Nachhaltigkeitspreise: Ernährungsbranche schöpft Potenzial noch nicht aus

Awards bei Verbrauchern noch weitgehend unbekannt. Expertin der Universität Hohenheim plädiert für mehr Transparenz.

Viele Unternehmen der Ernährungsbranche engagieren sich in Sachen Nachhaltigkeit – und das möchten sie auch nach außen darstellen. Eines der Instrumente dazu sind Nachhaltigkeits-Awards. Mit ihnen lässt sich vor allem das Unternehmens-Image aufbessern, bei den Verbrauchern sind sie noch kaum bekannt. Das liegt daran, dass die Nachhaltigkeitspreise noch in den Kinderschuhen stecken, meint die Ökonomin Dr. Beate Gebhardt von der Universität Hohenheim. Ihr Buch zum Thema ist kürzlich erschienen.

Sie sind noch eine recht junge Form der Nachhaltigkeits-Kommunikation: Die Zahl der Nachhaltigkeitspreise in Deutschland nimmt – angeschoben von den UN-Konferenzen in Rio de Janeiro 1992 und Johannesburg 2002 – erst seit 2007 spürbar zu. Seitdem aber wird jedes Jahr mindestens ein neuer Wettbewerb ausgeschrieben. Die Vergabeinstitutionen wollen damit Vorbilder nachhaltigen Wirtschaftens hervorheben  und zur Nachahmung motivieren.

„In der Ernährungsbranche sind Awards mittlerweile ein beliebter Bestandteil der Nachhaltigkeits-Kommunikation“, erklärt Dr. Beate Gebhardt vom Fachgebiet Agrarmärkte und Agrarmarketing an der Universität Hohenheim. „Vor allem bei den großen Unternehmen: 16 der 20 Marktführer sind heute in irgendeiner Form als nachhaltig ausgezeichnet.“

Verbraucher kennen Awards kaum

Bei den Unternehmen sind einzelne Nachhaltigkeitspreise recht bekannt. „Viele Verbraucher kennen jedoch keinen einzigen Nachhaltigkeitspreis“, sagt Dr. Gebhardt. „Verbrauchern sind eher die Labels wie Bioland oder Fairtrade ein Begriff.“

Doch gleich ob Siegel, Ranking oder Award – im Lebensmittelbereich spielen bei der Kaufentscheidung ethische Aspekte ohnehin für viele nur eine flankierende Rolle. „Doch das Interesse an diesen Informationen steigt in der Öffentlichkeit deutlich. Verbraucher fühlen sich oft orientierungslos“, stellt Dr. Gebhardt fest.

Sinnvolles Instrument für ein besseres Image

Positive Effekte haben Nachhaltigkeitspreise auf die Zusammenarbeit mit Geschäftspartnern, auf die Motivation der eigenen Mitarbeiter und allgemein die Sympathie unter den Kunden. „Kurz: Das Unternehmen kann damit sein Nachhaltigkeits-Image verbessern“, so die Expertin. „Und das gilt insbesondere, wenn die Auszeichnung von unabhängigen Einrichtungen mit hoher Reputation vergeben wird.“

Ein Vorteil von Awards gegenüber anderen Formen der Nachhaltigkeits-Kommunikation bestehe in der Limitierung: „Einen Preis bekommt nicht jeder. Und er stellt eine gute Story für die Medien dar, denn Awards sorgen für Aufmerksamkeit.“

Zudem basieren sie auf einem Vergleich mit anderen, was für Übersicht sorgt. „Sie sind ein einfaches und eindeutiges Signal: Das ist der Gewinner! Und diese Form kommt den Verbrauchern sehr entgegen, die nach Schlüsselinformation suchen“, erklärt Dr. Gebhardt.

Nachhaltigkeitspreise haben Schwachstellen

Doch um das Instrument der Nachhaltigkeitspreise weiter auszubauen, müssen zunächst die Schwachstellen angegangen werden:

  • Mangelnde Transparenz der Kriterien: Bei vielen Preisen sind die Vergabekriterien kaum nachvollziehbar und vage formuliert. „Eine geringe bis mittlere Transparenz der Vergabekriterien ist für die meisten Nachhaltigkeitspreise kennzeichnend“, erklärt Dr. Gebhardt.
  • Verbraucher kaum angesprochen: Als Zielgruppe gelten bei einem Award die Verbraucher und die Öffentlichkeit. „Diese wird aber bisher viel zu wenig angesprochen, und zwar weder von den Vergabeinstitutionen noch von den Unternehmen“, gibt Dr. Gebhardt zu bedenken.
  • Großer Freiheitsgrad: In der Regel können sich die Unternehmen selbst für einen Nachhaltigkeits-Award bewerben – und haben dabei selbst in der Hand über welches Engagement sie berichten. „Dieser Freiheitsgrad bedeutet, dass für den Award nicht unbedingt das tatsächliche, gesamte Engagement des Bewerbers herangezogen wird.“
  • Relative Exzellenz: Selbst der gleiche Award kann von Jahr zu Jahr eine unterschiedliche Aussagekraft haben. „Das Teilnehmerfeld ändert sich jedes Mal. Dadurch kann das Niveau in einem Jahr höher, im anderen niedriger liegen. Vergleiche zwischen den Jahren sind damit bei vielen Nachhaltigkeitspreisen nicht möglich. Und die Exzellenz, die ein solcher Preis zum Ausdruck bringt, ist immer nur relativ.“

Vergabe-Organisationen sollten sich vernetzen

„Für Unternehmen, die sich um eine Teilnahme an einen Nachhaltigkeitswettbewerb bewerben möchten, ist allerdings bereits heute das Angebot unübersichtlich“, meint Dr. Gebhardt. Bedenken solle man außerdem, dass für kleine und mittlere Unternehmen der Zeitaufwand und personelle Einsatz für eine Bewerbung ohnehin ein Problem ist: „Je größer die Vorgaben und die geforderten Daten und Nachweise werden, desto weniger können sich die kleineren Unternehmen beteiligen.“

Um all diese Herausforderungen zu meistern, sollten sich die Vergabe-Organisationen besser vernetzen und miteinander sprechen, empfiehlt Dr. Gebhardt. Die Initiative dazu ergreifen könnten NGOs, die Wissenschaft oder staatliche Einrichtungen. „Ziel eines solchen Prozesses könnte ein Standard sein, der extern Nachhaltigkeitspreise auf ihre Qualität bewertet – in Großbritannien gibt es das bereits. Das würde die Glaubwürdigkeit der Awards fördern.“

Die Wissenschaftlerin sieht zudem noch Forschungsbedarf bei einen wichtigen Punkt: „Bisher ist noch nicht untersucht, welche Effekte Nachhaltigkeitspreise haben – ob sie überhaupt zu mehr Nachhaltigkeitsengagement motivieren.“

Weitere Awards haben noch Platz im Markt

Doch grundsätzlich sehen sowohl Vergabe-Organisationen als auch Unternehmen noch reichlich Potenzial. „Im Augenblick gibt es noch Platz für weitere Awards. Viele Vergabeinstitutionen sind der Ansicht, dass mehr Konkurrenz den Wettbewerb beleben und damit auch die Qualität der Wettbewerbe verbessern könnte“, erklärt Dr. Gebhardt.

Schließlich glänzen zwar bereits zahlreiche Marktführer mit ihren Auszeichnungen, doch die vielen kleinen und mittleren Unternehmen in der Ernährungsbranche hätten auch noch so manchen Nachhaltigkeitspreis verdient.

Buch-Neuerscheinung zum Thema

Gebhardt, Beate: Ausgezeichnet! – Nachhaltigkeitspreise für Unternehmen der deutschen Ernährungswirtschaft. Nachhaltigkeits-Management – Studien zur nachhaltigen Unternehmensführung, Band 27, Hamburg 2016, 278 Seiten, ISBN 978-3-8300-8586-7

Text: Elsner
Universität Hohenheim
Pressestelle
70593 Stuttgart
Tel.: 0711 459-22003
Fax: 0711 459-23289

Pressekontakt:
Dr. Beate Gebhardt, Fachgebiet Agrarmärkte und Agrarmarketing
T 0711 459 22612
Beate.Gebhardt@uni-hohenheim.de

Quelle: Uni Hohenheim

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