Ökologische Forschungsgesellschaft und einhundert Forschende warnen vor Gentechnik ohne Risikoprüfung

Die Aurelia Stiftung hält die Deregulierung Neuer Gentechnik für keinen smarten Move der Politik, sondern für eine ernsthafte Bedrohung der biologischen Vielfalt.

Das Artensterben im Boden und in der pestizidabhängigen Agrarwirtschaft kann damit nicht aufgehalten werden. Der Stand wissenschaftlicher Erkenntnis darf bei der Entscheidung über Neue Gentechnik nicht ignoriert werden.

In einer aktuellen Stellungnahme warnt die Gesellschaft für Ökologie in Deutschland, Österreich und der Schweiz (GfÖ) vor der von der EU-Kommission geplanten Abschaffung der Risikoprüfung für den Großteil der Pflanzen aus Neuer Gentechnik (NGT).

Die GfÖ, weltweit die drittgrößte wissenschaftliche Gesellschaft im Bereich Ökologie, kritisiert, dass der Vorschlag der EU-Kommission die „Anerkennung grundlegender ökologischer Prinzipien“ auf der Anwendungsebene der Neuen Gentechnik verfehlt. Zudem fehle bei der Schwellendefinition von sogenannten NGT1-Pflanzen, bei denen kein artfremdes Erbgut eingebaut wird, die Berücksichtigung von Umweltrisiken. Die GfÖ warnt in ihrer Stellungnahme davor, dass die Deregulierung aller NGT1-Pflanzenarten weltweit eine ernsthafte Bedrohung für die Erhaltung der biologischen Vielfalt und die Nachhaltigkeit darstellen könnte.

Matthias Wolfschmidt, Vorstand der Aurelia Stiftung, erklärt dazu:

„Die Stellungnahme der GfÖ bestätigt eindrucksvoll, dass der Vorschlag der EU-Kommission zur Deregulierung von Neuer Gentechnik den aktuellen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse über die Ursachen der gegenwärtigen Umwelt-Multikrisen ignoriert. Das pestizidbasierte Agrarmodell der EU wird durch NGT keinen Deut biodiversitätsfreundlicher oder zukunftsfähiger. Das Sterben von Bienen, anderen Bestäubern und Bodenlebewesen hat längst bedrohliche Ausmaße angenommen. Wir fordern Mitgliedstaaten und EU-Parlament dazu auf, Risikoprüfung und Kennzeichnung für alle NGT-Pflanzen beizubehalten. Eine deregulierte künstliche Evolution ist kein smarter Move der Politik, sondern eine billige Ausrede, um die Umstellung auf eine pestizidfreie Landwirtschaft weiter hinauszuzögern. Das Artensterben im Boden und in der pestizidabhängigen Agrarwirtschaft kann damit nicht aufgehalten werden.“

Ernsthafte Bedenken gegen den Vorschlag der EU-Kommission zu neuen Gentechniken äußern auch einhundert Forschende aus einer Vielzahl von Disziplinen in einem offenen Brief. Erst kürzlich hat eine Studie der Fachstelle Gentechnik und Umwelt (FGU) im Rahmen der „EU Pollinator Week 2023“ darauf hingewiesen, dass mit Hilfe von Gentechnik veränderte Agrosprit-Pflanzen die Gehirnfunktionen und die Fortpflanzungsfähigkeit bestäubender Insekten schädigen können. Der renommierte Neurobiologe, Bienenforscher und wissenschaftliche Beirat der Aurelia Stiftung, Prof. Dr. Dr. h.c. Randolf Menzel (FU Berlin), erklärte dahingehend, dass eine nicht überprüfte NGT-Anwendung unverantwortlich sei.

Auch eine Studie des Bundesamtes für Naturschutz (BfN), die gerade das Peer-Review-Verfahren durchläuft, weist darauf hin, dass (ungeprüfte) NGT1-Anwendungen insektizide Wirkungen mit potenziellen Nebenwirkungen auf Nicht-Zielorganismen (d.h. andere Insekten) haben können und dass bestimmte NGT1-Pflanzen ähnliche Umweltrisiken (z.B. Invasivität) aufweisen können wie andere gentechnisch veränderte Organismen auch.

Weitere Informationen:

Stellungnahme der Gesellschaft für Ökologie (GfÖ):
https://gfoe.org/sites/default/files/ngt_gfoe_final.pdf

Offener kritischer Brief von mehr als einhundert Wissenschaftler:innen:
https://ots.de/VAqVHJ

Hintergrundbericht der Fachstelle Gentechnik und Umwelt (FGU):
https://fachstelle-gentechnik-umwelt.de/wp-content/uploads/Brassicaceae_Background.pdf

Zitat von Prof. Dr. Randolf Menzel zur Studie der Fachstelle Gentechnik und Umwelt: https://ots.de/JORwOH

Die Studie des Bundesamtes für Naturschutz:
https://www.preprints.org/manuscript/202311.1897/v1

Quelle: Aurelia Stiftung