Sozialer Sprengstoff: Fettleibigkeit trifft vor allem Kinder aus ärmeren Familien

Veröffentlichung honorarfrei bei Link zu: food-monitor.de

Die Kluft zwischen Arm und Reich zeigt sichauch in der Gesundheit unserer Kinder. Ernährungswissenschaftler Uwe Knop beleuchtet die neuen Erkenntnisse zur Fettleibigkeit bei Kindern.

KI

Was hat die neue DAK-Anaylse zu Fettleibigkeit bei Kindern bestätigt?

Kinder aus ärmeren Familien erhalten deutlich öfter die Diagnose Adipositas als Mädchen und Jungen aus wirtschaftlich und sozial besser gestellten Schichten. Der aktuelle Kinder- und Jugendreport der gesetzlichen Krankenkasse DAK zeigt konkret, dass Kinder aus sozial schwachen Familien rund 36 Prozent häufiger in einer Adipositas-Behandlung sind als Kinder aus hohen Schichten. So waren 2023 5,5 Prozent der Kinder aus ärmeren Familien mit der Diagnose Adipositas in Arztpraxen und Krankenhäusern. Bei Kindern aus höheren sozialen Schichten waren es vier Prozent. Der Trend ist bei Mädchen markanter: 3,8 Prozent der sozial besser gestellten Mädchen leiden an Adipositas, bei ärmeren Mädchen sind es 5,7 Prozent. Das entspricht einem Plus von rund 39 Prozent. „Dieser starke Zusammenhang zwischen Adipositas und sozialer Ungleichheit ist besonders alarmierend“, sagt Dr. Michael Hubmann, Präsident des Berufsverbands der Kinder- und Jugendärzt*innen e. V. (BVKJ).

Insgesamt sehen die aktuellen DAK-Versicherten-Zahlen moderat aus: 4.6 % aller Fünf- bis 17-Jährigen waren 2023 aufgrund von Adipositas in ärztlicher Behandlung – d.h. mehr als 95 % des Nachwuchses ist nicht adipös.

Welche Ursachen liegen diesem „fettleibigen Ungleichgewicht“ zugrunde?

Das weiß niemand., darüber lässt sich nur spekulaieren. Was man aber kennt, das sind die Korrelationen, also die Zusammenhänge. Kinder sind häufiger übergewichtig, wenn sie in einer Familie mit geringem Haushaltseinkommen oder Migrationshintergrund aufwachsen oder ein Elternteil selbst Übergewicht hat. Wesentlich relevanter scheint jedoch der Bildungsstatus der Eltern zu sein, denn: Gesundheitsbezogene Risiken treten besonders in Familien mit niedrigem Bildungsniveau auf, und das schon bei Kindern im Alter von drei bis fünf Jahren. Das hat jüüngst eine Studie der Uni Ulm bestätigt. Und eine Eine aktuelle Publikation in einer der globalen Top-Medizinfachzeitschriften British Medical Journal (BMJ) hat die DAK-Daten unermauert: Fettleibigkeit bei Kindern ist in den ärmsten Gegenden Englands doppelt so hoch wie in den wohlhabenden Gegenden.

Das alles ist nicht neu, sondern längst bekannt – doch die Politik duckt sich weg!

Was sollte die Politik machen?

Ganz einfach: Voller Fokus aller politischen Maßnahmen aus den verantwortlichen Bundesministerien für Ernährung (BMEL), Gesundheit (BMG) und Familien (BMFSFJ) auf die besonderes betroffenen Zielgruppen: Kinder aus ärmeren Familien mit niedirgem siozialem Status.- und das ganz gezielt, denn gerade sie brauchen staatliche Unterstützung besonders dringend. Aber: Die Realität sieht anders aus – leider. Es überrascht sehr, was man hier auf Nachfrage bei den Ministern der letzten Bundesregierung erfahren musste: Keines der drei verantwortlichen Ministerien hatte konkrete Maßnahmen im Portfolio, die sich gezielt an besonders betroffene Zielgruppen richten, die ein sehr hohes Risiko für juvenile Adipositas haben: Kinder mit Migrationshintergrund aus einkommensschwachen Familien, deren Eltern selbst dick und schlecht gebildet sind.

Daher lässt sich nur hoffen, dass die drei neuen Minister es besser machen!

Wie sieht gesunde Kinderernährung im Allgemeinen aus?

Gesunde Ernährung für Kinder muss nicht kompliziert sein: Mit den 3 V – Vorleben, Vielfalt und Verfügbarkeit – lässt sich das Essverhalten leicht verbessern. Die 3V-Regel sollte vor allem von Eltern beherzigt werden. Es ist wichtig, dass Eltern ihren Kindern vorleben, dass Essen etwas Positives und Schönes ist. Zusätzlich sollten sie eine Vielfalt an Nahrungsmitteln anbieten, sodass im Haushalt immer abwechslungsreiche und frische Speisen verfügbar sind. Des Weiteren zählt, dass Eltern ihre Kinder dazu ermutigen, Neues auszuprobieren und sich von Schuldgefühlen befreien. Sie sollten ihren Kindern das geben, worauf sie Lust haben, was ihnen gut schmeckt und was sie gut vertragen. Es ist wichtig, entspannt mit dem Thema Essen umzugehen. Wenn Eltern die folgenden fünf Eckpfeiler einer richtigen Ernährung für Kinder befolgen, wird das Essverhalten ihrer Kinder auf einem stabilen Fundament aufbauen und ein natürlich-gesundes Essverhalten entwickeln. Auch viele Erwachsene müssen lernen, was ausgewogene & gesunde Ernährung bedeutet. Weitere praktische Tipps finden Sie hier.

 

____

Dieser Beitrag erschien im Original zuerst auf FOCUS online-Experte

____

Uwe Knop (*72) ist evidenzfokussierter Ernährungswissenschaftler (Dipl.oec.troph./JLU Gießen), Publizist, Referent und Buchautor (aktuell „ENDLICH RICHTIG ESSEN (Aug, 2024)). Seit mehr als 14 Jahren bildet die objektiv-faktenbasierte Analyse tausender aktueller Ernährungsstudien den Kern seiner unabhängigen Aufklärungsarbeit. Knop hat den mündigen Essbürger mit eigener Meinung zum Ziel, der umfassend informiert selbst und bewusst entscheidet, worauf er bei der wichtigsten Hauptsache der Welt – genussvolles Essen zur Lebenserhaltung – vertraut.

Kontakt: Uwe Knop auf LI