Seit Sommer 2023 liegt der Vorschlag der EU-Kommission für eine Reform der Gentechnik-Gesetze auf dem Tisch. Kernpunkt sind Erleichterungen für Pflanzen, die mit neuen Verfahren wie der Gen-Schere CRISPR/Cas gezüchtet wurden.
Für neue Pflanzen, in die kein artfremdes Genmaterial eingeführt wurde, soll es zwar eine Anmeldepflicht geben, sonst aber praktisch keine Sonderregeln mehr. Die Wissenschaft begrüßte den Vorschlag nahezu einhellig, die Politik tut sich dagegen schwer. Das EU-Parlament hat im Kern bereits zugestimmt, doch die Mitgliedstaaten streiten noch immer. Eine Sperrminorität, darunter auch Deutschland, hat bisher jeden Kompromiss blockiert. Auch nach den Wahlen zum Europaparlament wird sich daran wohl so schnell nichts ändern.
Bald sechs Jahre ist es her, dass der Europäische Gerichtshofs (EuGH) entschied, auch für genom-editierte Pflanzen müssten die Auflagen der Gentechnik-Gesetze ohne Abstriche gelten – selbst dann, wenn diese genau so auch zufällig „in der Natur“ oder durch traditionelle Züchtung hätten entstehen können. Spätestens da war eine Reform der veralteten Gentechnik-Gesetze überfällig geworden. Nach vielen, oft kontroversen Diskussionen und einem langwierigen Beratungsprozess hat die EU-Kommission einen Vorschlag für eine neue Verordnung erarbeitet und im Juli 2023 offiziell beschlossen.
Danach sollen die Auflagen für einfache editierte Pflanzen deutlich gelockert werden. Für diese soll es künftig nicht mehr so aufwändige, oft endlos lange Zulassungsverfahren geben wie bei der Gentechnik. Freilandversuche – die für erste realistische Tests nach der Entwicklung im Labor und Gewächshaus so wichtig sind – müssen nur noch angemeldet, nicht mehr genehmigt werden. Und: Anders als bei herkömmlichen gentechnisch veränderten Pflanzen können einzelne EU-Mitgliedstaaten weder den Anbau dieser editierten Pflanzen bei sich verbieten noch Freilandversuche untersagen.
Weniger Auflagen für einfache NGT-Pflanzen: Der Vorschlag der Kommission
Die nach dem Vorschlag der Kommission weitestgehenden Vereinfachungen sollen für NGT-Pflanzen (Neue genomische Techniken) der Kategorie 1 gelten. Das sind Pflanzen, die mit Hilfe von gezielter Mutagenese – etwa CRISPR/Cas oder TALEN – erzeugt wurden und die ausschließlich Genmaterial enthalten, das sich im züchterisch genutzten Genpool der jeweiligen Art befindet. Auch cisgene Pflanzen gehören damit künftig in diese Kategorie, etwa die in Wageningen (NL) entwickelten Kartoffeln, in die mehrere Resistenz-Gene aus Wildkartoffeln eingeführt wurden, die gegen die Kraut- und Knollenfäule wirksam sind und so dazu beitragen, dass 80 Prozent weniger Pflanzenschutzmittel gespritzt werden müssen.
Welche Kriterien mit neuen Verfahren gezüchtete Pflanzen erfüllen müssen, um als NGT1 zu gelten, hat die Kommission in einem Annex zu den bestehenden Gentechnik-Gesetzen festgelegt (siehe Infobox unten). So dürfen gegenüber der Ausgangspflanze höchstens 20 Basenpaare modifiziert worden sein. Alle NGT1-Pflanzen könnten auch herkömmlich gezüchtet werden oder durch zufällige Mutation unter natürlichen Bedingungen entstanden sein.
Anders als bisher sollen NGT1-Pflanzen von den meisten für GVO geltenden Auflagen befreit bleiben, so sieht es der Vorschlag der EU-Kommission vor.
Freilandversuche mit NGT1-Pflanzen sind künftig nur noch bei der zuständigen nationalen Behörde anzumelden. Diese prüft, ob die NGT1-Kriterien bei der jeweiligen Pflanze tatsächlich zutreffen. Dann kann der Versuch ohne weitere Auflagen durchgeführt werden. Eine Veröffentlichung des jeweiligen Versuchs und seines Standorts ist nicht vorgeschrieben, die Kommission wird lediglich zusammenfassende Berichte herausgeben.
Sollen NGT1-Pflanzen auf den Markt gebracht werden – als Saatgut für den Anbau oder als Lebens- und Futtermittel –, muss zunächst bei der jeweils zuständigen nationalen Behörde ein „Überprüfungsersuchen“ eingereicht werden. Darin hat der Antragsteller durch Pflanzenmaterial oder Sequenzanalysen nachzuweisen, dass die Pflanze tatsächlich den NGT1-Kriterien entspricht. Ist das der Fall, führt die EU-Kommission auf der Basis der wissenschaftlichen Erstprüfung einen Beschluss über die EU-weite Zulassung als NGT1-Pflanze herbei – wie bisher unter Einbeziehung aller Mitgliedstaaten.
In einer öffentlich zugänglichen Datenbank werden alle Überprüfungsuntersuchungen mit den für die Bewertung wesentlichen Informationen und allen Beschlüssen zum NGT1-Status dokumentiert. Zudem werden alle anerkannten NGT1-Pflanzen in ein öffentliches Register eingetragen. Einzelne Mitgliedstaaten dürfen den Anbau und den Warenverkehr nicht einschränken oder gar verbieten.
Eine Kennzeichnungspflicht für Lebens- und Futtermittel aus NGT1-Pflanzen ist im Vorschlag der EU-Kommission nicht vorgesehen. Jedoch muss Saatgut oder vermehrungsfähiges Material eindeutig als Kat.1 NGT deklariert werden. Anhand dieser Informationen können Landwirte entscheiden, ob sie solche Pflanzen anbauen wollen oder nicht. Im Biolandbau sollen NGT1-Pflanzen weiterhin nicht erlaubt sein. Die Verbände der Öko-Branche beharren auf einem strikten Verbot.
Für alle anderen mit neuen genomischen Techniken gezüchtete Pflanzen, die nicht den NGT1-Kriterien entsprechen, gelten in der Regel ähnliche Vorschriften wie für klassische gentechnisch veränderte Pflanzen – allerdings mit einigen Erleichterungen. Für solche als NGT2 bezeichneten Pflanzen kann das Zulassungsverfahren mit der Sicherheitsbewertung vereinfacht werden, wenn es keine „plausiblen Hinweise“ auf mögliche Risiken gibt und wenn die neuen Merkmale den Nachhaltigkeitszielen des European Green Deal entsprechen, etwa eine bessere Trockentoleranz, Resistenzen gegen Pflanzenkrankheiten und Schädlinge oder auch höhere Erträge. Für herbizidtolerante Pflanzen soll es keine vereinfachte Zulassung geben.
NGT2-Pflanzen und die daraus erzeugten Produkte unterliegen weiterhin der Kennzeichnungspflicht. Neu ist, dass dabei das geänderte oder neu hinzugefügte Merkmal genannt werden muss.
Quelle: transgen.de