Deutschland braucht mehr „Rogg’n Roll“

Die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) hat die wichtigsten Daten zur Mühlenstruktur im Wirtschaftsjahr 2022/23 veröffentlicht.

176 Mühlen vermahlen insgesamt 9 Millionen Tonnen Getreide: Weizen, Roggen, Dinkel und Hartweizen. Das sind fünf Mühlen weniger als im Vorjahr. Mühlen haben ihren Betrieb eingestellt, andere sind unter die Meldegrenze von 1.000 Tonnen Jahresvermahlung gefallen. Seit der separaten Erfassung im Wirtschaftsjahr 2019/20 ist die Zahl der dinkelverarbeitenden Mühlen um 26 auf 101 Mühlen angewachsen. Nachdem die Vermahlungsmenge in den vergangenen Jahren deutlich zugenommen hat, liegt sie im Wirtschaftsjahr 2022/23 deutlich unter dem Vorjahr. Die Anzahl der Hartweizenmühlen bleibt mit acht gegenüber dem Vorjahr unverändert. Der Weizenmehlmarkt kommt nach schwankender Nachfrage in den Jahren der Corona-Pandemie und den Verwerfungen durch den Krieg in der Ukraine auf sein Durchschnittsniveau zurück.

Die Roggenvermahlung hat in den letzten fünf Jahren rund 100.000 Tonnen verloren. Für die deutsche Brotkultur keine erfreuliche Entwicklung, spielt der Roggen doch eine besondere Rolle für die deutsche Brotvielfalt. Deutschland braucht wieder mehr Roggenbackwaren, egal ob Brot oder Brötchen, „Rogg’n Roll“ eben. Hier ist die gesamte Wertschöpfungskette Getreide, Mehl und Brot gefordert, für eine Wiederentdeckung durch die Verbraucher zu sorgen.
Die Brotgetreidevermahlung – ohne Dinkel – liegt im Wirtschaftsjahr 2022/23 bei insgesamt gut 8.278.000 Tonnen. Es wurden 7,65 Millionen Tonnen Weizen verarbeitet, 250.000 Tonnen weniger als im Vorjahr. Damit liegt die Weizenvermahlung über dem Fünf-Jahresdurchschnitt und leicht unter der Vermahlung im Vorjahr. Im Wirtschaftsjahr 2021/22 ist wegen schlechterer Mehlausbeuten mehr Getreide eingesetzt worden.

Die Roggenvermahlung hat weiter abgenommen: Gut 631.000 Tonnen wurden vermahlen, 100.000 Tonnen weniger als noch vor fünf Jahren und 45.000 Tonnen weniger als im Vorjahr. Weizen hat nunmehr einen Anteil von 92,4 Prozent an der Brotgetreidevermahlung, Roggen noch 7,6 Prozent.

Wesentlicher Grund für die sinkende Roggennachfrage sind veränderte Verzehrgewohnheiten. So passt der Roggen offenbar nicht gut zum Trend „Essen to go“: Belegte Brötchen, Sandwiches, Burger-Buns, Wraps werden klassisch aus Weizenmehlen hergestellt. „Dass die Roggenvermahlung von Jahr zu Jahr weiter abnimmt, ist sehr bedauerlich“, sagt Peter Haarbeck, Geschäftsführer des Verbandes Deutscher Mühlen. „Eine Wiederentdeckung durch die Verbraucher wäre sehr wünschenswert. Denn Roggen hat einiges zu bieten: Mit seinem hohen Ballast- und Mineralstoffgehalt ist er ein gesundes, nährstoffreiches Getreide. Roggenmehle und -schrote sind die Basis typisch deutscher Brotspezialitäten wie Pumpernickel, Berliner Landbrot, Paderborner, Frankenlaib und zukünftig vielleicht auch von „Rogg’n Roll“. Auch agronomisch ist Roggen interessant: anspruchslos, widerstandsfähig, verträgt karge Böden, wenig Niederschlag und kommt mit wenig Düngung aus.“

Die BLE veröffentlicht seit 2019/20 separat ausgewiesene Zahlen zur Dinkelvermahlung. In den Wirtschaftsjahren 2020/21 und 2021/22 ist die Vermahlung im Vergleich zum Vorjahr jeweils gestiegen: um gut 58.000 und 24.000 Tonnen. Im abgeschlossenen Getreidewirtschaftsjahr ist sie erstmals wieder gesunken. Mit 312.000 Tonnen lag sie rund 20.000 Tonnen unter Vorjahresniveau. Im Wirtschaftsjahr 2022/23 sind 252.000 Tonnen Dinkelmahlerzeugnisse hergestellt worden. Grund für den Rückgang von Vermahlung und Mehlherstellung ist nach unserer Einschätzung der im Vergleich zu Weizenmehl höhere Preis für Dinkelmehl, was sich in Zeiten allgemeiner Preissensibilität der Verbraucher besonderes bemerkbar macht. Die Zahl der dinkelverarbeitenden Betriebe ist in den vergangenen vier Jahren um 26 auf nun 101 Dinkelmühlen angewachsen.

Die Anzahl der Hartweizenmühlen bleibt mit acht gegenüber dem Vorjahr unverändert. Die Hartweizenvermahlung beläuft sich auf 434.553 Tonnen, ein Minus von sechs Prozent. Gut 346.000 Tonnen Hartweizenmahlerzeugnisse wurden hergestellt, das Minus zum Vorjahr beträgt hier 4,6 Prozent – die Ausbeute war in diesem Jahr besser. Allerdings ist im selben Zeitraum auch die heimische Nudelproduktion um 2,3 Prozent gesunken, was ein Grund für die geringere Vermahlungsmenge ist.

Quelle: VGMS