Glyphosat-Zulassung: Aurelia Stiftung hat Klage gegen EU-Kommission beim EU-Gericht eingereicht

Erstes Gerichtsverfahren, in dem eine NGO die gerichtliche Überprüfung der EU-weiten Zulassung eines Pestizid-Wirkstoffs durchsetzt.

Die gemeinnützige Aurelia Stiftung hat ihre Klageschrift gegen die Entscheidung der EU-Kommission zur Zulassungsverlängerung von Glyphosat beim EU-Gericht in Luxemburg eingereicht. Ergibt sich aus dem Urteil des Gerichts in dem Verfahren, dass die Zulassungsverlängerung des Wirkstoffs Glyphosat gegen das Unionsrecht verstößt, muss die Kommission die Verlängerungsentscheidung aufheben. Sollte der Ministerrat am 13. Oktober 2023 für die von der Kommission neuerdings geplante 10-jährige Neuzulassung von Glyphosat stimmen, wird Aurelia auch dagegen rechtliche Schritte prüfen. Folgt das EU-Gericht der Auffassung von Aurelia, müssen hunderte von glyphosathaltigen Pestizidprodukten in der gesamten EU vom Markt genommen werden.

Thomas Radetzki, Vorstand der Aurelia Stiftung:

„Wir kämpfen mit juristischen Mitteln für Artenvielfalt und die Gesundheit von Bienen und bestäubenden Insekten. Die für uns alle bedrohliche Zerstörung der Artenvielfalt durch Ackergifte muss beendet werden. Der breite Einsatz von Glyphosat in der Intensivlandwirtschaft zerstört Lebensräume und Nahrungsgrundlagen von Insekten.“

Im Koalitionsvertrag der Ampelregierung heißt es: „Wir nehmen Glyphosat bis Ende 2023 vom Markt“. Die Aurelia Stiftung ziele allerdings mit ihrer Klage beim Europäischen Gericht (EuG) auf ein gesamteuropäisches Verbot von Glyphosat, so Radetzki.

Rechtsanwalt Dr. Achim Willand, Prozessvertreter der Aurelia Stiftung:

„Die Argumentation der EU-Kommission im Glyphosat-Verfahren läuft darauf hinaus, dass Alt-Genehmigungen jahrelang verlängert werden, obwohl Risiken noch nicht hinreichend bewertet werden konnten. Diese jahrelangen Verlängerungen praktiziert die Kommission bei vielen Pestizid-Wirkstoffen – im Widerspruch zum EU-Pflanzenschutzrecht und zum Vorsorgeprinzip. Nur nachweislich für Gesundheit und Umwelt unschädliche Pestizide dürfen vermarktet und verwendet werden.“

Laut Aurelia Stiftung tötet Glyphosat nicht nur Beikräuter auf dem Acker ab, sondern schädigt auch Bienen, bestäubende Insekten und Amphibien. Die Aurelia Stiftung fordert seit Jahren ein vollständiges Verbot der Pestizidanwendungen in blühenden Pflanzenbeständen. Die Auswirkungen von Glyphosat auf Wasserorganismen, Rückstände in Produkten sowie Risiken für Bienen wurden bis heute nicht abschließend bewertet, wie die Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) am 6. Juli 2023 öffentlich bestätigte. Verschiedene, unabhängig von Pestizidherstellern durchgeführte Studien belegen den unmittelbar negativen Einfluss von Glyphosat auf die Gesundheit und Lebenserwartung bestäubender Insekten.

Hintergrund

Erst seit einer 2021 erfolgten Anpassung der maßgeblichen EU-Verordnung 1367/2006 an die völkerrechtlich verbindliche Aarhus-Konvention ist es Umweltverbänden möglich, gegen solche Zulassungsentscheidungen der EU Kommission gerichtlich vorzugehen. Die EU-Genehmigung des Pestizid-Wirkstoffs Glyphosat ist Ende 2022 ausgelaufen. Die Kommission hat diese Genehmigung vorläufig bis zum 23. Dezember dieses Jahres verlängert. Nur ausnahmsweise darf die Kommission eine eigentlich erloschene Genehmigung vorläufig verlängern, bis das laufende Verfahren zur Erneuerung der Genehmigung abgeschlossen werden kann. Voraussetzung ist allerdings, dass der Antragsteller – hier das Konsortium der Glyphosat-Hersteller – eine vollständige Dokumentation so rechtzeitig vorlegt, dass eine zeitnahe Risikoprüfung möglich wird. Bei Verzögerungen, die der Antragsteller zu verantworten hat, darf die Kommission keine Verlängerung vornehmen.

Die EU-Kommission teilte der Aurelia Stiftung im Juli 2023 schriftlich mit, sie sehe sich zu der ausgesprochenen Verlängerung verpflichtet, ohne dass Belange des Gesundheits- und Umweltschutzes zu berücksichtigen wären. Die EU-Kommission ist ferner der Auffassung, dass die vorhandenen Datenlücken nicht in die Verantwortung der Hersteller fallen und lässt erkennen, die Glyphosat-Genehmigung nochmals zu verlängern, falls das Genehmigungsverfahren sich weiter hinzieht.

Die Klage der Aurelia Stiftung vor dem EU-Gericht wird durch das Sozialunternehmen ECOSIA finanziell unterstützt.

Weitere Informationen

Pressekontakt:

Thomas Radetzki, Vorstand der Aurelia Stiftung:
thomas.radetzki@aurelia-stiftung.de
030 577003969

Julia Lieth, Referentin für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit der Aurelia Stiftung:
julia.lieth@aurelia-stiftung.de
030577003964

Quelle: Aurelia Stiftung