600 „Erfrischungsgetränke“ im Test: Im Schnitt sechs Würfelzucker pro Glas
Der Zuckergehalt ist seit 2016 praktisch nicht gesunken. foodwatch fordert „Limo-Steuer“ nach dem Vorbild Großbritanniens.
Mehr als jedes zweite „Erfrischungsgetränk“ ist überzuckert – obwohl viele Hersteller und Händler angekündigt haben, den Zuckergehalt in ihren Produkten zu senken. Das ist das Ergebnis einer umfassenden foodwatch-Marktstudie, die die Verbraucherorganisation am Freitag in Berlin vorgestellt hat. Demnach enthalten 345 von insgesamt 600 untersuchten Getränken (58 Prozent) mehr als fünf Gramm Zucker je 100 Milliliter – das sind mehr als vier Zuckerwürfel pro 250-Millilter Glas.
Damit hat sich der Anteil überzuckerter Getränke auf dem deutschen Markt seit einer ersten Marktstudie von foodwatch im Jahr 2016 praktisch nicht verändert. Damals enthielten 59 Prozent der Getränke mehr als fünf Gramm Zucker je 100 Milliliter. foodwatch forderte Ernährungsministerin Julia Klöckner auf, eine „Limo-Steuer“ wie in Großbritannien einzuführen. Dort werden Getränke mit einem Anteil von mehr als fünf Prozent Zucker seit diesem Jahr mit einer Sonderabgabe belegt. Ein Großteil der Hersteller auf dem britischen Markt hat deshalb den Zuckergehalt seiner Getränke deutlich reduziert. In Deutschland lehnt Julia Klöckner eine steuerliche Regel bisher ab und setzt stattdessen auf freiwillige Vereinbarungen mit der Lebensmittelindustrie.
„Zucker liefert nicht nur ‚leere Kalorien‘ ohne Mineralien und Mikronährstoffe, sondern trägt unmittelbar zur Entstehung einer Fettleber und Insulinresistenz bei“, sagte Prof. Dr. Andreas Pfeiffer, Direktor der Abteilung Endokrinologie, Diabetes und Ernährungsmedizin der Charité Berlin. „Kinder nehmen relativ zum Körpergewicht noch mehr Zucker mit Limonaden auf als Erwachsene. Die Zuckerreduktion ist nach weltweiter Erfahrung nur durch gesetzliche Maßnahmen erfolgreich.“
foodwatch hat zum zweiten Mal den deutschen Markt der sogenannten Erfrischungsgetränke untersucht und dafür alle auffindbaren Produkte aus dem Sortiment der drei größten Handelsketten Edeka, Rewe und Lidl auf Zuckergehalt und enthaltene Süßstoffe geprüft. Insgesamt wurden 600 Limonaden, Cola-Getränke, Energy Drinks, Saftschorlen, Brausen, Eistees, Near-Water- und Fruchtsaftgetränke unter die Lupe genommen. Im Schnitt enthalten die zuckergesüßten Getränke heute 7,3 Prozent Zucker oder sechs Stück Würfelzucker je 250 Milliliter – das ist nur minimal weniger als 2016 (7,5 Prozent).
„Unsere Marktstudie beweist: Coca-Cola und Co. haben in Deutschland bisher kaum Anreize, den Zuckergehalt in ihren Getränken zu senken“, sagte Luise Molling von foodwatch. „Der Kuschelkurs von Ernährungsministerin Julia Klöckner, die Lebensmittelindustrie freiwillig zu einer Zuckerreduktion zu bewegen, ist zum Scheitern verurteilt. Wenn es Frau Klöckner ernst meint mit der Förderung gesunder Ernährung, muss sie eine Limo-Steuer nach britischem Vorbild auf den Weg bringen, die sowohl zucker- als auch süßstoffgesüßte Getränke umfasst.“
Einige Ergebnisse der foodwatch-Marktstudie im Überblick
Die bei Kindern und Jugendlichen beliebten Energy Drinks weisen im Schnitt den höchsten Zuckergehalt auf (8,2 Prozent). Das zuckrigste Produkt auf dem deutschen Markt ist der Energy Drink „Monster Energy Assault“, vertrieben vom Marktführer Coca-Cola: Er enthält 83 Gramm Zucker beziehungsweise 27-einhalb Zuckerwürfel pro 500-Milliliter-Dose.
Gut ein Drittel (220) der untersuchten Getränke enthält mehr als 8 Prozent Zucker, also etwa sechseinhalb Zuckerwürfel pro Glas. Der Anteil dieser stark überzuckerten Getränke am Gesamtangebot ist mit 37 Prozent genauso hoch wie 2016.
Erfrischungsgetränke, die weder Zucker noch Süßstoffe enthalten, werden auf dem deutschen Getränkemarkt nach wie vor kaum angeboten: 2016 gab es gerade einmal sechs solcher Produkte (ein Prozent des Angebots), 2018 sind es nur 13 Produkte (zwei Prozent des Angebots).
Knapp einem Drittel (195) der untersuchten Getränke sind Süßstoffe zugesetzt. Laut foodwatch sind jedoch auch Getränke mit Süßstoffen keine gesunden Durstlöscher. Es gebe Hinweise darauf, dass auch süßstoffgesüßte Getränke die Entstehung von Fettleibigkeit und Typ-2-Diabetes fördern könnten.
Zuckergesüßte Getränke gelten laut der Weltgesundheitsorganisation als „eine der Hauptursachen“ für die Entstehung von Adipositas (Fettleibigkeit) und Typ-2-Diabetes. Aktuell sind etwa 6,7 Millionen Menschen in Deutschland an Typ-2-Diabetes erkrankt und etwa jeder vierte Erwachsene gilt als fettleibig. Allein durch Fettleibigkeit entstehen in Deutschland jährlich etwa 63 Milliarden Euro Folgekosten.
Die Bundesregierung arbeitet derzeit an einer „Nationalen Strategie zur Reduktion von Zucker, Salz und Fett in Fertigprodukten“. Sie soll gemeinsam mit der Lebensmittelwirtschaft und dem Lebensmitteleinzelhandel auf freiwilliger Basis umgesetzt werden. Steuerliche Anreize für eine Reduktion von Zucker, Fett und Salz lehnt die Bundesregierung jedoch bislang ab.
In Großbritannien müssen Hersteller seit April 2018 eine Abgabe für Getränke bezahlen, die mehr als 5 Gramm Zucker je 100 Milliliter enthalten, bei mehr als 8 Gramm wird eine höhere Abgabe fällig. Ein Großteil der Hersteller und auch mehrere Handelsketten haben deshalb den Zuckergehalt ihrer Softdrinks reduziert. Der Marktführer Coca-Cola hat den Zuckergehalt seiner Softdrinks Fanta und Sprite in Großbritannien beispielsweise von 6,9 beziehungsweise 6,6 Gramm auf 4,6 beziehungsweise 3,3 Gramm gesenkt. In Deutschland hingegen enthalten Fanta und Sprite noch mehr als 9 Gramm Zucker.
Downloads:
- foodwatch-Marktstudie 2018: „So überzuckert sind Erfrischungsgetränke in Deutschland – immer noch“ (PDF, 1.6 MB)
- Factsheet zu den Gesundheitsgefahren durch Erfrischungsgetränke (PDF, 298 KB)
- Pressestatement von Dr. Kai Kolpatzik, Leiter der Abteilung Prävention im AOK-Bundesverband (PDF, 160 KB)