Ein neuer Bericht von Testbiotech belegt, dass die Europäische Lebensmittelbehörde EFSA bei der Zulassungsprüfung gentechnisch veränderter Pflanzen viele Risiken gezielt ausblendet.
Obwohl der EFSA bekannt ist, dass die von der Industrie eingereichten Daten unzureichend sind, um die Sicherheit der Pflanzen zu zeigen, hat sie seit Jahren nichts unternommen, um die Probleme abzustellen. Im Gegenteil, die Behörde beharrt seit Jahren auf faktisch falschen Annahmen und versucht aktiv, von den blinden Flecken der Risikoprüfung abzulenken.
Obwohl die EFSA in den ersten 20 Jahren ihres Bestehens über 100 Bewertungen zu Risiken gentechnisch veränderter Pflanzen veröffentlicht hat, ist es ihr bislang nicht gelungen, ausreichende Kriterien und Untersuchungsmethoden zu entwickeln. Der heute veröffentlichte Bericht weist erhebliche Mängel bei der Risikobewertung von gentechnisch veränderten Pflanzen nach, die nicht länger in Abrede gestellt werden können. Die Analyse zeigt auch, wie bestimmte Bereiche der Risikoforschung im Dunkeln gehalten werden.
„Wir brauchen die Wissenschaft dringender als je zuvor, um konkrete Gefährdungen wie den Klimawandel oder Pandemien zu stoppen. Aber Wissenschaft muss auch ehrlich, transparent und zuverlässig sein, wenn es um die Prüfung von Risikotechnologien und deren profitablen Produkte geht. Doch bei gentechnisch veränderten Pflanzen haben im Zweifel die wirtschaftlichen Interessen der Industrie die Vorfahrt“, sagt Christoph Then für Testbiotech, einem von den Interessen der Gentechnik-Industrie unabhängigen Institut. Testbiotech befasst sich seit über 10 Jahren mit den Risiken gentechnisch veränderter Organismen aus der Perspektive des Schutzes von Mensch und Umwelt.
Testbiotech wirft der EFSA unter anderem systematisches Versagen bei den Anforderungen an verlässliche Daten vor. Dies betrifft u.a. Feldversuche mit herbizidresistenten gentechnisch veränderten Pflanzen: So ist die Rate der Herbizid-Anwendungen, die im Rahmen der Risikoprüfung durchgeführt werden, viel geringer als in der landwirtschaftlichen Praxis. Zudem sind die von der Industrie durchgeführten Feldversuche nicht repräsentativ für die Umweltbedingungen, unter denen die Pflanzen tatsächlich angebaut werden.
Zur Beurteilung der Giftigkeit von Bt-Toxinen, die als Insektengift in den Pflanzen produziert werden, akzeptiert die EFSA die Ergebnisse von Untersuchungen mit Toxinen, die von Bakterien produziert werden. Dabei ist bekannt, dass die in den Pflanzen gebildeten Toxine als wesentlich giftiger einzuschätzen sind, weil pflanzliche Inhaltsstoffe deren Wirkung multiplizieren können. Zudem weisen die meisten der zugelassenen Gentechnik-Pflanzen eine Kombination von (mehreren) Bt-Toxinen und (mehreren) Herbizidresistenzen auf. Trotzdem verlangt die EFSA keine empirischen Daten über die Toxizität und die Immunwirkung der jeweiligen Mischungen von Giftstoffen, die in der Ernte zu finden sind.
Auch bei der Bewertung des Ausbreitungspotentials gentechnisch veränderter Pflanzen stützt sich die EFSA auf Annahmen, die überholt sind und zu einer Unterschätzung der Risiken führen. Rechtlich fragwürdig scheint auch, dass die EFSA sich 2015 per Eigenmandat eine neue Richtlinie für die Prüfung von Freisetzungsversuchen gegeben hat, die geeignet ist, rechtlich verbindliche Vorgaben der EU Kommission zu umgehen.
Zusammengefasst zeigt sich, dass die Risiken von Gentechnik-Pflanzen wesentlich komplexer sind und weit über das hinausgehen, was derzeit in der Risikobewertung berücksichtigt wird. Die Sicherheit der Pflanzen wird auf der Grundlage von Zulassungsprozessen behauptet, bei denen nur die Risiken berücksichtigt werden, die am einfachsten zu bewerten sind.
Zur Analyse der Arbeit der EFSA zog Testbiotech auch die Ergebnisse des Forschungsprojekts RAGES (Risikoabschätzung von gentechnisch veränderten Organismen in der EU und der Schweiz) heran, das von 2016 bis 2020 durchgeführt wurde und von der EFSA 2020 bewertet wurde.
Testbiotech fordert die EU-Kommission auf, jetzt aktiv zu werden, da sie die Leitlinien-Kompetenz hat, die Anforderungen an die Risikoprüfung von Gentechnik-Organismen festzulegen.
Weitere Informationen:
- Der neue Bericht
- Deutschsprachige Zusammenfassung des neuen Berichts
- Ergebnisse des RAGES-Projekts
- Stellungnahme der EFSA zu RAGES
Kontakt: Christoph Then, info@testbiotech.org, Tel 0151 54638040
Quelle: Testbiotech