Das epigenetische Potenzial einer polyphenol-reichen Mittelmeerdiät entschlüsselt

Warum grünes Gemüse in der Ernährung möglicherweise essentiell ist für eine Lebensstiländerung bei der Behandlung von Adipositas.

Forscher:innen unter der Leitung von Dr. Maria Keller (HI-MAG) und Prof. Iris Shai (Ben-Gurion-Universität)untersuchten die der sog. Grünen Mittelmeerdiät (MED) zugrunde liegenden epigenetischen Effekte. Diese ist reich an pflanzlichen Polyphenolen durch einen erhöhten täglichen Verzehr von grünem Tee und Mankai (einer Wasserlinse), bei einem gleichzeitigen reduzierten Konsum an rotem und verarbeitetem Fleisch.

Mit einem sogenannten multi-omic Ansatz wurden die Methylierung und das Transkriptom im Blut analysiert, sowie Veränderungen in den Polyphenolspiegeln im Urin untersucht. Die Daten stammten von Teilnehmer:innen einer 18-monatigen randomisierten kontrollierten Ernährungsinterventionsstudie namens DIRECT PLUS, bei der Teilnehmer:innen, die eine traditionelle MED (Mittelmeerdiät) verfolgten, mit Teilnehmer:innen verglichen wurden, die eine angepasste grüne MED konsumierten.

Die Ergebnisse zeigten, dass die polyphenolreiche grüne, mediterrane Diät einen signifikanten Einfluss auf das Epigenom hat, insbesondere durch die Regulation der Folsäurestoffwechselwege. Diese Erkenntnisse liefern Einblicke durch welche Mechanismen pflanzliche Polyphenole in der Ernährung die Genexpression und den Metabolismus positiv beeinflussen können, und könnten Auswirkungen auf die Entwicklung neuer Nahrungsergänzungsmittel und personalisierter Maßnahmen zur Gewichtsabnahme in der Zukunft haben.

Obwohl die sogenannte Mittelmeerdiät (MED) reich an Polyphenolen ist, die beispielsweise in Beeren, Nüssen und Oliven enthalten sind, und positive Auswirkungen auf den Stoffwechsel hat, wird seit Jahren über den Einfluss von Polyphenolen und anderen sekundären Pflanzenbestandteilen auf epigenetische Veränderungen diskutiert. Es fehlen noch immer Nachweise aus randomisierten Kontrollstudien bei Menschen. Aus diesem Grund haben sich Forscher:innen des Helmholtz-Instituts für Metabolismus-, Adipositas- und Gefäßforschung (HI-MAG) von Helmholtz Munich, der Medizinischen Fakultät der Universität Leipzig und der Ben-Gurion-Universität des Negev in Israel zusammengeschlossen, um die ausschlaggebenden molekularen Mechanismen für die positiven metabolischen Effekten einer grünen Mittelmeerdiät (grüne MED) zu ergründen.

Die Wissenschaftler:innen strebten ein besseres Verständnis der durch diese Diät ausgelösten epigenetische Veränderungen an. In der epigenetischen Forschung werden Veränderungen in der Genaktivität und Genexpression untersucht, die durch externe Faktoren wie Ernährung, Stress und Umweltbelastungen entstehen und die Muster der Genexpression verändern können, wobei die zugrundeliegende DNA-Sequenz unverändert bleibt. Epigenetische Modifikationen wie DNA-Methylierung und Histonmodifikationen können die Genfunktion beeinflussen und langfristige Auswirkungen auf die Gesundheit und Entwicklung einer Person haben. Ein besseres Verständnis von Epigenetik hat Auswirkungen auf diverse Bereiche wie Medizin, Genetik und Umweltwissenschaften, da so Einblicke in das komplexe Zusammenspiel zwischen Genen und der Umwelt gewonnen werden können.

Das Team konnte bereits in früheren Studien zeigen, dass die grüne MED verschiedene gesundheitsfördernde Effekte hat, die von der Umgestaltung des Mikrobioms über das Aufhalten von Hirnatrophie, der Rückbildung einer Fettleber und einer viszeralen Adipositas bis zu einer reduzierten Steifigkeit der Aorta reichen. In der neuen Studie wurde nun erfolgreich nachgewiesen, dass epigenetische Schlüsselfaktoren wie Folsäure die Fähigkeit der polyphenolreichen grünen MED zur Regulation des individuellen Epigenoms vermitteln. Diese Ergebnisse stehen im Einklang mit den Stoffwechselverbesserungen, die sich beispielsweise im Gewichtsverlust und einer Reduktion des tiefen subkutanen Fettgewebes (basierend auf MRT) zeigen.

Erstmals in einer randomisierten Kontrollstudie am Menschen zeigen sich direkte Auswirkungen von Polyphenolen in der Ernährung auf das Methylom und Transkriptom von Genen, die für Enzyme des Folsäurestoffwechsels kodieren. Dieser Stoffwechselweg umfasst eine Reihe biochemischer Reaktionen, bei denen einzelne Kohlenstoffe übertragen werden, die für die DNA-Synthese, den Aminosäurestoffwechsel und die Produktion wichtiger Moleküle im Körper essentiell sind.

„Diese Studie könnte auch eine grundlegende Rolle bei der Entwicklung neuer Nahrungsergänzungsmittel auf Basis der identifizierten Polyphenole spielen, die mit Transkriptionsveränderungen assoziiert waren und somit potenziell phänotypische Verbesserungen vermitteln können“, betont Maria Keller.

Iris Shai fügt hinzu: „Angesichts der translationalen Aspekte dieser Studie für die klinische Arbeit werden diese Erkenntnisse eine Inspiration für eine breite Gemeinschaft von Wissenschaftler:innen und Ärzt:innen sein, die im Bereich der metabolischen Störungen arbeiten, und weitere Bemühungen zum besseren Verständnis der individuellen Reaktion auf Gewichtsverlustinterventionen in der Adipositasbehandlung fördern“.

Originalpublikation

Hoffmann et al. (2023): A polyphenol-rich green Mediterranean diet enhances epigenetic regulatory potential: the DIRECT PLUS randomized controlled trial. Metabolism. DOI:10.1016/j.metabol.2023.155594

Über die Wissenschaftler:innen

Dr. Maria Keller Postdoc am Helmholtz-Institut für Metabolismus-, Adipositas- und Gefäßforschung (HI-MAG) von Helmholtz Munich, an der Universität Leipzig und am Universitätsklinikum Leipzig

Prof. Dr. Iris Shai, Professorin für Ernährungswissenschaften und Epidemiologie an der Ben-Gurion-Universität des Negev in Beer-Sheva, Israel und für Ernährungswissenschaften bei Harvard T.H. Chan School of Public Health, Harvard University’s public health school und Gastprofessorin für Ernährungswissenschaften an der Medizinischen Fakultät der Universität Leipzig.

Quelle: Helmholtz München