Ernährungsarmut bei Kindern: Kita- und Schulverpflegung als mögliche Hilfe

Jedes fünfte Kind in Deutschland unter 18 Jahren ist von Armut betroffen.

Das kann zur Folge haben, dass diese Kinder ohne Frühstück aus dem Haus gehen und Geld für frisches Obst und Gemüse fehlt. Dadurch können ihnen Nährstoffe für eine gesunde Entwicklung und die Energie zum Lernen fehlen.

Ernährungsarmut bezeichnet hierzulande nicht nur die kalorische Unterernährung, sondern viel häufiger, dass sich Menschen kein gesundheitsförderndes Essen leisten können. Statt Gemüse, Obst, Hülsenfrüchten und Vollkorngetreideprodukten stehen hauptsächlich preiswertere, nährstoffarme Lebensmittel wie Weißbrot, Fleisch- und Wurstwaren oder Fertiggerichte auf dem Speiseplan. Diese liefern oft viel Zucker und Fett, sodass es einerseits zu einer Mangelernährung hinsichtlich Vitaminen und Mineralstoffen, andererseits aber zu Übergewicht oder sogar Adipositas kommen kann.

Forschungen zur materiellen Ernährungsarmut belegen, dass Kinder, die zu wenig Mikronährstoffe erhalten, kleiner sind als ausgewogen ernährte Kinder. Das kann sich auf die Entwicklung des Gehirns und damit auf das Sprechen und Lesen sowie die Motorik auswirken.  Forschende betonen daher die Bedeutung der Ernährung in den ersten 7.000 Tagen des Heranwachsens. Die ehemalige Präsidentin der Deutschen Gesellschaft für Ernährung Prof. Ulrike Arens-Azevêdo dazu: „Eine nicht ausreichende quantitative und qualitative Ernährung in dieser Zeit führt zu einer verminderten Immunabwehr, reduzierter Aufmerksamkeit und geringeren Lernerfolgen sowie weniger körperlicher Aktivität.“ Dadurch steige auch das Risiko für ernährungsmitbedingte Krankheiten in späteren Jahren.

Zahlreiche Studien belegen, dass Kinder armer Familien häufiger deutlich zu viel wiegen und daher ein höheres Risiko für Bluthochdruck und Störungen des Fett- und Zuckerstoffwechsels haben. Das kann im Erwachsenenalter zu Diabetes Mellitus Typ 2 oder Herz- Kreislauf-Erkrankungen führen. Dazu kommen im schlimmsten Fall Diskriminierung, Mobbing und Stigmatisierung, wodurch psychische Erkrankungen wie Depressionen entstehen können.

Eine wichtige Rolle kann hier die Kita- und Schulverpflegung spielen. Etwa 78 Prozent der 3,4 Millionen Kinder, die eine Kita besuchen, essen auch dort zu Mittag. 19.000 Ganztagsschulen in Deutschland bieten ein Mittagessen an. Eine gesundheitsfördernde Kita- und Schulverpflegung kann bis zu 25 Prozent des täglichen Energiebedarfs und bis zu 70 Prozent des Nährstoffbedarfs von Kindern und Jugendlichen decken. Die Gemeinschaftsverpflegung erreicht zudem alle gesellschaftlichen Schichten und trägt zu einer geleichberechtigten Teilhabe bei. Das Nationale Qualitätszentrum für Ernährung in Kita und Schule (NQZ) im Bundeszentrum für Ernährung betont, dass eine nachhaltige und gesundheitsförderliche Kita- und Schulverpflegung nicht nur dazu beitrage, dass Kinder gesund aufwachsen, sondern auch einen nachhaltigen Lebensstil entwickeln können.

Der Wissenschaftliche Beirat für Agrarpolitik, Ernährung und gesundheitlichen Verbraucherschutz (WBAE) hat in seiner Stellungnahme „Ernährungsarmut unter Pandemiebedingungen“ beschrieben, wie sich während des Corona-Lockdowns und der Kita- und Schulschließungen das Risiko für Ernährungsarmut erhöht hat, weil ein wesentlicher Teil gesundheitsförderlicher Ernährung wegfiel. Daher empfiehlt er die „schrittweise und evidenzbasierte Einführung einer beitragsfreien Kita- und Schulverpflegung, die den DGE-Qualitätsstandards entspricht“. Eine ähnliche Empfehlung spricht auch der Bürgerrat „Ernährung im Wandel“ für die Ernährungspolitik aus und auch die Ernährungsstrategie der Bundesregierung „Gutes Essen für Deutschland“ legt einen Schwerpunkt auf die Verbesserung der Gemeinschaftsverpflegung.

BZfE-Forum: Ernährungsarmut in Deutschland – sehen, verstehen, begegnen: https://www.nqz.de/service/aktuelles/gemeinschaftsverpflegung-im-aufbruch-rueckenwind-fuer-die-zukunft

Quelle: Caroline Thiesmeier-Dorman, www.bzfe.de