Wenn das Zahnfleisch schmerzt: Diabetes und Parodontitis können zusammenhängen

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Auf den ersten Blick scheint die Stoffwechselerkrankung Diabetes mellitus mit Entzündungen des Zahnfleischs und Zahnhalteapparats nichts gemeinsam zu haben.

Doch tatsächlich können sie sich gegenseitig beeinflussen: Unabhängig vom Diabetestyp schwächen dauerhaft zu hohe Glukosewerte die Widerstandskraft des gesamten Zahnhalteapparates. Sie machen ihn anfälliger für Infektionen und Entzündungen und fördern somit das Entstehen und Fortschreiten einer Zahnfleischentzündung oder Parodontitis. Eine Parodontitis wiederum kann nicht nur bei ausbleibender Behandlung zur Lockerung von Zähnen bis hin zum frühzeitigen Zahnverlust führen, sondern darüber hinaus auch die Stoffwechsellage negativ beeinflussen. Daher ist für Menschen mit Diabetes Typ 1 oder Typ 2 wichtig, regelmäßig zur zahnärztlichen Kontrolle zu gehen, um Zähne und Zahnhalteapparat untersuchen zu lassen.

Umgekehrt sollte zahnmedizinisches Fachpersonal Patienten mit Parodontitis und Übergewicht auch auf die Möglichkeit eines bestehenden Typ-2-Diabetes aufmerksam machen. Wie beide Erkrankungen früh erkannt und weiteren gesundheitlichen Folgen vorgebeugt werden kann, erklärt Prof. Dr. Dirk Ziebolz, M.Sc. vom Universitätsklinikum Leipzig im nächsten Experten-Chat, den die gemeinnützige Organisation diabetesDE – Deutsche Diabetes-Hilfe in Kooperation mit meridol® am 12. November 2020 anbietet. Fragen können ab sofort eingesendet werden.

Der Wilhelm Busch zugeschriebene Sinnspruch „An jedem Zahn hängt ein ganzer Mensch“ spiegelt auch heute noch wider, wie sehr die Mundgesundheit das menschliche Wohlbefinden beeinflusst. Doch trotz der heutigen Möglichkeiten moderner Zahnmedizin und Mundhygienemaßnahmen sind in Deutschland Millionen Menschen von chronischen Entzündungen des Zahnfleischs und Zahnhalteapparats (sog. Parodontitis) betroffen. Das liegt unter anderem daran, dass solche chronischen Erkrankungen – wie die Parodontitis als auch Diabetes Typ 2 – häufig zunächst ohne Beschwerden beginnen und lange Zeit unbemerkt verlaufen. Zudem nehmen viele Menschen erste Symptome wie Mundgeruch, Zahnfleischbluten oder Zahnfleischrückgang nicht ernst. Häufig suchen sie erst bei Schmerzen oder gelockerten Zähnen ihren Zahnarzt auf.

„Das persönliche Mundhygieneverhalten hat sich in den letzten Jahrzehnten deutlich verbessert, dennoch weisen gerade viele Menschen mit Diabetes Typ 1 oder Typ 2 eine Parodontitis auf“, sagt diabetesDE-Chat-Experte Prof. Dr. Dirk Ziebolz, M.Sc.. „Über längere Zeit hinweg erhöhte Glukosewerte schwächen nicht nur die Immunabwehr, sondern fördern auch die Ansammlung von Bakterien auf den Zähnen und dem Zahnhalteapparat, umgangssprachlich auch Plaque genannt. Diese Plaque-Bakterien führen nachfolgend zu ausgeprägten Entzündungen, welche langfristig die Zähne lockern können“, erklärt der Oberarzt im Funktionsbereich Interdisziplinäre Zahnerhaltung und Versorgungsforschung der Poliklinik für Zahnerhaltung und Parodontologie des Universitätsklinikums Leipzig. Darüber hinaus haben viele Menschen mit Diabetes auch Durchblutungs- und Wundheilungsstörungen. Das Immunsystem Betroffener kann entsprechend Plaque-Bakterien schlechter abwehren.

So ist für Menschen mit Diabetes neben einer guten Blutzuckereinstellung auch eine gute persönliche häusliche Mundhygiene und regelmäßige professionelle zahnmedizinische Betreuung und Kontrolle sehr wichtig. Bei Neigung zu Entzündung des Zahnfleischs (Blutung) und des Zahnhalteapparates (Parodontitis) empfiehlt es sich, Mundpflegeprodukte (Zahnpasten und Mundspüllösungen) mit antibakteriellen Inhaltsstoffen zu verwenden: „Eine Zahnpasta mit wirksamen antibakteriellen Inhaltsstoffen, vornehmlich Fluoride bzw. fluoridhaltig, kann die Plaque-Neubildung hemmen und so den natürlichen Heilungsprozess des Zahnfleischs unterstützen. Die zusätzliche Verwendung einer kurzfristig eingesetzten Mundspülung mit antibakterieller Wirkung verbessert die Plaque-Kontrolle an schwer zu erreichenden Stellen ergänzend.”

Um die Parodontitis-Entstehung und Folgeschäden wie zum Beispiel Zahnverlust zu vermeiden, ist eine gezielte Vorsorge und Früherkennung wichtig, betont Ziebolz: „Menschen mit einem bereits diagnostizierten Diabetes Typ 1 oder Typ 2 raten wir, zweimal jährlich zur zahnärztlichen Kontrolle zu gehen und sich dabei gegebenenfalls zur Mundhygiene beraten und schulen zu lassen. Wer bislang stoffwechselgesund ist, aber trotz guter täglicher Mundhygiene eine Parodontitis aufweist, sollte sich bei seinem Hausarzt auf Diabetes Typ 2 untersuchen lassen.“

Quelle: diabetesDE