. Knop hat den mündigen Essbürger mit eigener Meinung zum Ziel, der umfassend informiert selbst und bewusst entscheidet, worauf er bei der wichtigsten Hauptsache der Welt – genussvolles Essen zur Lebenserhaltung – vertraut.
Kontakt: Uwe Knop auf LI
