Die Stiftung Warentest veröffentlichte in der Ausgabe 4/2014 vom 27. März 2014 ihren neuen Orangensafttest, in dem zwei Fairtrade-Säfte bewertet werden.
Pfanner Fairtrade und Lidl Fairglobe erhalten die Gesamtnote „gut“, aber für das CSR-Engagement erhält Pfanner die Note „ausreichend“; Lidl Fairglobe die Note „befriedigend“.
Für Fairtrade Deutschland ist diese Bewertung nicht nachvollziehbar. Die Stiftung Warentest hat zwei grundsätzliche Aspekte von Fairtrade nicht berücksichtigt: den Unterschied zwischen Plantagen und kleinbäuerlichen Produzentenorganisationen und das Prinzip des Mengenausgleichs bei bestimmten Produkten wie Orangensaft.
Fairtrade-Orangensaft aus Brasilien: Sergio Roberto Delisposto von der Kleinbauern-Kooperative Coagrosol in Brasilien über seine Erfahrungen mit Fairtrade.
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Ziel von Fairtrade ist es, die am meisten benachteiligten Akteure der Produktionskette zu unterstützen. Das sind auf großen Plantagen die Pflückerinnen und Pflücker, bei Kooperativen sind es die Kleinbauern selbst. Sowohl Lidl als auch Pfanner arbeiten mit zertifizierten Kleinbauernkooperativen zusammen, die die Fairtrade-Standards erfüllen. Die Stiftung Warentest wurde mit ihrem CSR Fragebogen den strukturellen Besonderheiten einer selbstorganisierten Kleinbauernkooperative nicht gerecht. Der konkrete Vorwurf, dass ein einzelner Kleinbauer auf seiner Farm kein CSR- bzw. Umweltmanagement installiert hat, spiegelt nicht die Lebensrealität von Kleinbauern wider. Die Tatsache, dass diese Farm in einer Kooperative organisiert ist und dass es ein solches Management auf Kooperativen-Ebene sehr wohl vorhanden ist, wurde im Test nicht aufgeführt.
Zudem wurden die positiven Aspekte von Fairtrade, wie die Selbstorganisation, demokratische Strukturen, die Zahlung von stabilen Mindestpreisen und Prämie für ihre Waren, Schutz der Mitarbeiter und Umweltschutz nicht erwähnt.
Dazu gehören auf Kooperativenebene weiterhin:
- Die Kleinbauernkooperative ist unabhängig und wird demokratisch organisiert.
- Transparenz von Management und Verwaltung sind gewährleistet, um den Mitgliedern eine effektive Kontrolle zu ermöglichen.
- Kleinbauern-Organisationen, die während der Ernte Pflückerinnen und Pflücker beschäfti-gen, müssen die Kernarbeitsnormen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) erfüllen.
- Verbot von Zwangs- und ausbeuterischer Kinderarbeit.
- Maßnahmen zum Gewässer-, Wald- und Erosionsschutz. Ein Drittel der Fairtrade-Standards sind Umweltkriterien.
- Unterstützung der Kleinbauern durch Fairtrade (Producer Service and Relations Abteilung) in Form von Trainings und Beratung.
- Die Produzenten erhalten auf Wunsch eine Vorfinanzierung der Ernte von bis zu 60 Prozent.
Alle diese Maßnahmen werden in den Fairtrade-zertifizierten Kooperativen durchgeführt.
Fairtrade ist sich bewusst, dass auch in Fairtrade-Strukturen die Arbeiterrechte weiterhin gestärkt werden müssen. Im Zuge der neuen Fairtrade Arbeiterrechte-Strategie wurde der Standard für Arbeiterinnen und Arbeiter auf Plantagen überarbeitet und im Januar 2014 verabschiedet. Fairtrade International wird diese gute Erfahrung auch in die Diskussion um die Stärkung der Arbeitnehmerrechte im Kleinbauernstandard mit aufnehmen. Da die Standards nach den Richtlinien von ISEAL (International Social and Environmental Accreditation and Labelling Alliance) überarbeitet werden müssen, ist dies kein kurzfristiger Prozess.
Die Orangensaftbranche in Brasilien konzentriert sich stark auf die Region um São Paulo. 85 Prozent der Fabrikkapazitäten zur Saftherstellung befinden sich in diesem Gebiet. Hier sind die Großunternehmen für die Saftverarbeitung angesiedelt. Der Markt für die Saftproduktion in Brasilien ist oligopolistisch geprägt: Lediglich vier große Unternehmen kontrollieren den Saftindustrie-Markt. Durch die damit verbundene Marktmacht können sie noch härter mit den kleinen Produzenten um den Preis feilschen. In diesem Umfeld können Kleinbauernorganisationen nur durch Zusammenschluss in großen Kooperativen einen Marktzugang erkämpfen. Fairtrade unterstützt sie dabei.
Weitere Informationen zu Fairtrade-Orangensaft auf unserer Website unter Produzenten.
Zertifizierung
FLO-CERT kontrolliert die Kooperativen und deren Mitglieder. Dabei erhält nicht jeder einzelne Betrieb/Kleinbauer ein eigenes Zertifikat, sondern die Kooperative als Ganzes wird zertifiziert und verpflichtet sich für die Einhaltung der Standards auf allen dazugehörigen Betrieben.
Weitere Informationen zur Zertifizierung:
Auf unserer Website unter „Über Fairtrade“ und unter www.flo-cert.net.
Nicht nachvollziehbar: Stiftung Warentest testet nicht-zertifizierte Farm. Im Rahmen der Bewertung des Pfanner Orangensaftes können wir nicht nachvollziehen, warum für die Bewertung eines Fairtrade-Saftes eine Farm besucht wurde, die nicht zu einer Fairtrade-zertifizierten Kooperative gehört, sondern zum Verarbeiter und Exporteur. So können keine Rückschlüsse auf die Fairtrade-Zertifizierung gezogen werden.
Physische Rückverfolgbarkeit und Mengenausgleich
Fairtrade möchte allen Kooperative, egal welcher Größe, den Marktzugang über den Fairen Handel ermöglichen. Es wurde deutlich, dass die physische Rückverfolgbarkeit nicht für alle Produkte möglich sein würde, ohne dass manchen Produzentenorganisationen dadurch Nachteile bis hin zum Marktausschluss entstehen könnten. Das wäre z.B. dann der Fall, wenn v.a. kleinere Produzentenorganisationen nicht genug Ware für eine Fabrikationscharge liefern können, und zwangsläufig eine Mischung mit Ware anderer Fairtrade-Erzeuger erfolgt; oder wenn Firmen, die ihre Produkte weiterverarbeiten, Fairtrade-Produkte aus technischen Gründen nicht separieren können. Dies ist unter anderem beim Fairtrade-Orangensaft der Fall. Wenn auch hier physische Rückverfolgbarkeit verlangt würde, wäre es möglich, dass die Bauern und Arbeiter ihre Produkte nicht mehr unter Fairtrade-Bedingungen verkaufen könnten.
Aus Produzentensicht ist deshalb nicht die physische Identität eine Produktes entscheidend, sondern, dass sie dank Fairtrade einen Marktzugang haben, stabilere und höhere Preise erzielen können, und dadurch eine Verbesserung der Lebensverhältnisse überhaupt erst erreicht werden kann. Dank Mengenausgleich ist das auch dann möglich, wenn eine physische Rückverfolgbarkeit wegen z.B. geringer Verkaufsmengen (noch) nicht möglich ist. Mengenausgleich ist also für Fairtrade-Produzenten ein entwicklungspolitisches Instrument der Armutsbekämpfung und insbesondere wichtig für kleine Produzentenorganisationen.
Im Vorfeld der Veröffentlichung wurde die Stiftung Warentest über das Prinzip des Mengenausgleichs ausführlich informiert. Dass sie diese Informationen in keinster Weise berücksichtigt, erscheint befremdlich. Dass dieses Prinzip nicht berücksichtig wurde, führte auch dazu, dass die Stiftung im Zusammenhang mit dem Test auch Farmen besuchte, die nicht Fairtrade-zertifiziert sind. Zertifizierte Produzenten und Händler dieser Produkte müssen detaillierte Dokumente vorweisen (Verträge, Frachtbriefe, Lieferscheine, Rechnungen usw.), die darlegen, wo Ware eingekauft wurde und wohin es verkauft wurde.
FLO-Cert überprüft die Dokumente, um sicherzustellen, dass sich eingekaufte und verkaufte Mengen an Fairtrade-Produkten in der gesamten Lieferkette entsprechen.
Damit können viele Produzenten, die nur kleine Mengen produzieren, weiterhin von Fairtrade profitieren. Außerdem können sich die Konsumenten von Fairtrade-Produkten sicher sein, dass sie durch ihren Kauf dazu beitragen, dass den Bauern und Arbeitern die in Fairtrade-Kleinbauernorganisationen oder -Plantagen arbeiten direkt die entsprechende Fairtrade-Prämie zukommt.
Die Konsumenten können sich zudem darauf verlassen, dass für die Produkte, die unter den Mengenausgleich fallen, die Fairtrade-Standards für die Produzentenorganisationen gelten und umgesetzt werden. Dies bedeutet, dass die teilnehmenden Kleinbauern vor Ort selbst dann von den Vorteilen – wie beispielsweise dem Schutz vor gefährlichen und verbotenen Substanzen – profitieren, wenn keine physische Rückverfolgbarkeit der einzelnen Charge möglich ist.
Fairtrade kommuniziert den Fairtrade-Standard zur Rückverfolgbarkeit aktiv, um sicherzugehen, dass die Öffentlichkeit informiert ist und versteht, was das Fairtrade-Siegel auf einem Produkt bedeutet. Auf unserer Internetseite ist das Statement jederzeit nachlesbar und auf der Fairtrade-Code-Seite www.fairtrade-code.de erscheint eine Information bei den Produkten, die mit Mengenausgleich arbeiten. Alle Partner, die nach dieser Regelung handeln, sind verpflichtet, den Mengenausgleich direkt auf der Packung bzw. den Verpackungstexten zu kommunizieren.
Weitere Informationen zur Rückverfolgbarkeit auch auf unserer Website.
Schlussfolgerung
Wir stimmen den Aussagen zu, dass die Arbeitsbedingungen in der Orangenproduktion oftmals prekär sind und dass nach wie vor ein viel zu geringer Anteil der Wertschöpfungskette in den Entwicklungsländern bleibt. Insbesondere Arbeiter und Arbeiterinnen sowie Kleinbäuerinnen und Kleinbauern in Entwicklungsländern leiden unter prekären Verhältnissen. Wir nehmen konstruktive Kritik sehr ernst. Fairtrade ist dort tätig, wo vielseitige Probleme vorherrschen und ein grundsätzliches Umdenken erreicht werden muss. Trotzdem bedauern wir die verkürzte Darstellung, die wichtige Fairtrade-Aspekte auslässt, die zeigen, dass Fairtrade zur Armutsbekämpfung beiträgt und einen wichtigen Beitrag als Ergänzung zur Entwicklungszusammenarbeit leistet.
Quelle: TransFair