Um zu untersuchen, ob gesundheitsbezogene Angaben und Symbole das Kaufverhalten beeinflussen, muss man wissen, ob Verbraucher gesundheitsbezogene Angaben auf Lebensmittelverpackungen überhaupt wahrnehmen. Dazu reicht eine normale Befragung jedoch nicht aus, weil wir uns nicht unbedingt daran erinnern, wie wir Lebensmittelverpackungen wahrnehmen. Mit Hilfe von Eye-Tracking können Forscher untersuchen, welche Teile einer Lebensmittelverpackung die Verbraucher ansehen und ob sie gesundheitsbezogene Angaben und Symbole wahrnehmen.
Eye-Tracking im Überblick
Mit der Eye-Tracking-Technik werden Position und Bewegung des Auges gemessen. Die Teilnehmer tragen Spezialbrillen, die an Kopfform und Bewegungen angepasst sind und aufzeichnen, wie lange sie wohin sehen und wohin ihr Blick sich bewegt. Wenn jemand beispielsweise ein Poster ansieht, erkennen wir durch Eye-Tracking, dass er zuerst auf die rote Überschrift und dann auf das Gesicht der abgebildeten Person geblickt hat. Mit Hilfe anderer Verfahren wie Fragebögen versuchen die Forscher herauszufinden, warum Menschen Dinge auf eine bestimmte Weise betrachten.
Eyetracker bieten den Vorteil, dass Studien außerhalb des Labors möglich sind, weil die Brillen eine große Mobilität erlauben. Bei der Verwendung von Eyetrackern gibt es aber auch ein paar Probleme, zum Beispiel, wenn der Teilnehmer eine normale Brille trägt oder stark geschminkt ist. Eye-Tracking erzeugt gewaltige Datenmengen, die von Experten in diesem Verfahren sorgfältig verarbeitet werden müssen. Dies ist sehr zeitaufwändig und ressourcenintensiv.
Außerdem sagt uns das Verfahren nur, wohin jemand blickt, nicht, was er dabei denkt oder warum er sich für ein bestimmtes Produkt entscheidet. Darum wird Eye-Tracking meist mit anderen Forschungsverfahren kombiniert. Trotzdem ist es eine hervorragende Methode zur Analyse des Verbraucherverhaltens, weil wir uns oft gar nicht bewusst sind, wie lange wir wohin blicken. Deshalb könnten wir in einem Fragebogen auch keine korrekten Angaben machen.
Eye-Tracking im Test-Supermarkt
Im Projekt CLYMBOL haben wir mit Hilfe von Eye-Tracking in einem Test-Supermarkt untersucht, wie Verbraucher gesundheitsbezogene Angaben in einer Einkaufssituation wahrnehmen. Um die theoretische These zu überprüfen, ist es wichtig, eine reale Situation möglichst genau zu simulieren.
Das wirkliche Verhalten kann sich von der Antwort auf theoretische Fragen (z. B. „Wonach suchen Sie auf Lebensmittelverpackungen?“) unterscheiden, weil die Teilnehmer gar nicht bewusst wahrnehmen, wie lange sie auf welche Aspekte schauen.
Um zu analysieren, wie Menschen sich beim Einkaufen verhalten, muss man sie in einer realistischen Situation beobachten, d. h. in einem Supermarkt. Studien in einem normalen Supermarkt sind jedoch oft nicht möglich. Supermärkte wollen möglicherweise nicht, dass ihre Kunden gestört werden, oder der Supermarkt ist zu voll. Test-Supermärkte sehen wie normale Supermärkte aus und die Forscher können kontrollieren, welchen Reizen die Studienteilnehmer ausgesetzt sind. Im Idealfall werden für das Experiment echte Lebensmittel verwendet, die von den Forschern dann abgewandelt werden, z. B. durch Änderungen am Design der Verpackung.
Wie wir gesundheitsbezogene Angaben wahrnehmen
Um genauer zu untersuchen, ob Bilder eher auf gesundheitsbezogene Angaben aufmerksam machen, führten CLYMBOL-Forscher der Corvinus-Universität Budapest eine Eye-Tracking-Studie durch, mit der sie analysierten, auf welche Elemente Verbraucher wie lange blicken.
Die Forscher interessierten sich zusätzlich für den Einfluss von Gesundheitszielen und baten alle Teilnehmer, speziell für einen älteren Menschen einzukaufen.
Eine Teilnehmergruppe sollte Lebensmittel auswählen, die allgemein die Gesundheit von älteren Menschen fördern, die andere Gruppe sollte Lebensmittel mit einem bestimmten gesundheitlichen Nutzen kaufen, z. B. Produkte, die das Immunsystem oder den Knochenaufbau stärken. Mit Hilfe des Eye-Tracking konnten die Forscher zeigen, dass die Angaben von den Probanden ausreichend wahrgenommen wurden und keine unterstützenden Bilder benötigten.
Die Ergebnisse haben gezeigt, dass die Gestaltung der Angaben wichtiger ist als die Gestaltung des Bildes auf der Verpackung. Die Teilnehmer betrachteten die Angaben häufiger und länger als das Bild. Außerdem sahen sie meist zuerst auf die Angaben und dann erst auf das Bild. Diese Ergebnisse überraschten die Forscher, die das Gegenteil erwartet hatten.
Die Forscher zeigten manchen ungarischen Teilnehmern außerdem andere Bilder auf den Lebensmittelpackungen als anderen. Manche sahen nur Verpackungen ohne Bild, andere Verpackungen mit Bildern, die sich auf den Geschmack oder die Gesundheit allgemein bezogen, und dritte sahen Lebensmittel mit einem auf die Angaben bezogenen Bild.
Die Teilnehmer sollten Produkte aus vier Kategorien (Getreideflocken, Jogurt, Fischprodukte und Getränke) in einem virtuellen Supermarkt untersuchen und sich dann für jeweils ein Produkt entscheiden.
Einfluss der Bekanntheit von gesundheitsbezogenen Angaben
Wir wissen bereits, dass gesundheitsbezogene Angaben in einer normalen Einkaufssituation klar und leicht verständlich formuliert sein sollten.
Die Ergebnisse der CLYMBOL-Studie haben gezeigt, dass Verbraucher den Gesundheitsversprechen eher vertrauen, wenn ihnen die Angaben bekannt sind, d. h. wenn sie lesen „Vitamin C“ und die Funktion „Straffung der Haut“, als wenn abstrakte Begriffe verwendet werden.
Dieses stärkere Vertrauen erhöht auch die Neigung zum Kauf. Wie Forscher der Universität des Saarlandes herausgefunden haben, sollten die Angaben aber auch in gewissem Umfang neue Informationen enthalten. Wenn die Angaben zu vertraut sind („mit Vitamin C – zur Stärkung des Immunsystems“) sinkt die Aufmerksamkeit der Probanden und sie entscheiden sich eher für ein anderes Produkt. Daher sollten Angaben durch neue Informationen ergänzt werden, die die Aufmerksamkeit wach halten und dem Gewöhnungseffekt entgegenwirken.
Nachdem Forscher der Universität des Saarlandes Studienteilnehmer „präpariert“ (d. h. beeinflusst) hatten, indem sie ihnen vor dem Testeinkauf Werbung für ein gesundes Frühstück zeigten, nahmen die Teilnehmer die gesundheitsbezogenen Angaben auf Lebensmittelverpackungen stärker wahr.
Dies ist ein erster Hinweis darauf, dass eine Einkaufsumgebung, die für gesunde Ernährung wirbt, zum Kauf gesünderer Produkte führen kann. Außerdem zogen die präparierten Probanden vertraute Informationen („mit Vitamin C – für eine straffe Haut“) weniger bekannten Angaben („mit Ascorbinsäure – für einen normalen Kollagenaufbau der Dermis“) vor.
Dazu wurden Studienteilnehmern in einem Test-Supermarkt in Deutschland gesundheitsbezogene Angaben in unterschiedlichen Versionen präsentiert. Die Daten wurden mit Hilfe von Eye-Tracking und Fragebögen erhoben. Dabei wurde die Bezeichnung des Nährstoffs verändert („Vitamin C“ bzw. „Ascorbinsäure“) sowie dessen Funktion („straffe Haut“ bzw. „Kollagenaufbau der Dermis“).
Die in der Studie verwendeten gesundheitsbezogenen Angaben
- „Mit Vitamin C – zur Stärkung des Immunsystems“
- „Mit Vitamin C – für eine straffe Haut“
- „Mit Ascorbinsäure – für einen normalen Kollagenaufbau der Dermis“
Weitere Informationen: Website des Projekts CLYMBOL
CLYMBOL – Bedeutung gesundheitsbezogener Angaben und Symbole für das Verbraucherverhalten – wurde mit Mitteln aus dem Siebten Forschungsrahmenprogramm der Europäischen Union gefördert (Vertrag Nr. 311963).
Quelle: EUFIC EU-Projekte – Sonderausgabe 06/2016