Kultiviertes Fleisch: GFI Europe und EIT Food fördern vier zukunftsweisende Projekte, um die Produktionskosten zu senken

  • Das Good Food Institute Europe und EIT Food fördern vier Projekte für die Weiterentwicklung der Zellkultivierung mit jeweils 100.000 Euro.

  • Unter den Gewinnern ist das deutsche Unternehmen LenioBio aus Düsseldorf, das Wachstumsfaktoren für Nährmedien herstellt

  • Die weiteren Gewinner der Cultivated Meat Innovation Challenge kommen aus Großbritannien, Portugal und Israel

Das Good Food Institute Europe (GFI Europe) und die EU-finanzierte Innovationsagentur EIT Food haben die Gewinner der „Cultivated Meat Innovation Challenge” bekannt gegeben. Ziel des Innovationswettbewerbs ist es, den Prozess der Zellkultivierung so zu verbessern, dass die Produktionskosten weiter gesenkt werden können. Aus 25 Projektvorschlägen aus 14 Ländern wurden nun vier Gewinner ausgewählt. Die Projekte aus Deutschland, Großbritannien, Portugal und Israel erhalten jeweils 100.000 Euro, um ihre Idee innerhalb der kommenden drei Jahre zu realisieren.

Bei kultiviertem Fleisch handelt es sich grundsätzlich um dasselbe Fleisch, das wir heute essen. Es wird jedoch nicht durch das Schlachten von Tieren hergestellt, sondern durch das Vermehren von Zellen in Fermentern, wie sie auch zum Bierbrauen verwendet werden. Hierfür wird einem lebenden Tier eine harmlose Gewebeprobe entnommen, aus der dann Zellen gewonnen werden. Die Zellen werden in eine Nährlösung gegeben, welche die Nährstoffe enthält, die Zellen für ihr Wachstum benötigen. Auf molekularer Ebene ist kultiviertes Fleisch identisch mit Fleisch aus der Tierhaltung – es schmeckt genauso und lässt sich auch so zubereiten, benötigt aber nur einen Bruchteil der Ressourcen: So zeigen Studien, dass die Herstellung von kultiviertem Fleisch bis zu 92% weniger Treibhausgasemissionen verursacht, bis zu 95% weniger Land benötigt und bis zu 78% weniger Wasser verbraucht.

Jüngste Studien zeigen, dass 57% der Menschen in Deutschland kultiviertes Fleisch kaufen würden, bei den Menschen unter 25 Jahren sind es sogar 82%. Eine der größten Herausforderungen, um dieses Potenzial zu heben, stellen aber die derzeit sehr hohen Produktionskosten dar – insbesondere für Nährmedien, die den Zellen als Energiequelle für ihr Wachstum in den Fermentern dienen.

Das Nährmedium ist eine nährstoffreiche Flüssigkeit, in der die Zellen wachsen. Ein wichtiger Bestandteil dieses Nährmediums sind Wachstumsfaktoren. Gegenwärtig sind die Wachstumsfaktoren und somit das Nährmedium als Ganzes ein großer Kostentreiber bei der Herstellung von kultiviertem Fleisch. Um dieses Problem anzugehen, haben GFI Europe und EIT Food im Juni dieses Jahres Unternehmen und Forschungsinstitute dazu aufgerufen, förderfähige Ideen im Rahmen der gemeinsamen Cultivated Meat Innovation Challenge einzureichen. EIT Food ist eine unabhängige Einrichtung der Europäischen Union zur Förderung von Innovationen im Lebensmittelbereich. Eine Jury aus Expert:innen hat die eingereichten Projekte nun bewertet und vier Gewinner auserkoren.

Unter den Gewinnern der Innovation Challenge ist das 2016 in Düsseldorf gegründete deutsche Pharmaunternehmen LenioBio. Das Unternehmen, welches ursprünglich gegründet wurde, um eine schnellere Lösung zur Herstellung von Ebola-Medizin zu finden, nutzt seine Technologie ALiCE®, um nachhaltig und günstig Wachstumsfaktoren für Nährmedien herzustellen. Für die Herstellung nimmt LenioBio schnell wachsende Pflanzenzellen und entfernt alle unnötigen Bestandteile. Übrig bleibt der für die Proteinproduktion zuständige Teil der Zelle, der bereits nach 24 bis 48 Stunden die gewünschte Beschleunigung des Zellwachstums bringt.

LenioBio bietet mit seiner Methode eine rein pflanzliche und gentechnikfreie Quelle für Wachstumsfaktoren. ALiCE® ist nicht nur schnell, sondern lässt sich je nach Nachfrage auch kostengünstig skalieren. Es gibt mehrere Faktoren, mit denen die Kosten für die Produktion von Wachstumsfaktoren gesenkt werden können: Es handelt sich um ein vielseitiges Produkt, mit dem jeder Wachstumsfaktor für jede Spezies in jedem beliebigen Maßstab produziert werden kann. Darüber hinaus sind für die Produktion der Wachstumsfaktoren keine besonderen Geräte oder Techniken erforderlich.

Bei dem Projekt arbeitet LenioBio mit Unternehmen zusammen, die bei der Entwicklung von Nährmedien über breite Erfahrung verfügen. Diese helfen mit ihrer Expertise, aus den Wachstumsfaktoren hochwirksame Nährmedien zu entwickeln. Außerdem umfasst die Kooperation die weitere Skalierung und Kommerzialisierung der Technologie.

Jasper Levink, Chief Business Officer bei LenioBio: „Wir freuen uns sehr über die Förderung unseres Projekts, das gibt uns mehr Spielraum für unsere Forschung. Wir wollen unseren Beitrag dazu leisten, die Herstellung von kultiviertem Fleisch günstiger zu machen, so dass diese nachhaltige Form der Fleischherstellung eine Option für den Massenmarkt wird“.

Drei weitere innovative Projekte werden ebenfalls gefördert:

  • Das britische Start-up 3D Bio-Tissues, eine Ausgründung der Universität Newcastle, stellt eigentlich menschliche Hornhaut für Augentransplantationen her. In Zusammenarbeit mit der Nichtregierungsorganisation New Harvest überträgt das Start-up nun seine Technologie auf die Herstellung von Nährmedien für die Fleischherstellung.
  • Die portugiesische Forschungseinrichtung S2AQUAcoLABOb untersucht, ob Mikroalgen die erforderlichen Stoffe für die Kultivierung von Seafood liefern können. Mikroalgen wachsen in großen Tanks und verfügen insofern über ideale Rahmenbedingungen, um den potenziellen Wachstumsfaktor besonders effizient herzustellen.
  • Das israelische Unternehmen BioBetter gewinnt Wachstumsfaktoren aus Tabakpflanzen, mit denen sich das Zellwachstum fördern lässt – eine Methode, die bereits bei der Herstellung von Impfstoffen und anderen Arzneimitteln zum Einsatz kommt. Tabakpflanzen werden unter freiem Himmel angebaut und können bis zu viermal im Jahr geerntet werden.

Seren Kell, Science and Technology Managerin beim Good Food Institute Europe: „Die Senkung der Produktionskosten ist eine der größten Herausforderungen auf dem Weg zur Marktreife von kultivierten Fleisch. Die Projekte aus der Innovation Challenge werden dabei helfen, die Kosten der Produktion weiter zu reduzieren und kultiviertes Fleisch für alle Menschen erschwinglich zu machen. Indem wir stärker auf nachhaltige Optionen wie kultiviertes Fleisch setzen, können wir die Treibhausgasemissionen unserer Lebensmittelversorgung deutlich verringern.”

Über das Good Food Institute Europe

Das Good Food Institute Europe ist eine internationale Nichtregierungsorganisation, die alternative Proteinquellen vorantreibt, um das globale Ernährungssystem nachhaltiger, sicherer und gerechter zu machen. Das Good Food Institute arbeitet mit Wissenschaft, Unternehmen und Politik daran, pflanzenbasierte und kultivierte Fleisch-, Fisch-, Eier-, Milchprodukte zu fördern, so dass diese schmackhaft, günstig und überall in Europa erhältlich sind. Die Arbeit des Good Food Institute wird vollständig aus Spenden finanziert. Mehr Informationen unter gfieurope.de

Bemerkungen:

Zu den Begriffen „kultiviertes Fleisch” und „Laborfleisch”

Das Good Food Institute verwendet den Begriff „kultiviertes Fleisch”, weil sich die Zellen dabei in einem Fermenter vermehren, die ihnen die Wärme und die notwendigen Nährstoffe bieten. Es gibt auch andere Bezeichnungen für kultiviertes Fleisch, etwa „Clean Meat” oder „In vitro-Fleisch”, die das eigentliche Herstellungsverfahren aber nicht akkurat beschreiben. Besonders irreführend ist der Begriff „Laborfleisch”. In industriellem Maßstab wird kultiviertes Fleisch nicht in einem Labor hergestellt, sondern in einem Fermentor – als Teil einer Anlage, die einer Brauerei ähnelt. Alle Arten von Lebensmitteln werden regelmäßig im Labor untersucht, auch zum Beispiel Cornflakes. Niemand käme deshalb auf die Idee, Cornflakes „Labor-Cornflakes” zu nennen.

Zur Bebilderung von kultiviertem Fleisch

Für Ihre Berichterstattung über kultiviertes Fleisch können Sie unter Angabe der jeweiligen Quelle gerne auf Fotos in unserer Bilddatenbank zurückgreifen. Die Bilder finden Sie hier.

Pressekontakt:
TEAM LEWIS
Andreas Schaaf
E-Mail: goodfoodinstituteGER@teamlewis.com
Tel.: +49 (0) 211 882476 – 25

Quelle: Good Food Institute Europe