Schlank und dennoch ein hohes Risiko für Diabetes und Herz-Kreislauferkrankungen

Fast jeder fünfte schlanke Mensch hat ein erhöhtes Risiko an Diabetes sowie Herzkreislauferkrankungen zu erkranken. Die Betroffenen haben eine Fehlfunktion bei der Fettspeicherung, sodass sie kaum Fett am Oberschenkel anlagern. Das zeigen Untersuchungen von Tübinger Forscherinnen und Forschern des Deutschen Zentrum für Diabetesforschung und des Helmholtz Zentrums München, die nun in der Fachzeitschrift „Cell Metabolism“ veröffentlicht werden.

Schlank ist gesund – diese Faustformel gilt nicht immer. Meta-Analysen von Studien ergaben, dass es eine Subgruppe (knapp 20 Prozent) von schlanken Menschen mit einem geschädigten Stoffwechsel gibt. Ihr kardiovaskuläres und Mortalitätsrisiko ist im Vergleich zu metabolisch Gesunden um mehr als das Dreifache erhöht. Es ist sogar höher als das von Stoffwechsel gesunden übergewichtigen Menschen.

Doch was sind die Ursachen hierfür? Was unterscheidet diese Untergruppe von den schlanken, stoffwechselgesunden Menschen? Welche phänotypischen Besonderheiten haben die Betroffenen? Diesen Fragen stellten sich Wissenschaftler der Medizinischen Klinik IV des Universitätsklinikums der Universität Tübingen und des Instituts für Diabetesforschung und Metabolische Erkrankungen (IDM) des Helmholtz Zentrum München an der Eberhard-Karls-Universität Tübingen, ein Mitglied im Deutschen Zentrum für Diabetesforschung (DZD). Sie untersuchten die Daten von 981 Probanden und kamen auch hier zu ähnlichen Ergebnissen wie in den Meta-Analysen – etwa 18 Prozent der schlanken Probanden hatten einen geschädigten Stoffwechsel. Die Betroffenen zeigten zwei und oder mehr Risiko-Parameter für ein Metabolisches Syndrom (Abdominelle Fettleibigkeit, Bluthochdruck, Fettstoffwechselstörung mit Hypertriglyzeridämie und erniedrigtem HDL-Cholesterin, Insulinresistenz bzw. gestörte Glukosetoleranz).

Risiko: Wenig Fett am Bein

Das Team um Norbert Stefan, Fritz Schick und Hans-Ulrich Häring untersuchte bei diesen Probanden das Körperfett, die Fettverteilung und den Fettanteil in der Leber mithilfe der Magnetresonanz-Spektroskopie. Dabei zeigte sich, dass die Betroffenen nur wenig Fett an den Beinen speichern. Die Betroffenen haben einen ähnlichen Phänotyp wie Menschen mit Lipodystrophie, einer Veränderung des Unterhautfettgewebes.

Die Wissenschaftler untersuchten zudem die Insulin-Empfindlichkeit, die Insulin-Sekretion, die Blutgefäße und die körperliche Fitness. Auch hier zeigten sich Auffälligkeiten. »Allerdings ist bei Schlanken das fehlende Fett an den Beinen am stärksten mit einem Risiko für einen ungesunden Stoffwechsel assoziiert. Man kann daher auch sagen, `Hüftgold´ hält Schlanke gesund“, fasst Prof. Norbert Stefan die Ergebnisse zusammen. Zum Vergleich: Bei Menschen mit Übergewicht sind eine nichtalkoholische Fettleber und ein erhöhter Bauchfettanteil die größten Risikofaktoren für eine Entgleisung des Stoffwechsels.

Die Wissenschaftler schlagen vor, dass schlanke Menschen, die zwei oder mehr Merkmale des Metabolischen Syndroms aufweisen und kaum Fett an den Beinen speichern, sorgfältig auf eine mögliche Schädigung des Stoffwechsels untersucht werden. Wichtig wäre es, für die unterschiedlichen Untergruppen von schlanken und übergewichtigen Menschen mit Stoffwechsel-Störungen maßgeschneiderte Lebensstil-Interventionen oder spezifische medikamentöse Behandlungen für eine personalisierte Prävention zu entwickeln.

Schlanke mit geschädigtem Stoffwechsel haben ein dreifach erhöhtes kardiovaskuläres und Mortalitätsrisiko ist im Vergleich zu metabolisch Gesunden.

Originalpublikation:
Stefan et al., Causes, Characteristics, and Consequences of Metabolically Unhealthy Normal Weight in Humans, Cell Metabolism (2017)
http://dx.doi.org/10.1016/j.cmet.2017.07.008

Fachliche Ansprechpartner:
Prof. Dr. med. Norbert Stefan
Prof. Dr. Dr. h.c. Hans-Ulrich Häring
Universitätsklinikum Tübingen, Medizinische Klinik, Abteilung IV
Institut für Diabetesforschung und Metabolische Erkrankungen (IDM) des Helmholtz Zentrums München an der Eberhard-Karls-Universität Tübingen
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Quelle: Birgit Niesing Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Deutsches Zentrum für Diabetesforschung