Eine neue Studie zeigt alarmierende Trends bei jungen Erwachsenen und ihrem Körperbild.
Ernährungswissenschaftler Uwe Knop nimmt die Ergebnisse unter die Lupe.
Was hat die aktuelle Krankenkasse-Umfrage unter jungen Erwachsenen ergeben?
Eine besorgniserregende Entwicklung zeichnet sich bei der jungen Generation ab: 57 Prozent der jungen Erwachsenen in Deutschland empfinden sich als übergewichtig und wollen abnehmen. Besonders auffällig: 40 Prozent der Normalgewichtigen wünschen sich einen schlankeren Körper. Zu diesen Ergebnissen kommt eine Studie der vivida bkk. Für die repräsentative Studie wurden 1.150 Bundesbürger im Alter von 14 bis 34 Jahren befragt. Gerade bei jungen Menschen zeigen sich Unsicherheiten in der Selbstwahrnehmung ihres Körpers. So sind 13 Prozent der Befragten der Meinung: „Man kann nicht schlank genug sein – abnehmen geht immer.“ Die Ergebnisse verdeutlichen das Spannungsfeld, in dem sich Jugendliche hinsichtlich ihres Körperbildes befinden. Selbst normalgewichtige junge Menschen hadern mit ihrem Körper. Besonders ausgeprägt ist der Wunsch nach Gewichtsreduktion bei den 14- bis 17-Jährigen. Hier wollen 52 Prozent der Normalgewichtigen abnehmen, in den älteren Altersgruppen sind es mit 39 Prozent deutlich weniger.
Haben TV-Sendungen wie „GNTM“ hier ebenfalls einen Einfluss?
Definitiv. Das hat gerade eine aktuelle Studie bestätigt. Die Ergebnisse sind relativ klar. „Wir konnten zeigen, dass sowohl Frauen mit als auch ohne Essstörung nach dem Anschauen der Sendung unzufriedener mit ihrem eigenen Körper waren als zuvor“, erklärt die Psychologin Friederike Holtmann von der Universität Osnabrück. „Besonders Frauen mit Essstörungen berichten zudem von einer Verschlechterung der Stimmung sowie der verstärkten Wahrnehmung einer Diskrepanz zwischen ihrem eigenen Körper und ihrem verinnerlichten Ideal eines optimalen Körpers.
Diese Diskrepanz zum eigenen Schönheitsideal nahm im Laufe der Staffel Germany’s Next Topmodel weiter zu.“ Die Studie liefere damit wertvolle Erkenntnisse über mögliche negative Auswirkungen von Model-Casting-Shows auf die psychische Gesundheit von Frauen, Die Effekte scheinen besonders stark bei Frauen mit Essstörungen zu sein, sodass diese Sendungsformate auch zur Entstehung und Aufrechterhaltung von Essstörungen beitragen können. Neben den klassischen Formen gestörten Essverhaltens wie Anorexie (Magersucht) und Bulimie (Ess-Brech-Sucht) rückt seit einigen Jahren eine weitere Essstörung in den Fokus von Psychologen: die Orthorexie. Mehr dazu und weitere Infos zur Studie finden Sie hier.
Welche neuen Erkenntnisse zum Einkaufsverhalten jungen Erwachsenen liefert die aktuelle bkk-Umfrage?
Zwar ist das Bedürfnis nach weniger Gewicht auf der Waage groß. Dennoch geht es im Supermarkt weniger um Kalorien. Auf die Frage, welche Lebensmittel im Einkaufskorb landen, dominieren Geschmack und Preis: 88 Prozent der jungen Erwachsenen orientieren sich am Geschmack, 78 Prozent am Preis. Gesundheitsaspekte wie der Nutriscore sind für 45 Prozent wichtig, während 62 Prozent auf nachhaltige, regionale oder Bio-Produkte achten.
Bemerkenswert: Fast jeder zweite Befragte gibt an, sich von Produktwerbung oder Influencern zu Impulskäufen verleiten zu lassen. Männer sind mit 48 Prozent häufiger betroffen als Frauen mit 43 Prozent. Werbung und Influencer haben damit großen Einfluss auf das Einkaufsverhalten der 14- bis 34-Jährigen – davon sollten sie sich unbedingt freimachen und stattdessen auf ihre eigene Intuition vertrauen! Denn intuitives Essen kann ganz natürlich zum biologischen Wunschgewicht führen.
Wie dick ist unser Nachwuchs denn tatsächlich?
Je nach Quelle liegt der Anteil an fettleibigen Kindern und Jugendlichen bei etwa drei bis fünf Prozent. Dabei muss man jedoch klar differenzieren: Fettleibigkeit ist beim Nachwuchs in einkommensschwachen Bevölkerungsgruppen deutlich häufiger als in wohlhabenden Familien. So hat beispielsweise das Robert Koch-Institut mit der KiGGS-Studie bestätigt: In Familien mit einem Nettoeinkommen unter 60 Prozent des Durchschnitts sind 10,1 Prozent der Kinder und Jugendlichen fettleibig. Liegt das Nettoeinkommen bei +150 Prozent sind nur 3,2 Prozent des Nachwuchses adipös. Auch die DAK-Krankenkasse konnte in ihrem Kinder- und Jugendreport zeigen: Kinder von Eltern mit akademischer Ausbildung sind zu 1,5 Prozent adipös – der nicht-akademische Nachwuchs hingegen mit 5,3 Prozent mehr als dreimal so oft. Eine aktuelle deutsche Studie der Uni Ulm hat dieses Wissen jüngst erneut bestätigt: Kinder sind häufiger übergewichtig, wenn sie in einer Familie mit geringem Haushaltseinkommen oder Migrationshintergrund aufwachsen oder ein Elternteil selbst Übergewicht hat. Mehr dazu finden Sie hier.
Dieser Beitrag erschien im Original zuerst auf FOCUS online-Experte
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Uwe Knop (*72) ist evidenzfokussierter Ernährungswissenschaftler (Dipl.oec.troph./JLU Gießen), Publizist, Referent und Buchautor (aktuell „ENDLICH RICHTIG ESSEN“ (Aug, 2024)). Seit mehr als 14 Jahren bildet die objektiv-faktenbasierte Analyse tausender aktueller Ernährungsstudien den Kern seiner unabhängigen Aufklärungsarbeit. Knop hat den mündigen Essbürger mit eigener Meinung zum Ziel, der umfassend informiert selbst und bewusst entscheidet, worauf er bei der wichtigsten Hauptsache der Welt – genussvolles Essen zur Lebenserhaltung – vertraut.
Kontakt: Uwe Knop auf LI