Olivenöltest der Stiftung Warentest wirft offene Fragen auf

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Olivenöl ist ein Naturprodukt und bereichert die Küche.
Foto: Mani Bläuel

Die Stiftung Warentest hat mit ihrem Olivenöltest 2016 viele Menschen aufgeschreckt und betroffene Unternehmen alarmiert: 13 der 26 untersuchten Olivenöle der höchsten Güteklasse „nativ extra“ fielen beim Test aufgrund von Qualitätsmängeln durch. Auch vier der sechs getesteten Olivenöle in Bioqualität erhielten die Note „mangelhaft“. Das aufwändige Testregime umfasste viele Kriterien: von der sensorischen Qualität über Schadstoffbelastungen bis hin zur Deklaration.

Bei drei der sechs Bio-Olivenöle attestierte die Stiftung eine „mangelhafte sensorische Qualität“. Für die betroffenen Unternehmen ist das ein vernichtendes Urteil. Sie reagierten schockiert, doch teilweise auch irritiert. Bei den von unabhängigen Labors durchgeführten Geschmacksproben „wurden keinerlei Fehler festgestellt“, schreibt Alnatura in einer Stellungnahme. Der renommierte Olivenölexperte Richard Wolny urteilt in Bezug auf das Olivenöl „Mani Bläuel Kalamata g.U.“, das die Stiftung Warentest sensorisch „mangelhaft“ bewertet hatte: „Nach meinen Erfahrungen war dieses Öl stets einwandfrei in seinen sensorischen Eigenschaften.“

Olivenöle in der Kritik

Viele Medien und NGO griffen das Thema auf und spitzten es zu. Dabei stand häufig die „Schadstoffbelastung“ im Vordergrund: „Mineralöl-Nachweis durch Stiftung Warentest: foodwatch fordert Rückruf von Olivenölen“, titelte beispielsweise die Verbraucherschutzorganisation kurz nach Bekanntwerden der Testergebnisse. Tatsächlich hatten die Tests Nachweise von Mineralöl-Bestandteilen im Olivenöl ergeben. Dabei handelt es sich um Spuren gesättigter Kohlenwasserstoffe (MOSH = mineral oil saturated hydrocarbons) sowie aromatischer Kohlenwasserstoffe (MOAH = mineral oil aromatic hydrocarbons). Manche der aus Mineralöl stammenden Substanzen sind unbedenklich, andere gelten als möglicherweise gesundheitsgefährdend. „Die Stiftung Warentest wirft jedoch alles in einen Topf, vom krebserregenden Rückstand bis zum harmlosen Paraffin“, kritisiert der Olivenölexperte Andreas März in „Merum“, der Zeitschrift für Wein und Olivenöl aus Italien.

Bisher gibt es keine gesetzlichen Grenzwerte

Die Gruppe der MOSH sind Kohlenwasserstoffe, die in der Natur vorkommen und vom Menschen auch oft verzehrt werden. Problematischer sind dagegen die aromatischen Abkömmlinge (MOAH). Sie haben eine strukturelle Ähnlichkeit mit den nachweislich krebserregenden aromatischen polyzyklischen Kohlenwasserstoffen (PAK). Das Bundesinstitut für Risikobewertung hält es deshalb für grundsätzlich möglich, „dass in dieser Mischung auch krebserregende Substanzen enthalten sein könnten“. Aber bisher gibt es keine gesetzlich festgelegten Grenzwerte für die Kontamination von Lebensmitteln mit Mineralölbestandteilen. Insgesamt sieht die Stiftung Warentest – bei den üblichen Verzehrmengen – bei keinem der geprüften Olivenöle eine akute Gesundheitsgefahr. Auch der Lebensmittelchemiker und Olivenöl-Experte Dr. Christian Gertz sieht hier keine akute gesundheitliche Relevanz.

Unterschiedliche Testergebnisse

Handel und Herstellerinnen reagierten alarmiert auf die Testergebnisse: „Alle Produzenten überfluten zur Zeit die Labore mit Olivenöl-Proben“, berichtet Felix Bläuel, der Junior-Geschäftsführer der Friedrich Bläuel & Co GmbH. Der Familienbetrieb hatte vor über 30 Jahren damit angefangen, auf der Peloponnes Olivenöle in Bioqualität herzustellen und verspricht seiner verunsicherten Kundschaft: „Wir unternehmen alles um festzustellen, wie es zu den gemessenen Werten in dem beanstandeten Öl kommen konnte“. Dabei ist die Lage zurzeit völlig unübersichtlich: „Wir haben unterschiedliche Ergebnisse von verschiedenen Analyse-Instituten“, sagt Felix Bläuel.

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Seit Jahrtausenden liefern Oliven ein hochwertiges Öl für die Menschen.
Foto: Andreas Greiner

Auch italienische Produzenten betroffen

Der sizilianische Olivenölproduzent „Agrestis Soc. Coop. Agricola“ reagierte ebenfalls schockiert auf das Ergebnis und versucht, die Ursachen zu verstehen und aufzuklären. Trotz Bestnoten in der Sensorik hat die Stiftung Warentest aufgrund erhöhter MOSH-Werte das Olivenöl „Agrestis Nettar’Ibleo DOP Bio Ernte 2014/2015“ mit mangelhaft bewertet. Drei akkreditierte Labors – davon die zwei renommierten Labors Eurofins Analytics in Hamburg und das Institut Kirchhoff in Berlin – attestieren der aktuellen Ernte 2015/2016 keine erhöhten MOSH-Werte.

Gesundheitlich bedenklichere MOAH-Werte wurden weder in der Vorjahres- noch in der aktuellen Ernte gefunden. „Die Analyseergebnisse deuten darauf hin, dass der Eintrag von MOSH in unser Öl vom Vorjahr womöglich über ein technisches Weißöl stattgefunden hat.“ Diese Substanz ist für die Lebensmittelproduktion gesetzlich zugelassen ist und gesundheitlich unbedenklich. „Wir sind dabei, jeden Schritt im Produktions- und Herstellungsprozess auf mögliche MOSH-Einträge zu prüfen“, erklärt Pietro Nicotra, Sohn eines der Unternehmensgründer.

Auch der italienische Herstellungspartner von Alnatura, in dessen Olivenöl (Herkunft „D.O.P. Dauno Gargano g.U.“) die Stiftung Warentest Mineralölbestandteile gefunden hatte, ließ bereits eigene Analysen durchführen. „Die Ergebnisse zeigen deutlich niedrigere Werte an gesättigten Mineralölkohlenwasserstoffen (MOSH) als die von Stiftung Warentest ermittelten Werte, aromatische Mineralölbestandteile (MOAH) wurden nicht nachgewiesen.“ Gleichzeitig versichert das Handelsunternehmen, wie wichtig es ihnen sei, „jegliche Mineralölbestandteile in unseren Produkten zu vermeiden“.

Mineralölbestandteile sind weit verbreitet

Offenbar gibt es bei diesem Thema noch viel Verwirrung und Fragezeichen. Sicher ist, dass die Menschen heute überall auf der Welt Mineralöl als Treibstoff für Fahrzeuge aber auch in Druckfarben und vielen weiteren Produkten verwenden. Diese Stoffe sind heute überall in der Umwelt in Spuren verbreitet. „Wir leben nun einmal im Erdölzeitalter und können nicht einfach zurück in die Vergangenheit“, gibt Felix Bläuel zu bedenken.

In welchem Dilemma sich die um hohe Qualität bemühten, kleinbäuerlichen Betriebe befinden, beschreibt Alessandro Pulga von Italiens größter Biozertifizierungsstelle ICEA: „Die Kontamination von Mineralölbestandteilen oder Styrol muss jeden beunruhigen“. Jetzt müssten die Hersteller ihre Produkte auch auf diese umweltbedingten Schadstoffe testen lassen. Das könne jedoch unter Umständen kleine Betriebe und Kontrollbehörden finanziell überfordern. Er verlangt deshalb: „Die öffentlichen Behörden sollten uns dabei helfen und wenigstens einen Teil der Kosten für diese Analysen übernehmen“.

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Olivenöl-Verkostung auf der Biofach 2016.
Foto: Andreas Greiner

Auf Olivenöl nicht verzichten!

Mit ihrem aktuellen Olivenöltest hat die Stiftung Warentest eine weitreichende Debatte angestoßen und viele Hersteller dazu gebracht, ihre Produktionsprozesse unter die Lupe zu nehmen und Mängel bei der Deklaration zu beheben. Aufgrund der Kritik haben erste Hersteller bereits damit begonnen, ihre Etikettgestaltung anzupassen. Zudem setzen kritisierte Unternehmen gerade alle Hebel in Bewegung, um den Problemen auf den Grund zu gehen.

Für eine abschließende Bewertung in Bezug auf die Belastungen mit Mineralölbestandteilen und auf die sensorischen Qualitäten scheint es jedoch noch zu früh zu sein. Diese Themen werden bei vielen Marktakteuren und Verbraucherschutzorganisationen auf der Tagesordnung bleiben. Die Problematik ist jedoch zu vielschichtig und zu ernst für einfache Panikmache und Hysterie. Keinesfalls sollten Verbraucherinnen und Verbraucher jetzt Olivenöle meiden oder gar entsorgen. Auch die Stiftung Warentest kommt zu dem Schluss, dass niemand auf Olivenöl verzichten sollte. Wer viel Olivenöl verzehrt, kann gesundheitlich profitieren.

Quelle: www.oekolandbau.de  / Copyright BLE