Stellungnahme Nr. 019/2016 des BfR in Abstimmung mit dem RKI vom 5. Juli 2016.
In Krankenhäusern werden Personengruppen verpflegt, die gegenüber lebensmittelbedingten Infektionen besonders empfindlich sind. Dazu gehören Menschen, deren Abwehrkräfte durch schwere Grunderkrankungen oder Medikamenteneinnahme geschwächt sind, sowie Säuglinge, Kleinkinder, Menschen in hohem Alter und Schwangere. Das Hygienemanagement bei der Krankenhausverpflegung muss deshalb über die üblichen Maßnahmen in der Gemeinschaftsverpflegung hinausgehen. Krankenhausküchen können bei der Weiterverbreitung von Erregern im Krankenhaus eine Rolle spielen, wobei der genaue Anteil nicht quantifiziert werden kann.
Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) und das Robert Koch-Institut (RKI) haben gemeinsam Maßnahmen und Handlungsempfehlungen erarbeitet, um die mögliche Verbreitung krank machender (pathogener) und antibiotikaresistenter Bakterien über Krankenhausküchen zu verhindern. Dabei wurden alle möglicherweise relevanten Eintrags- und Verbreitungswege berücksichtigt. Maßnahmen, die vor einer Kontamination von Lebensmitteln mit pathogenen Bakterien schützen, beugen auch einer Kontamination mit resistenten Bakterien vor.
So können die Bakterien zum Beispiel über Rohwaren in Krankenhausküchen gelangen. Von besonderer Bedeutung sind rohes Geflügelfleisch, Hackfleisch, rohes Schweine- und Wildfleisch oder rohe Eier aber auch Lebensmittel pflanzlicher Herkunft, wie zum Beispiel Sprossen und Keimlinge oder frische Kräuter.
Im Rahmen der Gefahrenanalyse sollen vom Krankenhausmanagement alle Arbeitsabläufe von der Warenannahme bis zur Entsorgung von Speiseresten kritisch geprüft und die Eigenkontrollmaßnahmen und Personalschulungen in Krankenhausküchen bei Bedarf angepasst werden. So werden z.B. die Speisen auf den Stationen häufig nicht durch speziell in der Lebensmittelkunde geschulte Kräfte, sondern durch Pflegepersonal ausgegeben. Auch sind Speisenausgabe und Pflegetätigkeiten häufig nicht klar voneinander getrennt. Durch den Rücklauf von Geschirr und anderen Gegenständen aus infektiösen Bereichen ist außerdem ein zusätzlicher Eintrag von Krankheitserregern in den Küchenbereich möglich.
Unter der Voraussetzung, dass die Krankenhausküchen die notwendigen Regeln der Personal- und Küchenhygiene beachten, wird das Risiko für die Patienten im Wesentlichen davon beeinflusst, ob die Lebensmittel vor der Ausgabe ausreichend erhitzt wurden. Darüber hinaus lässt sich das Risiko für Patientinnen und Patienten minimieren durch eine risikoorientierte Auswahl der zu beschaffenden Lebensmittel, eine risikoangepasste Beschränkung des Speisenangebots auf den Stationen und den Verzicht auf Selbstbedienung an Stationsbuffets. Ebenso sollten Reinigungs- und Wartungsarbeiten sowie die dafür verwendeten Utensilien auf den Stationen und im Küchenbereich strikt getrennt werden.
Sowohl das in Krankenhausküchen als auch das auf den Stationen tätige Personal sollte sich der möglichen Risiken und seiner Verantwortung bewusst sein. Sinnvoll sind deshalb regelmäßig durchgeführte arbeitsplatzbezogene Schulungsmaßnahmen, welche auch Kenntnisse zum Schutz vor einer Verbreitung von pathogenen und antibiotikaresistenten Bakterien über Lebensmittel vermitteln.
1 Gegenstand der Bewertung
Das BfR hat gemeinsam mit dem Robert Koch-Institut (RKI) eine Stellungnahme zum gesundheitlichen Risiko der Verarbeitung von möglicherweise mit antibiotikaresistenten und/oder pathogenen Bakterien kontaminierten Lebensmitteln in Krankenhausküchen erarbeitet. Es wurden alle möglicherweise relevanten Eintragswege berücksichtigt, einschließlich derer aus dem stationären Bereich des Krankenhauses. Außerdem wurden Empfehlungen zur Eindämmung des Risikos aufgezeigt, insbesondere zur Optimierung von logistischen und hygienerelevanten Abläufen bei der Essenszubereitung, Essensausgabe, Geschirrrücknahme und Entsorgung von Speiseresten in Krankenhäusern.
Vor diesem Hintergrund und auf der Grundlage der bereits vorhandenen Erkenntnisse und Empfehlungen haben das BfR und das RKI die Möglichkeit einer Gefährdung von Patientinnen und Patienten durch die Herstellung und Verteilung von mit antibiotikaresistenten und/oder pathogenen Bakterien kontaminierten Lebensmitteln durch Krankenhausküchen bewertet.
Betrachtet wurden also sowohl
- a) die mit Lebensmittelinfektionen bzw. -vergiftungen typischerweise assoziierten, auch für die allgemeine Bevölkerung pathogenen Bakterien (z.B. Salmonellen oder Enterotoxinbildende Staphylococcus aureus), als auch
- b) mehrfach antibiotikaresistente fakultativ pathogene Bakterien, wie z.B. bestimmte E-scherichia coli-Stämme.
Dabei war zu berücksichtigen, dass die Bakterien
- a) im speziellen Umfeld des Krankenhauses durch Kolonisation bzw. Infektion eine unmittelbare Gefährdung für Patientinnen und Patienten darstellen, als auch
- b) aus dem Bereich der Patientenversorgung in die Krankenhausküche gelangen könnten und von dort durch den Verzehr von kontaminierten Lebensmitteln auf weitere Patienten übertragen werden können.
Nicht betrachtet wurden mögliche gesundheitliche Gefahren für Patientinnen oder Patienten in Krankenhäusern durch das Vorkommen von Viren, Parasiten, Hefen oder Schimmelpilzen in Lebensmitteln.
2 Ergebnis
Bei der Krankenhausverpflegung müssen besondere Vorsichtsmaßnahmen ergriffen werden, die über die üblichen Maßnahmen in der Gemeinschaftsverpflegung hinausgehen. Alle Maßnahmen, die dazu geeignet sind, die Kontamination von Lebensmitteln mit pathogenen Bakterien zu verhindern, schützen in Krankenhäusern auch vor einer Übertragung von antibiotikaresistenten kommensalen Bakterien in Lebensmitteln.
Bei der Gefahrenanalyse müssen deshalb die Eintragsquellen sowohl für pathogene als auch für resistente Bakterien berücksichtigt werden, einschließlich derer aus dem stationären Bereich des Krankenhauses. Dabei ist zu beachten, dass auch die Mikroorganismen in Lebensmitteln, die für die Patienten zunächst ungefährlich sind, durch den Eintrag von Resistenzgenen zu einer Gefahr werden können. Deshalb sollten in Krankenhäusern alle Arbeitsabläufe von der Warenannahme bis zur Entsorgung von Speiseresten kritisch geprüft und die Eigenkontrollmaßnahmen und Personalschulungen bei Bedarf angepasst werden.
Auch das Personal in den Küchen und auf den Stationen kann eine bedeutende Kontaminationsquelle für die Lebensmittel sein. Ein regelmäßiges Screening auf das Vorkommen von pathogenen Bakterien und/oder multiresistenten Erregern in Proben von Küchen- und Speisenausgabepersonal in Krankenhäusern wird derzeit nicht generell empfohlen.
Unter der Voraussetzung, dass die Krankenhausküchen die notwendigen Regeln der Personal- und Küchenhygiene (vor allem strikte Trennung zwischen reinen und unreinen Tätigkeiten bzw. Prozessen) beachten, wird das Risiko für die Patienten im Wesentlichen davon beeinflusst, ob die Lebensmittel vor der Ausgabe ausreichend erhitzt wurden oder nicht. Das Risiko für Patientinnen und Patienten, durch den Verzehr von mit antibiotikaresistenten und/oder pathogenen Bakterien kontaminierten Lebensmitteln in Krankenhäusern zu erkranken, lässt sich außerdem minimieren durch:
- Sachgerechte Durchführung von Gefahrenanalysen
- Risikoorientierte Auswahl der zu beschaffenden Lebensmittel
- Risikoorientierte Beschränkung des Speisenangebots auf den Stationen
- Verzicht auf Selbstbedienung auf den Stationen
- Strikte Trennung zwischen Reinigungs- und Wartungsarbeiten sowie die dafür verwendeten Utensilien auf den Stationen und im Küchenbereich.
Detaillierte Empfehlungen hierzu finden sich in Abschnitt 3.3 (Fazit und Handlungsempfehlungen).
Auch Obst und Gemüse zum Rohverzehr kann mit antibiotikaresistenten und/oder pathogenen Bakterien belastet sein, so dass ein Abgabeverbot für besonders immungeschwächte Patientinnen und Patienten angemessen sein kann. Entsprechende Empfehlungen sind für Hochrisikopatienten (z. B. Patientinnen und Patienten mit Knochenmarktransplantation) in den jeweiligen Behandlungszentren bereits realisiert und werden von Fachgesellschaften veröffentlicht (siehe z. B. hier). Vor dem Hntergrund des Nutzens für eine gesunde Ernährung wäre ein allgemeines Abgabeverbot in Krankenhäusern nach derzeitiger Kenntnis unverhältnismäßig.
Quelle: BfR