Vorhersage ja, Therapie nein: Studie unter Leitung der Uni Hohenheim zum Zusammenhang zwischen Darm-Mikrobiom und Blut-Cholesterin beleuchtet neue Möglichkeiten & Grenzen.
Die sogenannte ketogene Diät mit wenig Kohlenhydrat- und hohem Fettanteil kann bei bestimmten Personengruppen zu hohen Cholesterin-Werten im Blut führen. Letztere stehen im Verdacht, Herz-Kreislauf-Krankheiten zu begünstigen. Möglicherweise lässt sich das Cholesterin-Risiko jedoch durch eine Analyse des Darm-Mikrobioms im Vorfeld abschätzen, so die Ergebnisse einer aktuellen Studie unter Leitung der Universität Hohenheim. Dagegen scheint es jedoch nicht möglich, hohe Cholesterin-Werte im Blut durch die gezielte Förderung bestimmter Bakterien im Darm-Mikrobiom auch zu therapieren. Details aktuell in iScience: https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S2589004223017741
Unter den gut 500 verschiedenen Bakterienarten im menschlichen Darm-Mikrobiom befinden sich Arten, die Cholesterin aus den tierischen Fetten der menschlichen Ernährung abbauen können. Das Endprodukt dieser Umwandlung ist Koprostanol – eine chemische Verbindung, die vom menschlichen Körper nicht aufgenommen, sondern ausgeschieden wird.
„Aus Untersuchungen wissen wir, dass manche Menschen nahezu das gesamte Cholesterin im Darm zu Koprostanol umwandeln und andere weniger“, erklärt Prof. Dr. W. Florian Fricke, Letztautor der aktuellen Studie von der Universität Hohenheim. Da diese Umwandlung einzig auf den bakteriellen Stoffwechsel zurückzuführen ist, gälten Menschen mit einer sehr effizienten Bakteriengemeinschaft im Darm entsprechend als „starke Cholesterin-Umsetzer“. Personen, deren Darm-Mikrobiom das Cholesterin nur in geringem Maße umsetzt, gelten als „schwache Cholesterin-Umsetzer“.
Klinische Studien mit 173 Teilnehmer:innen
In ihrer aktuellen Untersuchung mit insgesamt 173 Teilnehmer:innen stieß Dr. Alena Bubeck, Doktorandin aus Prof. Dr. Frickes Team und Erstautorin der Studie, auf überraschende Befunde: Nahezu alle Menschen tragen diejenigen Bakterien im Darm, die Cholesterin am effizientesten umsetzen. Allein die relativen Anteile dieser Bakterienart am Mikrobiom entscheiden, ob eine Person zu den starken oder schwachen Umsetzern gehört.
Dazu begleiteten die Hohenheimer Forschenden zwei klinische Ernährungsstudien, die von Dr. Paul Urbain an der Universität Freiburg und von Prof. Dr. Simon Dankel an der Universität Bergen in Norwegen durchgeführt wurden. Die Cholesterin-Werte wurden in Blutproben bestimmt. Das Darm-Mikrobiom und dessen Cholesterin-Umsatz bestimmten die Forschenden anhand von DNA-Analysen und Untersuchungen der Cholesterin-Abbauprodukte in Stuhl-Proben.
„Der Vorteil der Kooperation war, dass wir so Zugang zu einer sehr vielfältigen Personengruppe bekamen. Der Personenkreis umfasste Normalgewichtige und gesunde Menschen genauso wie übergewichtige Menschen mit entsprechenden metabolischen Problemen. Die für den Cholesterin-Abbau verantwortlichen Bakterien konnten wir jedoch in nahezu allen Menschen und Proben nachweisen“, fasst Prof. Dr. Fricke zusammen.
Ergebnis 1: Absage an mögliche Therapie durch Beeinflussung des Mikrobioms
Noch relevanter ist jedoch dieser Befund: Ob Teilnehmer:innen sich als starke oder schwache Umwandler erwiesen hatte keinen Einfluss darauf, wie hoch ihre Cholesterin-Werte im Blut waren.
„Bislang gab es die Hoffnung, hohe Cholesterinwerte im Blut über das Mikrobiom, d.h. durch die Gabe geeigneter Bakterien zu therapieren. Die Idee war, dass diese möglichst viel Cholesterin in Koprostanol umwandeln und so dem Körper weniger Cholesterin zur Aufnahme ins Blut zur Verfügung stellen“, erläutert Prof. Dr. Fricke.
Die Ergebnisse ließen jedoch vermuten, dass die Aufnahme von Cholesterin vom Darm ins Blut unabhängig von der bakteriellen Cholesterin-Umwandlung abläuft. „Möglicherweise findet diese Aufnahme schon früher im Verdauungsprozess statt, so dass die Bakterien im Dickdarm sich nur noch von dem ernähren können, was übrig bleibt.“
Entsprechend würde das Mikrobiom eher als eine Art Gedächtnis bisherige Ernährungsgewohnheiten in Bezug auf Cholesterin reflektieren als den menschlichen Cholesterin-Stoffwechsel aktiv mitgestalten: „Starke Umwandler sind vermutlich Menschen, die sich eher mit viel oder mit schlechten Fetten ernährt haben, so dass genug Cholesterin im Darm verblieb, um die entsprechenden Bakterien in großer Zahl heran zu züchten.“ Zu dieser Annahme würde die Beobachtung der Forschenden passen, dass fettreiche Ernährung den Cholesterin-Umsatz in ehemals schwachen Umsetzern erhöhte.
Ergebnis 2: Potentieller Marker für Cholesterin-Risiko bei Keto-Diät
Als therapeutisch hilfreich könnte sich dafür eine andere Überraschung aus der Analyse erweisen. Dabei ging es um Proband:innen, die ihre Ernährung auf sogenannte ketogene Diät umstellten. Dabei handelt es sich um eine Sonderform der Low-Carb-Ernährung mit einer fettreichen und besonders kohlenhydratarmen Lebensmittelzufuhr, die zu einer Umstellung des gesamten menschlichen Energiestoffwechsels führt.
„Bei dieser Diät ist bekannt, dass manche Menschen mit besonders erhöhten Werten von LDL-Cholesterin im Blut reagieren. Und das, obwohl es sich um normalgewichtige Menschen handelt, die im Vorfeld nicht durch Krankheiten aufgefallen sind“, so Prof. Dr. Fricke zum bisherigen Forschungsstand.
Im Rahmen der Studie fiel auf, dass ein statistisch signifikanter Anstieg der LDL-Werte im Blut nur in dem Personenkreis beobachtet wurde, bei dem es sich um starke Cholesterin-Umwandler handelte.
Über das Ursache-Wirkungs-Prinzip können die Forschenden bislang nur spekulieren: „Es könnte sein, dass die starke Cholesterin-Umwandlung die Folge von eher schlechten Ernährungsgewohnheiten mit eher minderwertigen Fetten darstellt, die bei der ketogenen Diät fortgesetzt werden“, so Prof. Dr. Fricke. Hier bestehe jedoch sicherlich noch Forschungsbedarf.
Wenn sich der Zusammenhang weiter bestätige, wäre dies jedoch ein sehr einfacher Marker für das Cholesterin-Risiko bei Keto-Diäten: „Eine Stuhlprobe könnte dann Aufschluss geben, wer als Hoch-Cholesterin-Umsetzer-Typ mit einem LDL-Anstieg zu rechnen hat und wer diese Diäten deshalb vermeiden sollte.“
HINTERGRUND:
Gesundheitswissenschaften – Schwerpunktthema an der Universität Hohenheim
Die Gesundheitswissenschaften stellen einen der drei Forschungsschwerpunkte an der Universität Hohenheim dar. Die Universität Hohenheim verfolgt das One Health-Konzept – einen ganzheitlichen Ansatz, der menschliche und tierische Gesundheit, Ernährung, Umwelt und Gesundheitsmanagement gleichermaßen einschließt.
Das Forschungszentrum für Gesundheitswissenschaften (FZG) verlinkt institutsübergreifend die Expertise in Themenfeldern wie Biologie, Immunologie, Gesundheitswesen, Medizin, Landwirtschaft, den Ernährungs-, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften. Die Themenschwerpunkte wie Wachstum und Entwicklung, Forschung zur Prävention von Krankheiten, Lebensstil, Ernährung, Alterung sowie ihre sozialen und wirtschaftlichen Effekte sind von hoher wissenschaftlicher und gesellschaftlicher Relevanz. Homepage: https://health.uni-hohenheim.de/
Text: Klebs
Studie in iScience: https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S2589004223017741
Kontakt für Medien:
Prof. Dr. W. Florian Fricke, Universität Hohenheim, Fachgebiet Mikrobiom und Angewandte Bioinformatik
T 0711 459 24841, E w.florian.fricke@uni-hohenheim.de
Quelle: Universität Hohenheim