Gesetzesreform der EU-Kommission: CRISPR & Co nicht mehr dasselbe wie Gentechnik

Es hat lange gedauert: Nach drei Jahren intensiver Beratung liegt nun der Vorschlag der EU-Kommission auf dem Tisch, welche Regeln künftig für Pflanzen gelten sollen, die mit neuen Verfahren wie der Gen-Schere CRISPR/Cas gezüchtet wurden.

Bisher ist er noch nicht offiziell, doch er vollzieht die erwartete Kehrtwende weg von den alten, wissenschaftlich überholten Gentechnik-Gesetzen. Für neue Pflanzen, in die kein artfremdes Genmaterial eingeführt wurde, wird es praktisch keine Sonderregeln mehr geben.

Ein paar Tage bevor die EU-Kommission ihren Gesetzentwurf offiziell vorstellen wollte, wurde er von einer NGO-Plattform (ARC, Agricultural and Rural Convention) geleakt und anschließend rasch über Presseagenturen verbreitet. Endgültig von der Kommission beschossen ist er noch nicht. Dennoch wird sich daran erst einmal wohl nichts Grundsätzliches mehr ändern.

Die Richtung ist klar: Die Auflagen für einfache genom-editierte Pflanzen werden deutlich gelockert. Es wird künftig keine so aufwändigen Zulassungsverfahren mehr geben wie bei der Gentechnik, auch keine allgemeine Kennzeichnungspflicht. Freilandversuche – die für erste realistische Tests nach der Entwicklung im Labor und Gewächshaus so wichtig sind – werden einfacher. Und: Anders als bei herkömmlichen gentechnisch veränderten Pflanzen können einzelne EU-Mitgliedstaaten weder den Anbau dieser editierten Pflanzen bei sich verbieten, noch Freilandversuche untersagen.

Die am weitesten gehenden Lockerungen gelten für NGT-Pflanzen (NGT, New Genomic Techniques) der Kategorie 1. Das sind Pflanzen, die mit Hilfe von gezielter Mutagenese – etwa CRISPR/Cas oder TALEN – erzeugt wurden und ausschließlich Genmaterial enthalten, das sich im züchterisch genutzten Genpool der jeweiligen Art befindet. Auch cisgene Pflanzen gehören künftig in diese Kategorie, etwa die in Wageningen (NL) entwickelten Kartoffeln, in die mehrere Resistenz-Gene aus Wildkartoffeln eingeführt wurden, die gegen die Kraut- und Knollenfäule wirksam sind und so dazu beitragen, dass 80 Prozent weniger Pflanzenschutzmittel gespritzt werden müssen.

Alle NGT1-Pflanzen könnten unabhängig vom angewandten Verfahren auch herkömmlich gezüchtet werden oder durch zufällige Mutation unter natürlichen Bedingungen entstanden sein.

Die so definierten NGT1-Pflanzen sind von den meisten für GVO geltenden Auflagen befreit, so sieht es der Vorschlag der EU-Kommission vor.

Freilandversuche mit NGT1-Pflanzen sind künftig nur noch bei der zuständigen nationalen Behörde anzumelden. Diese prüft, ob die NGT1-Kriterien bei der jeweiligen Pflanze tatsächlich zutreffen. Ist das der Fall, kann der Versuch ohne weitere Auflagen durchgeführt werden. Eine Veröffentlichung des jeweiligen Versuchs und seines Standorts ist nicht vorgeschrieben, die Kommission wird lediglich zusammenfassende Berichte herausgeben.

Sollen NGT1-Pflanzen auf den Markt gebracht werden – als Saatgut für den Anbau oder als Lebens- und Futtermittel – ist ebenfalls nur noch eine Anmeldung erforderlich. In die wissenschaftliche Überprüfung der Kriterien werden die EU-Kommission und alle Mitgliedstaaten einbezogen. Sind die eingereichten Unterlagen vollständig, muss die EU-Kommission spätestens nach 30 Tagen zu einem Ergebnis kommen.

Alle anerkannten – und somit zugelassenen – NGT1-Pflanzen werden in ein öffentlich zugängliches Register eingetragen. Einzelne Mitgliedstaaten dürfen den Anbau und den Warenverkehr nicht einschränken oder gar verbieten.

Eine Kennzeichnungspflicht für Lebens- und Futtermittel aus NGT1-Pflanzen ist nicht vorgesehen. Jedoch muss Saatgut oder vermehrungsfähiges Material eindeutig deklariert werden. Anhand dieser Informationen können Landwirte entscheiden, ob sie solche Pflanzen anbauen wollen oder nicht. Im Biolandbau sind NGT1-Pflanzen weiterhin nicht erlaubt, so haben es die Verbände der Branche durchgesetzt.

Für alle anderen mit neuen genomischen Verfahren gezüchtete Pflanzen, die nicht den NGT1-Kriterien entsprechen, gelten in der Regel ähnliche Vorschriften wie sie in den Gentechnik-Gesetzen festgelegt sind – allerdings mit einigen Erleichterungen. Für solche als NGT2 bezeichneten Pflanzen kann das Zulassungsverfahren mit der Sicherheitsbewertung vereinfacht werden, wenn es keine „plausiblen Hinweise“ auf mögliche Risiken gibt. NGT2-Pflanzen und die daraus erzeugten Produkte unterliegen jedoch der Kennzeichnungspflicht. Neu ist, dass dabei das geänderte oder neu hinzugefügte Merkmal genannt werden muss.

Bis das neue „Gesetz für Pflanzen, die aus neuen genomischen Verfahren hervorgegangen sind“ in Kraft tritt, kann es noch dauern. Nachdem es die EU-Kommission formell beschlossen hat, muss es noch durch das EU-Parlament und den Ministerrat. Geräuschlos und ohne große Debatten wird das wohl nicht über die Bühne gehen.

Quelle: transGEN