Nachhaltiges Protein: Erfüllung des zukünftigen Bedarfs

Die Europäische Union hat sich in Anerkennung der Notwendigkeit nachhaltiger Nahrungsmittelsysteme zur Reduzierung der Treibhausgasemissionen und somit zu einem Europa bekannt, das mit seinen Ressourcen effizienter umgeht.1,2 Die Tierproduktion leistet einen wesentlichen Beitrag zu den Treibhausgasemissionen. Daher sind wichtige Ziele eine Reduzierung der Menge an tierischen Produkten, die wir essen (insbesondere Rindfleisch) und eine Steigerung der Effizienz der Praktiken in der Landwirtschaft.24

Tierische Produkte (Fleisch, Fisch, Milch und Eier) sind wesentliche Eiweißquellen unserer Nahrung, die teilweise durch nachhaltigere Quellen ersetzt werden könnten. Eine größere Produktion und Verwendung von eiweißhaltigen Kulturpflanzen (z. B. Soja und Hülsenfrüchte) tragen zur Lösung des Problems bei, aber es werden allmählich auch ungewöhnlichere eiweißhaltige Nahrungsmittel in den Geschäften angeboten. Insekten, Algen und Wasserlinsen werden in anderen Teilen der Welt weitgehend akzeptiert, sind aber für den europäischen Geschmack neu und vielen Menschen unbekannt. Der vorliegende Artikel beschäftigt sich mit einigen dieser ungewöhnlichen Eiweißquellen und beleuchtet die Gründe für deren Verwendung sowie mögliche Herausforderungen in Bezug auf Gesetzgebung und Marketing.

Essbare Insekten

Insekten produzieren weniger Treibhausgasemissionen und verwenden weniger Ressourcen als die herkömmliche landwirtschaftliche Tierhaltung, um eine ähnliche Eiweißmenge zu erzeugen.5 Wie die meisten Tiere haben Insekten einen hohen Eiweißgehalt und bieten einige essentielle Aminosäuren.6 Proteine aus Insekten lassen sich leichter verdauen als pflanzliche Eiweiße, und der Eiweißgehalt ist kaum geringer als der von Eiern oder Rindfleisch.6 Sie sind auch eine überraschende Quelle des Ballaststoffs Chitin.7 Der Nährstoffgehalt von Insekten kann je nach Art, Wachstumsstadium und Futter stark schwanken. Ausgewachsene Mehlwürmer sind beispielsweise eine Quelle von Eisen, Jod, Magnesium und Zink, während die Larven viel Vitamin B enthalten.7

Viele Insektenarten werden rund um den Globus gegessen, ohne dass Nebenwirkungen nachgewiesen wurden, was darauf hinweist, dass ihr Verzehr unschädlich ist.4 Mögliche Gefahren (durch biologische oder chemische Kontamination) hängen wahrscheinlich von den Produktions-, Ernte- und Verarbeitungstechniken ab und müssen eingehend untersucht werden. Es bedarf beispielsweise einer weiteren Erforschung der möglichen Gefahren der Aufzucht von Insekten, die mit Nahrungsmittelabfällen gefüttert werden (eine mögliche kostenwirksame Lösung).8

Algen und Wasserpflanzen

Algen werden im Wesentlichen in Mikroalgen und Makroalgen (Seetang) unterteilt. Algen vermehren sich schnell und weisen eine höhere Produktivität als herkömmliche Kulturpflanzen auf. Sie können in Bioreaktoren (Mikroalgen) oder in Meereswasser oder recyceltem Wasser (Makroalgen/Seetang) kultiviert werden, was einer geringeren Landfläche bedarf.9 Algen können Mineralien wie Kalzium, Eisen und Kupfer in wesentlich größeren Mengen aufnehmen als an Land angebaute Nahrungsmittel.10

Einige Arten von Seetang haben einen relativ hohen Eiweiß-, aber geringen Fettgehalt, enthalten Vitamine und Mineralien und einige essentielle Aminosäuren.10 Sie sind auch einige der wenigen Pflanzen, die Vitamin B12 enthalten – wichtig für Vegetarier und Veganer – nur eine Portion von Ulva lactuca (Meersalat) bietet die empfohlene tägliche Aufnahme für Erwachsene.10 Seetang gehört in Japan und Korea zu den Hauptnahrungsmitteln. Sie lassen sich leicht zu Sushi-Gerichten, Nudelgerichten, Smoothies und Salaten hinzufügen, während Mikroalgen häufig als Nahrungsergänzungsmittel (zum Beispiel Spirulina und Chlorella) verkauft werden.

Wasserlinsen sind kleine Wasserpflanzen, die als Futter für einheimische Tiere verwendet werden. Sie werden auch in einigen Teilen der Welt, insbesondere in Asien, Suppen und Salaten hinzugefügt. Getrocknete Wasserlinsen sind eine vielversprechende, schnell wachsende, hochwertige Proteinquelle (die Zusammensetzung der Aminosäuren ähnelt der von Fleisch), da sie einen Eiweißgehalt von bis zu 40 % aufweisen.11,12

Künftige bessere Quellen von pflanzlichem Eiweiß

Zu den weit verbreiteten Quellen von pflanzlichem Eiweiß zählen Soja, Weizen, Gemüse und Kartoffeln. Das aus Rapssamen (Canola) gewonnene Öl wird gern zum Kochen verwendet und ist eine proteinhaltige Zutat, wenn es aus den Samen gewonnen wird. Das Rapsschrot wird seit langem als Tierfutter verwendet, aufgrund seiner sensorischen Eigenschaften (z.B. Geschmack) und möglicher Verunreinigungen wird es jedoch nur in begrenztem Maße für Nahrungsmittel verwendet, die für den menschlichen Verzehr bestimmt sind.4,13 Es werden schnell neue Verarbeitungsmethoden entwickelt, um aus Rapssamen gewonnenes Eiweiß sicherer zu machen und den Nährwert und das sensorische Erlebnis zu verbessern.4

Forscher des von der EU finanzierten Protein2Food Projekts verbessern die Qualität und Quantität des Eiweißes von Saaten (Amaranth, Buchweizen und Quinoa) und Hülsenfrüchten (Lupine, Kichererbsen, Puffbohnen und Linsen), die in Europa kaum verwendet werden. Die Entwicklung neuer Sorten, die für das Klima und die Böden in Europa geeignet sind, eine Verbesserung des Erntemanagements und technologische Innovationen werden zu neuen pflanzlichen und eiweißhaltigen Nahrungsmitteln wie Fleischalternativen, Backwaren, Nudeln, Frühstückscerealien und Snacks führen.14

Die Grenzen überschreiten

Pflanzliches Protein enthält in der Regel weniger an essentiellen Aminosäuren, die unser Körper benötigt. Daher ist es besonders wichtig, dass Vegetarier und Veganer verschiedene pflanzliche Proteine (Obst, Gemüse, Getreide und Hülsenfrüchte) verzehren. Algen enthalten viele verschiedene Aminosäuren, vergleichbar mit Sojabohnen oder Eiern, allerdings wurden ihre Verdaulichkeit und Bioverfügbarkeit noch nicht umfassend untersucht.10,15

Damit diese neuartigen Nahrungsmittel, insbesondere Insekten, zu einem gängigen Lebensmittel werden können, müssen sie Herausforderungen wie den „Ekelfaktor“ überwinden.16,17 Darüber hinaus sind sich die meisten Menschen nicht der Auswirkung der Fleischproduktion auf die Umwelt bewusst, so dass die Motivation zu einer Änderung des Essverhaltens entsprechend gering ist.18

Neue 2015 eingeführte Bestimmungen stufen jedes Nahrungsmittel als neuartig ein, wenn es in der EU vor 1997 nicht zu den häufig verzehrten Lebensmitteln gehörte.19 Bei diesen Nahrungsmitteln handelt es sich mittels neuer Technologien neu entwickelter Lebensmittel oder traditionell in den nicht zur EU gehörenden Ländern verspeisten Lebensmitteln.20 Die neuen Bestimmungen zielen darauf ab, die Prozesse, die notwendig sind, um innovative Nahrungsmittel bei Beibehaltung von Qualität und Sicherheitsstandards schneller auf den Markt zu bringen, zu steigern.19

Fazit

Der Ersatz von Fleisch durch andere Proteinquellen kann möglicherweise die Nachhaltigkeit der Nahrungsmittelversorgung in Europa verbessern. Wenn man sich dieses Potenzial zunutze machen will, wird die schwierigste Aufgabe darin bestehen, das Verhalten in den verschiedenen Kulturkreisen zu verändern. Wie können wir die Menschen dazu bewegen, bei der Wahl ihrer Nahrungsmittel aufgeschlossener zu sein und eine Veränderung des gewohnten Fleischverzehrs herbeizuführen?

References

  1. European Commission website, EU climate action.
  2. European Commission website, Sustainable food section.
  3. FAO (2013). Tackling climate change through livestock: A global assessment of emissions and mitigation opportunities.
  4. Van der Spiegel M, Noordam MY & van der Fels-Klerx HJ (2013). Safety of novel protein sources (insects, microalgae, seaweed, duckweed, and rapeseed) and legislative aspects for their application in food and feed production. Comprehensive Reviews in Food
  5. Smetana S, et al. (2016). Sustainability of insect use for feed and food: life cycle assessment perspective. Journal of Cleaner Production 137:741-751.
  6. Kouřimskáa L & Adámková A (2016). Nutritional and sensory quality of edible insects. NFS Journal 4:22-26.
  7. Nowak V, et al. (2016). Review of food composition data for edible insects. Food Chemistry 193:39-46.
  8. European Food Safety Authority (EFSA) (2015). Risk profile related to production and consumption of insects as food and feed.
  9. Walsh MJ, et al. (2016). Algal food and fuel coproduction can mitigate greenhouse gas emissions while improving land and water-use efficiency. Environmental Research Letters. Doi: 10.1088/1748-9326/11/11/114006.
  10. MacArtain P, et al. (2008). Nutritional value of edible seaweeds. Nutrition Reviews 65(12):535-543.
  11. Appenroth Klaus-J, et al. (2017). Nutritional value of duckweeds (Lemnaceae) as human food. Food Chemistry 217:266-273.
  12. Leng RA, Stambolie JH & Bell R (1995). Duckweed – a potential high-protein feed resource for domestic animals and fish. Livestock Research for Rural Development 7(1).
  13. 2014/424/EU: Commission Implementing Decision of 1 July 2014 authorising the placing on the market of rapeseed protein as a novel food ingredient under Regulation (EC) No 258/97 of the European Parliament and of the Council (notified under document C(2
  14. PROTEIN2FOOD (Protein-rich food crops, to sustain human health, the environment, and biodiversity) project.
  15. Bleakley S & Hayes M (2017). Algal Proteins: Extraction, Application, and Challenges Concerning Production. Foods 6(5).
  16. European Commission (2015). Sustainable, safe and nutritious food: new nutrient sources. Case study 52.
  17. Tan H, et al. (2015). Insects as food: exploring cultural exposure and individual experience as determinants of acceptance. Food Quality and Preference 42:78-89.
  18. Hartmann C & Siegrist M (2017). Consumer perception and behaviour regarding sustainable protein consumption: A systematic review. Trends in food science & technology 61:11-25.
  19. European Commission website, Novel food.
  20. European Commission factsheet, Questions and Answers: New regulation on Novel Food.
  21. Jansson, A. and Berggren, A. 2015. Insects as Food – Something for the Future?

Quelle: EUFIC