Europäisches Patentamt trifft sich mit Industrie wegen Patenten auf Saatgut – unter Ausschluss der Öffentlichkeit

Ausschuss Patentrecht diskutiert über Verbot der Patentierung konventioneller Züchtung von Pflanzen und Tieren.

Morgen trifft sich der Ausschuss Patentrecht des Europäischen Patentamtes (EPA) in München, um darüber zu beraten, wie Patente auf die konventionelle Züchtung von Pflanzen und Tieren in Zukunft verhindert werden können. Das Treffen ist eine Reaktion auf eine Stellungnahme der EU-Kommission, nach der Patente lediglich auf gentechnische Veränderungen nicht aber auf konventionell gezüchtete Pflanzen und Tiere erteilt werden dürfen. Diese Stellungnahme wird auch von den EU-Mitgliedsländern unterstützt, die eine Mehrheit unter den 38 Vertragsstaaten des EPA haben.

Nachdem das EPA in den letzten Jahren bereits rund 200 Patente erteilt hat, die die konventionelle Züchtung von Pflanzen betreffen, muss diese Rechtspraxis jetzt geändert werden. Ob es jedoch zu ausreichenden Veränderungen kommen wird, muss bezweifelt werden. Ein Grund: Am Treffen des Ausschusses nehmen auch die Industrie und die Lobbyorganisation der Patentanwälte teil, die Öffentlichkeit bleibt aber ausgeschlossen.

„Die internationale Koalition ‘Keine Patente auf Saatgut!’ hat bereits im Februar angefragt, ob die Öffentlichkeit zu diesem wichtigen Treffen zugelassen wird. Wir haben keine Antwort erhalten. Gleichzeitig können die Industrie, vertreten durch BUSINESSEUROPE und die Lobbyorganisation der Patentanwälte, epi, die hier ihre eigenen Interessen verfolgen, am Treffen teilnehmen und haben Zugang zu den relevanten Unterlagen“, sagt Katherine Dolan von Arche Noah Österreich. „Das EPA, dessen Bedeutung und Einkommen von der Anzahl der erteilten Patente abhängt, versucht hier offensichtlich seine eigenen Interessen und die Interessen der Industrie vor der Öffentlichkeit zu schützen.“

Es gibt weitere gute Gründe an der Bereitschaft des EPA zu zweifeln: In einem vertraulichen Papier des Präsidenten des EPA, das „Keine Patent auf Saatgut“ vorliegt, werden nur geringfügige Veränderungen vorgeschlagen. Demnach sollen nur solche Pflanzen und Tiere vom Patentschutz ausgenommen werden, die ausschließlich aus einer Kombination von Kreuzung und Selektion stammen, andere konventionell gezüchtete Pflanzen und Tiere nicht. Wie eine aktuelle Recherche von ‘Keine Patente auf Saatgut!’ zeigt, könnte dieses Verbot mühelos durch eine gezielte Formulierung von Patentansprüchen umgangen werden:

„Konventionelle Züchtung ist weit mehr als eine Kombination von Kreuzung und Selektion. Die Auswahl und Verwendung von genetischen Besonderheiten und Zufallsmutationen werden in der Pflanzenzucht ebenso eingesetzt wie Verfahren zur Vermehrung von Pflanzen ohne zusätzliche Kreuzung“, sagt Christoph Then für ‘Keine Patente auf Saatgut!’ „Unsere Recherche zeigt, dass etwa 65 % der Patente, die 2016 im Bereich konventioneller Züchtung erteilt wurden, auf Zufallsmutationen beruhen. Diese wären auch in Zukunft patentierbar, wenn der Vorschlag des Präsidenten des EPA angenommen würde.“

Ein Beispiel dafür, wie diese Schlupflöcher bereits genutzt werden, sind Patente auf Bier der Firmen Carlsberg und Heineken, die 2016 vom EPA erteilt wurden. Ausgehend von zufälligen Mutationen werden alle Gerstenpflanzen beansprucht, die eine bestimmte Brauqualität haben. Zudem werden auch das Brauen und das Bier selbst als Erfindung beansprucht. Gegen diese Patente wurden inzwischen in mehreren Europäischen Ländern Protestaktionen gestartet.

In einem Positionspapier, das an die Mitglieder des Ausschusses Patentrecht verschickt wurde, hat ‘Keine Patente auf Saatgut!’ deswegen drei Kernforderungen formuliert:

  • Das EPA muss klarstellen, dass alle Verfahren, die in der konventionellen Züchtung eingesetzt werden, von der Patentierung ausgenommen werden, darunter auch die Verwendung von zufälligen Mutationen und alle Einzelschritte wie die Auswahl oder die Vermehrung von Pflanzen und Tieren.
  • Das EPA muss klarstellen, dass alle „Produkte“, die in der konventionellen Züchtung verwendet oder mit deren Hilfe gewonnen werden, vom Verbot der Patentierung erfasst werden. Dazu gehören auch Teile von Pflanzen und Tieren und deren genetischen Grundlagen.
  • Im Bereich der Züchtung von Pflanzen und Tieren darf kein „absoluter Stoffschutz“ gewährt werden, der es erlauben würde, die Reichweite von Patenten, die im Bereich Gentechnik erteilt werden, auf Pflanzen und Tiere mit ähnlichen Merkmalen auszuweiten.

Im Ergebnis fordert ‘Keine Patente auf Saatgut!’, dass die zukünftige Praxis des EPA für konventionelle Züchter eine vergleichbare Rechtssicherheit bietet, wie dies im Sortenschutzrecht im Rahmen des „Züchterprivilegs“ üblich ist: Solange ein Züchter keine gentechnischen Verfahren oder gentechnisch veränderte Pflanzen oder Tiere verwendet, muss er sich auch nicht um Patente kümmern.

Es wird erwartet, dass sich die 38 Vertragsstaaten des EPA, zu denen auch die Mitgliedsländer der EU gehören, im Juni 2017 in einer Sitzung des Verwaltungsrates des EPA treffen werden. Dabei könnten sie auch eine Entscheidung darüber treffen, wie die Verbote des Patentrechts in Zukunft ausgelegt werden. Die Entscheidung kann mit einer Zweidrittel-Mehrheit der Delegierten getroffen werden.

Kontakte:
Katherine Dolan, Arche Noah: Tel +43 (0) 676 557 4408
katherine.dolan@arche-noah.at

Christoph Then, Sprecher für ‘Keine Patente auf Saatgut!’, Tel +49 (0) 151 54638040
info@no-patents-on-seeds.org

Johanna Eckhardt, Projektkoordination für ‘Keine Patente auf Saatgut!’
Tel + 43 680 2126 343
johanna.eckhardt@no-patents-on-seeds.org

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Quelle und Pressekontakt:
no-patents-on-seeds
Frohschammerstr. 14, München, 80807