„Die Angst vor Nitrat müsse endlich perdu sein, meint auch die Präventionsforscherin Eva Frei vom Deutschen Krebsforschungszentrum“ (www.sueddeutsche.de vom 28.02.2011).
In den letzten 30 Jahren wurde Nitrat, das über die Nahrung aufgenommen wird, meist in Verbindung mit der Bildung von Methämoglobin und krebserregenden Nitrosaminen für den Menschen als sehr kritisch betrachtet. Dies hat zu Einschränkungen von Nitrat und Nitrit in Lebensmitteln und Trinkwasser geführt. Allerdings gibt es keine epidemiologischen Beweise, dass Bevölkerungsgruppen mit einer hohen pflanzlichen Nitrataufnahme ein erhöhtes Risiko für Magen- und Darmkrebs aufweisen.
Einige Neubewertungen des Nahrungsnitrates kommen aus der jüngeren Forschung. So gibt es zahlreiche Studien, die den Nitratkreislauf im Stoffwechsel von Säugetieren untersuchten. Sie zeigen, dass Nitrat in der Mundhöhle zu Nitrit umgewandelt wird, das dann wiederum wichtige “Brennstoffe” für einen Resistenzmechanismus gegen Infektionskrankheiten bei Säugetieren und Menschen liefert.
Stickstoffmonoxid im Magensaft, das durch die Nitrateinnahme produziert wurde, erhöht den Blutfluss in der Magenschleimhaut und die Dicke der festhaftenden Schleimschicht im Magen. Durchblutung sowie Schleimschicht sind wesentliche Abwehrmechanismen, die die Schleimhaut vor Magensaft sowie Schadstoffen zu schützen.
Es gibt nun Anzeichen dafür, dass die Umwandlung von Nitrat in Stickstoffmonoxid die Bildung karzinogener Nitrosamine verhindert. Zahlreiche Untersuchungen zeigen positive Wirkungen von Nitrat und seinen Abbauprodukten für den Menschen.
Bewertung des möglichen Gesundheitsrisikos durch die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) (i)
Das Gremium für Kontaminanten in der Lebensmittelkette (CONTAMGremium) der EFSA beurteilte aufgrund von fast 42.000 Analyseergebnissen sowie zahlreichen wissenschaftlichen Studien das Risiko sowie den Nutzen einer Nitrataufnahme durch Gemüse. Es urteilte: „Insgesamt ist es unwahrscheinlich, dass die geschätzten Nitratbelastungen durch Gemüse zu nennenswerten Gesundheitsrisiken führen.“ Außerdem argumentierte das Gremium, dass die anerkannten günstigen Auswirkungen durch den Gemüseverzehr überwiegen. Nach Auswertung der Studien kann auch das Gremium keine eindeutigen Hinweise finden, dass eine erhöhte Nitrataufnahme mit einem steigenden Krebsrisiko verbunden ist.
Wissenschaftliche Studien belegen, dass Nahrungsnitrat …
… vor Magen-Darm-Krankheiten schützen kann (ii)
Durch Speichel erzeugtes Nitrit aus Nahrungsnitrat kann einen signifikanten Schutz vor Krankheitserregern im menschlichen Darm liefern. Dies belegen Wissenschaftler der University of Aberdeen (UK) in einer invitro- Studie (1996): Angesäuertes Nitrit zeigt eine antimikrobielle Wirkung, das mit der Bildung von Stickstoffmonoxid einhergeht. Die vorliegende Studie untersuchte die Wirkung von angesäuerten Nitrit auf verschiedene Bakterien wie Salmonella Enteritidis, Salmonella typhimurium, Yersinia enterocolitica, Shigella sonnei und Escherichia coli O157 im Reagenzglas.
Da der Gehalt von Nitrit im Speichel nach der Aufnahme von Nitrat stark zunimmt, deutet das darauf hin, dass die Einnahme von nitratreichen Nahrungsmitteln gegen infektiöse Gastroenteritis schützt. Anstatt einer potenziellen krebserzeugenden Wirkung postulieren die Wissenschaftler um Roelf S. Dykhuizen, dass Nitrat ein nützlicher Wirkstoff sein kann, insbesondere dann, wenn es von Ascorbinsäure begleitet wird, wie es bei Gemüse der Fall ist. Eine abschließende Demonstration der antimikrobiellen Wirkung des angesäuerten Nitrit in vivo (an lebenden Organismen) würde eine wichtige Neuinterpretation des Nahrungsnitrates in der menschlichen Gesundheit erfordern.
Das Wissenschaftler-Team um Dykhuizen (University Aberdeen, UK; 1998) (iii) fand ebenfalls heraus, dass Nitrit in einem sauren Medium eine antibakterielle Wirkung gegen Heliobacter pylori zeigt. Dieses Bakterium, das den menschlichen Magen und Darm besiedeln kann, wird für zahlreiche gastrointestinale Erkrankungen wie Geschwüre im Magen oder Zwölfingerdarm verantwortlich gemacht. Ob der antimikrobielle Mechanismus auch im Menschen aktiv ist, muss über weitere Studien geklärt werden.
Ähnliches beschreibt auch Joel Petersson (Uppsala University, Schweden; 2008) (iv) in seiner Dissertation. Er beschäftigte sich mit den physiologischen Wirkungen der hohen Konzentration von Stickstoffmonoxid im Magen. Hintergrund für diese Studie sind nicht-steroidale Antirheumatika, die häufig verschriebene und effektive Medikamente zur Behandlung von Schmerzen und Entzündungen sind. Die Einnahme ist oft mit schweren gastrointestinalen Nebenwirkungen verbunden.
Petersson belegt in seiner Dissertation, dass eine nitratreiche Ernährung durch die erhöhte Bildung von Stickstoffmonoxid vor Magenschäden, die durch die Einnahme von nicht-steroidalen Antirheumatika entstehen können, schützen kann. Außerdem zeigt die wissenschaftliche Arbeit, dass die schützende Wirkung von Nitrat in Magen und Darm auf die Umwandlung von Nitrat zu Nitrit durch die Bakterienflora der Zunge zurückgeführt werden kann. Es ist also wahrscheinlich, dass eine ausreichende Zufuhr von Nitrat in der Nahrung zusammen mit der oralen Mikroflora wesentlich zur Verhinderung von Erkrankungen im Magen-Darm-Trakt beiträgt.
… die Hirndurchblutung verbessern kann (v)
Nahrungsnitrat kann bei älteren Erwachsenen für die Verbesserung der Durchblutung in kritischen Hirnregionen sorgen. Das fanden Wissenschaftler der Wake Forest University in Winston Salem (USA; 2010) heraus. Sie verabreichten eine hohe bzw. niedrige Nitrat-Ernährung bei älteren Erwachsenen (74,7 ± 6,9 Jahre). Gemessen wurde die Hirntätigkeit mit Kernspintomographie. Während die hohe Nitraternährung keinen Einfluss auf globale Hirndurchblutung hatte, führte sie aber zu einer erhöhten regionalen zerebralen Durchblutung in Frontallappen der weißen Substanz. Das Ziel dieser Studie war es festzustellen, ob Nahrungsnitrat den zerebralen Blutfluss bei älteren Erwachsenen erhöht.
Durchblutungsstörungen tragen zu vielen weiteren Krankheiten bei. Sie spielen auch eine Rolle, wenn die körperlichen und kognitiven Funktionen im Alter nachlassen. Die gefäßerweiternde Wirkung von Nitrit könnte zu therapeutischen Zwecken eingesetzt werden. Darüber hinaus zeigt Nitrit, das aus Nahrungsnitrat stammt, blutdrucksenkende Wirkung und kann damit die körperliche Leistungsfähigkeit verbessern. Damit könnte Nahrungsnitrat sich positiv auf altersbedingte Demenz und die kognitive Fähigkeiten auswirken.
… blutdrucksenkende Wirkung besitzt (vi)
Der diastolische Blutdruck sinkt durch eine erhöhte Aufnahme von nitratreichen Lebensmitteln. Das fanden Wissenschaftler der Kyorin University School of Medicine (Japan) und des Karolinska Insitutet in Stockholm (Schweden) in einer Studie (2009) an 25 gesunden Testpersonen heraus. Die Japaner weisen die höchste Lebenserwartung auf, was in Relation mit der traditionellen Ernährung gesetzt wird. Die Ergebnisse dieser Studie belegen, dass eine gewöhnliche nitratreiche Ernährung sich positiv auf den Blutdruck auswirken kann. Sie sind damit auch eine mögliche Erklärung für die gesunden Aspekte der traditionellen japanischen Küche. Die Ergebnisse sollten zwar aufgrund der kleinen Stichprobengröße kritisch gesehen werden, trotzdem zeigen sie signifikante Ergebnisse, die für folgende Studien nützlich sein können.
… vor Karies schützt (vii)
Zur Überprüfung der Hypothese, ob eine Kombination von hohem Nitratgehalt im Speichel und einer hohen Anzahl nitratreduzierender Bakterien vor Karies schützt, wurden 209 Kinder im Dental Institute, Barts und The London NHS Trust (UK; 2004) untersucht. Der Gehalt an Speichelnitrat und -nitrit, Mengen von Streptococcus mutans und Lactobacillus spp. und Karieserfahrungen wurden aufgezeichnet.
Verglichen mit der Kontrollgruppe wurde eine signifikante Reduktion der Karies bei Patienten mit hohem Speichelnitrat und hohen nitratreduzierende Fähigkeiten festgestellt. Die Produktion von Nitrit aus Nitrat durch nitratreduzierende Bakterien im Speichel kann das Wachstum von kariogenen Bakterien als Folge der Produktion von antimikrobiellen Stickstoffoxiden, einschließlich Stickstoffmonoxid positiv beeinflussen.
Nitrataufnahme und Nitratkreislauf
Die tägliche durchschnittliche Nitrataufnahme beim Erwachsenen liegt zwischen 50 und 160 Milligramm. Etwa 70 Prozent dieser Menge stammt aus Gemüse, 20 Prozent wird über das Trinkwasser sowie fünf bis zehn Prozent über Fleisch und Fleischwaren aufgenommen.
Nitrat- und Nitritkonzentrationen im menschlichen Speichel sind stark durch die Nitratmenge in der Nahrung beeinflusst. Es wird geschätzt, dass rund 25 Prozent des Nahrungsnitrates in den Speichel abgesondert wird. Das meiste dieses Nitrats wird innerhalb kurzer Zeit zu Nitrit umgewandelt. Dafür ist das Enzym Nitratreduktase verantwortlich. Verbessert wird dieser chemische Prozess durch gutes Kauen, das mit einer erhöhten Speichelproduktion und Kontakt mit der Zunge, die eine wichtige Rolle in diesem Kreislauf spielt, einhergeht.
Der menschliche Magen enthält in der Regel einen hohen Gehalt an bioaktivem Stickstoffmonoxid. Er stammt aus Speichel-Nitrat, das durch Bakterien in der Mundhöhle zu Nitrit umgewandelt wird. Letzteres wird aber nicht durch Enzyme umgewandelt, sondern der saure Magensaft reduziert es zu Stickstoffmonoxid. Das heißt, ein hoher Gehalt von Stickstoffmonoxid geht mit einer nitratreichen Ernährung einher.
Vorkommen von Nitrat
Nitrat ist in der Biosphäre allgegenwärtig und ein natürlicher Bestandteil des Bodens. Er ist ein wichtiger Nährstoff für die Pflanzen, wird er doch bei der Photosynthese für die Bildung von Aminosäuren, Proteinen, Enzymen, Chlorophyll, DNS genutzt. In Abhängigkeit der Lichtzufuhr wird Nitrat in Aminosäuren umgesetzt. Je stärker die Sonneneinstrahlung umso geringer der Gehalt des stickstoffhaltigen Salzes. Nitrat wird auch als Dünger eingesetzt, so dass es direkt von den Pflanzen als Nährstoff aufgenommen und verwertet werden kann. Besonders einige Wurzelgemüse und Blattsalate speichern im Vergleich zu anderen Pflanzen relativ große Mengen an Nitrat.
Anmerkungen
i) http://www.efsa.europa.eu/de/efsajournal/pub/689.htm
ii) http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC163343/pdf/401422.pdf
iii) http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC1727019/pdf/v042p00334.pdf
iv) uu.diva-portal.org/smash/get/diva2:171763/FULLTEXT01
v) http://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S1089860310004246
vi) http://www.neogenis.com/wp-content/uploads/sdarticle.pdf
vii) http://zahnspatz.com/content/anzeige02.pdf
Quelle: Pressebüro Deutsches Obst und Gemüse