In der Welt am Sonntag ist am 4. Mai 2014 ein Artikel „Prüfer auf dem Prüfstand“ über die Stiftung Warentest erschienen, der in vielen Punkten fehlerhaft war. In der folgenden Stellungnahme geht die Stiftung Warentest auf die Vorwürfe ein und stellt sie richtig.
Schadstoff im Babygreifring
Vorwurf: Winzige Schadstoff-Funde würden zu vermeintlich drastischen Gesundheitsgefahren aufgebauscht – wie im Fall der Gummischnur eines Babygreifrings. Das Baby müsse erst Holzperlen zerbeißen und dann an der Schnur nuckeln. Die Werte, die die Stiftung Warentest gefunden habe, lägen so minimal unterhalb des gesetzlichen Grenzwerts, dass sie gut durch Messunsicherheiten beim Analysegerät hervorgerufen sein könnten.
Tatsache: Zur „ausreichenden“ Bewertung führte im Spielzeug-Test bei dem Babygreifring nicht die Gummischnur in der Mitte des Spielzeugs, sondern die Gummischnur, mit der die Holzperlen an den Beißring geknotet wurden. Diese Holzperlen werden von den Kindern in den Mund genommen und eingespeichelt. In der Gummischnur wurden (potenziell Krebs erregende) nitrosierbare Stoffe gefunden. Diese können sich durch den Speichel lösen und von dem Kind oral aufgenommen werden.
Nach der europäischen Spielzeugrichtlinie darf Spielzeug 1mg/kg nitrosierbare Stoffe enthalten. Für Spielzeuge aus Synthese- und Naturkautschuk gilt allerdings der deutsche Grenzwert von 0,1 mg/kg für nitrosierbare Stoffe. Der Messwert lag bei 1,07 mg/kg. Von einer minimalen Überschreitung kann daher keine Rede sein.
Gesetzliche Grenzwerte teilweise nicht streng genug
Vorwurf: Die Stiftung skandalisiere willkürlich. Sie schüre Ängste, die teilweise völlig unberechtigt seien.
Tatsache: Bei den Grenzwerten sind die gesetzlichen Regelungen z. B. bei der EU-Spielzeugrichtlinie nach Ansicht der Stiftung Warentest in mehreren Punkten nicht streng genug. Ähnliche Kritik hat auch das Bundesinstitut für Risikobewertung geäußert. So ist zum Beispiel die zulässige Belastung an krebserregenden Polyzyklischen Aromatischen Kohlenwasserstoffen (PAK) für Autoreifen niedriger als für Kinderspielzeug. Wichtig ist, dass die Stiftung sich in diesen Fällen keine eigenen Grenzwerte überlegt, sondern andere verfügbare Kriterien zu Grunde legt. So sind die PAK-Gehalte auf der Basis der Anforderungen für das GS-Zeichen (für Geprüfte Sicherheit) beurteilt worden. Darüber hinaus wurden für die Bewertungsmaßstäbe beim Kinderspielzeugtest auch andere Prüfzeichen wie das Ökotex-Label berücksichtigt.
Ritter Sport: Produktionsprozess nicht offengelegt
Vorwurf: Die Firma Ritter Sport habe vor Gericht glaubhaft machen können, dass man Piperonal doch ohne Einsatz von Chemie gewinnen kann.
Tatsache: Weder die Firma Ritter Sport noch der Aromalieferant Symrise haben bislang den Produktionsprozess des Piperonals offengelegt.
Funktionsjacken: Anonymer Einkauf und Testbedingungen
Vorwurf: Die Stiftung Warentest habe die Funktionsjacken für ihren Test nicht anonym im Handel eingekauft, sondern sich von den Anbietern zuschicken lassen.
Tatsache: 2012 wurden 17 Funktionsjacken getestet, davon wurden 15 anonym im Handel gekauft. Die beiden anderen Produkte waren zu Testbeginn im Handel noch nicht erhältlich. Deshalb wurden die Prüfmuster einmal aus einer Menge von ca. 100 Stück aus dem Lager des Anbieters ausgesucht, beim zweiten Fall wurden dem Einkäufer acht Jacken aus dem Lager übergeben, später wurden die Jacken dieses Herstellers anonym im Handel nachgekauft. Keine der getesteten Jacken wurde der Stiftung Warentest vom Hersteller zugeschickt.
Vorwurf: Die Jacken seien einem übertrieben starken künstlichen Regen ausgesetzt gewesen. Die Testbedingungen seien deshalb nicht realistisch gewesen.
Tatsache: Die Testbedingungen orientierten sich an der Norm für wasserdichte und atmungsaktive Berufsbekleidung. Durch eine hohe Beregnungsintensität werden Leckstellen schneller erkannt, und es wird in relativ kurzer Zeit eine längere Beregnung (mit geringerer Intensität) in der Praxis simuliert. Für wasserdichte Berufsbekleidung wird eine Wassersäule von 1,3 m gefordert. Die Hersteller der Funktionsjacken werben mit Wassersäulen bis zu 15 m. Die Wassersäule gibt die Wasserdichtheit des Stoffes an. Mit der Regenturmprüfung wird die Wasserdichtheit der gesamten Jacke geprüft. Wasser tritt oft durch defekte Nähte, Reißverschlüsse, Lüftungsöffnungen oder Saugeffekte am Saum, an Ärmeln und Kragen ein. Wenn mit so hohen Wassersäulen geworben wird, suggeriert dies eine falsche Sicherheit. Schließlich zeigt das Testergebnis, dass es Produkte am Markt gibt, die sowohl atmungsaktiv als auch wasserdicht sind, und damit eine hervorragende Wahl für den Verbraucher darstellen.
Uschi-Glas-Creme: Korrekter Testablauf
Vorwurf: Der Test der Uschi-Glas-Hautnah-Face-Cream sei damals nicht sauber abgelaufen. So seien die verschiedenen Cremes nicht „verblindet“, also die Marken unkenntlich gemacht worden, bevor sie zum Test versandt wurden. Fragwürdig sei auch, dass die Probandinnen die Cremes schon am ersten Testtag gleich sechsmal hätten auftragen müssen.
Tatsache: Die verschiedenen Cremes sind zwar nicht „verblindet“ im Institut angekommen. Da im Institut auch die Deklaration dokumentiert wird, ist es notwendig lesen zu können, was auf den Produkten steht. Die Probandinnen, die die unterschiedlichen Cremes getestet haben, bekamen diese aber jeweils in neutralen Tiegeln und wussten deshalb nicht, welche Creme sie testeten. Dass die Frauen die Cremes schon am ersten Tag gleich sechsmal hätten auftragen müssen, stimmt nicht. Sie haben sie jeweils morgens und abends aufgetragen, so, wie jede normale Hautcreme genutzt wird.
Neutralität der Prüfinstitute
Vorwurf: Die Institute testeten Produkte dann besser, wenn die Produzenten ihnen vorher Entwicklungsaufträge erteilt hätten.
Tatsache: Alle von der Stiftung Warentest beauftragten Prüfinstitute müssen sich verpflichten, dass sie keine Produkte untersuchen, an deren Entwicklung sie beteiligt waren. Das gilt auch für die in der Welt am Sonntag genannten Institute. Richtig ist, dass die von der Stiftung Warentest beauftragten Prüfinstitute auch Prüfaufträge von Herstellern und anderen Testveranstaltern annehmen. Die Stiftung achtet jedoch darauf, dass die Institute nicht von einem Hersteller abhängig sind; auch dies müssen die Institute schriftlich bestätigen.
Vorwurf: Bei Saft-Tests forderten einige Handelsketten ein Gutachten vom Test-Labor, um sich abzusichern, dass dann auch der nächste Stiftung-Warentest-Bericht nicht zu schlecht ausfällt.
Tatsache: In vielen Branchen orientiert man sich inzwischen bei der Produktentwicklung und Qualitätssicherung an den Prüfprogrammen der Stiftung Warentest. Das ist im Sinne des Verbraucherschutzes positiv zu bewerten, da so die Qualität der in Deutschland verkauften Produkte steigt. Es ist durchaus möglich (und nicht zu beanstanden), dass Saftanbieter auch Prüfaufträge an das Labor vergeben haben, die sich am Prüfprogramm der Stiftung Warentest orientieren. Das Labor arbeitet jedoch nicht an der Entwicklung von Produkten, also auch nicht der von Fruchtsäften. Es testet unabhängig und objektiv und lebt, wie viele andere Prüfinstitute auch, nicht allein von Aufträgen der Stiftung Warentest. Um Interessenkollisionen zu vermeiden, verpflichten sich die beauftragten Prüfinstitute, dass sie während eines Tests für die Stiftung Warentest nicht für einen Anbieter im Test die gleichen Produkte untersuchen.
Transparenz der Tests
Vorwurf: Die Stiftung lege nicht transparent genug dar, wie sie arbeite.
Tatsache: Es gibt keine Testorganisation, die ihr Vorgehen so transparent darstellt wie die Stiftung Warentest.
Für die Anbieter: Sobald ein Produkt anonym im Handel eingekauft wurde, werden die Anbieter informiert und um Stellungnahme darüber gebeten, ob sie das Produkt weiterhin vertreiben oder ob es sich um ein Auslaufmodell handelt. Wenn der Entwurf des Prüfprogramms erstellt wurde, gibt es für jeden einzelnen Test einen sogenannten Fachbeirat, in dem Anbietervertreter, neutrale Sachverständige (z. B. aus Behörden, Prüfinstituten und Hochschulen) und Verbrauchervertreter (meistens Experten aus Verbraucherzentralen) einen ganzen Tag lang gemeinsam das Prüfprogramm diskutieren. Anregungen sind der Stiftung dabei von jeder Seite willkommen und werden auch aufgenommen, die letztendliche Entscheidung über das Prüfprogramm liegt allerdings bei der Stiftung Warentest. Das Prüfprogramm erhält jeder in den Test einbezogene Anbieter. Wenn die Produkte in den Prüfinstituten geprüft wurden, erhält jeder Anbieter die für sein Produkt ermittelten Messdaten (nicht unsere Bewertungen) in der sogenannten Anbietervorinformation. Wenn er selbst zu ganz anderen Ergebnissen kommt, kauft die Stiftung Warentest, wo das möglich ist, erneut ein und testet noch einmal nach.
Das Kuratorium, das jedem Test widersprechen kann, besteht drittelparitätisch aus Vertretern der Anbieterseite, neutralen Sachverständigen und Verbrauchervertretern.
Für die Leser: Für jeden Test gibt es in den Zeitschriften test und Finanztest einen Kasten bzw. auf test.de eine Rubrik „So haben wir getestet“ (Beispiel). Hier wird genau dargelegt, was und wie getestet wurde und wie sich die einzelnen Bewertungen zusammensetzen, z.B. mit wie viel Prozent Sensorik, Deklaration, Sicherheit oder Handhabung in das Qualitätsurteil eingeflossen sind. So kann jeder Leser nachvollziehen, wie sich das test-Qualitätsurteil zusammensetzt.
Siehe auch: Testablauf – So testet die Stiftung Warentest
Quelle: Stiftung Warentest