Jodmangel verursacht Schäden am Kinder-Gehirn

Wissenschaftler fordern mehr Einsatz und Verantwortung auf globaler Ebene.

Im Rahmen der 41. Jahrestagung der ETA (European Thyroid Association) stellten Wissenschaftler aus 27 Ländern die Hintergrundstudie zur „Krakow Declaration on Iodine“ vor. Professor Henry Völzke von der Universitätsmedizin Greifswald und Beiratsmitglied des Arbeitskreises Jodmangel e.V. (AKJ) war als Koordinator des EUthyroid-Netzwerks maßgeblich an der Studie beteiligt.

Die Publikation im EUthyroid-Journal deckt die derzeitigen Missstände bei der Vorsorge und Datenerhebung von jodmangelbedingten Schilddrüsenkrankheiten auf und erklärt die fehlende Aufklärung der Bevölkerung zum Hauptproblem. Ein stärkeres Interesse der Öffentlichkeit soll Handlungen in der Politik hervorrufen, die eine umfangreiche und EU-weite Jodmangelprophylaxe gewährleisten. Die Medien spielen dabei eine wichtige Rolle.

Jodmangel ist laut der WHO (World Health Organisation) eine der häufigsten Ursachen für neurologische Schäden bei Kindern und Neugeborenen – ein Faktor, der leicht verhindert werden könnte. Aber insbesondere in Europa ist eine Unterversorgung mit Jod in der Schwangerschaft und Stillzeit weit verbreitet (2). Die Wissenschaftler gehen davon aus, dass bis zu 50 Prozent aller Neugeborenen aufgrund von Jodmangel nicht ihr volles kognitives Potenzial erreichen. Trotzdem ist das Interesse der Öffentlichkeit und der Politik gering. Monitorings und Vorsorgeprogramme fehlen oder werden an vielen Stellen nicht wahrgenommen.

Die 41. Jahrestagung der European Thyroid Association (ETA) fand vom 15. – 18. September in Newcastle, England, statt. In diesem Jahr lag der Schwerpunkt unter anderem auf der optimalen Jodversorgung. Im Zuge der Veranstaltung wurde auch die neue EUthyroid Studie vorgestellt und auf die bestehenden Probleme hingewiesen. Dabei stand besonders Europa im Fokus.

Während es an vielen Orten der Welt bereits Programme für die Jodmangelprophylaxe gibt, scheitert es hier an einer fehlenden Harmonisierung der Vorgehensweise. Es gibt zu viele Unterschiede zwischen den einzelnen Maßnahmen und an einigen Stellen fehlen entsprechende Programme komplett. Eine einheitliche Forschungsgrundlage sollte hier als Basis für Präventionsmaßnahmen angestrebt werden.

Jodmangel – Folge mangelnder Aufklärung

Über unser Trinkwasser und unsere Nahrung nehmen wir den Mikronährstoff Jod auf, den die Schilddrüse zur Produktion von Schilddrüsenhormonen benötigt. So regelt das Schmetterlingsorgan unseren Stoffwechsel, das körperliche Wachstum und die geistige Entwicklung von Kindern und Jugendlichen. In der Schwangerschaft und während der Stillzeit haben Frauen einen erhöhten Jodbedarf, der meistens durch die gewohnte Ernährung nicht abgedeckt wird. Basierend auf den gesammelten Daten gehen die Forscher davon aus, dass sogar ein leichter Jodmangel der Mutter Folgen für die Gehirnentwicklung des Kindes haben kann.

Trotzdem wird die Jodprophylaxe von Medien und Politik wenig beachtet, was dazu führt, das bereits bestehende Präventionsprogramme nicht wahrgenommen werden und die Bevölkerung nur unzureichend aufgeklärt ist. Dahingegen ist Jodmangel in der Wissenschaft ein altbekanntes Problem. Die Studie macht deshalb auch auf die fehlende Vernetzung von Politik und Wissenschaft aufmerksam.

Würden wissenschaftliche Erkenntnisse mehr kommuniziert und beachtet, könnte man laut den Forschern der EUthyroid Studie dem Jodmangel entgegen wirken. Eine regelmäßige Kontrolle der Jodversorgung sollte als Basis dienen, um den Jodmangel in Europa zu beseitigen. Bisher erfüllen jedoch nur acht EU-Länder diese minimale Anforderung: Deutschland, Spanien, Italien, Dänemark, Polen, Tschechien, Slowakei und Bulgarien.

Dabei sollten die Länder auch ein wirtschaftliches Interesse an der Jodprophylaxe haben. Neben den gesundheitlichen Schäden führen jodmangelbedingte Krankheiten zu erheblichen Kosten im Bereich der Gesundheitsvorsorge von betroffenen Regionen. Spätestens das sollte einen Grund darstellen, um auf politischer Ebene Nachforschungen zur Kosteneffizienz von Jodmangelprophylaxe zu betreiben. Dabei müssen Informationskampagnen für die Öffentlichkeit, Monitoring Studien und Evaluationen als Maßnahmen berücksichtigt werden.

Das EUthyroid Konsortium sieht Gesundheitsämter, und Organisationen wie die EFSA (European Food Safety Agency), die ETA (European Thyroid Association), die WIA (World Iodine Association), die IGN (Iodine Global Network) und andere in der Verantwortung, die Aufmerksamkeit für Erkenntnisse der Forschung sowohl auf politischer und industrieller Ebene als auch auf Bevölkerungsebene zu erhöhen.

Solange die Bevölkerung sich des Problems Jodmangel und seiner Folgen nicht bewusst ist, stellt eine erfolgreiche globale Jodmangelprophylaxe weiterhin eine Herausforderung dar. Die Medien könnten hier eine entscheidende Rolle spielen, um die entsprechende Aufmerksamkeit zu generieren. Über ein breites Interesse der Öffentlichkeit wollen die Forscher erreichen, dass Präventionsmaßnahmen auch auf politischer Ebene eingeführt werden können.

Quellen:

(1) http://www.who.int/vmnis/iodine/status/en/ (zuletzt geprüft: 13.09.2018)

(2) Völzke H, Erlund I, Hubalewska-Dydejczyk A, Ittermann T, Peeters R, P, Rayman M, Buchberger M, Siebert U, Thuesen B, H, Zimmermann M, B, Grünert S, Lazarus J, H, How Do We Improve the Impact of Iodine Deficiency Disorders Prevention in Europe and Beyond? Eur Thyroid J 2018;7:193-200

Kontakt:
EUthyroid Koordinator
Prof. Henry Völzke
T +49 3834 86 7541
voelzke@uni-greifswald.de
www.euthyroid.eu
www.iodinedeclaration.eu

Organisationsstelle:
Daniel Schwind, Dirk Fischer
Leimenrode 29, 60322 Frankfurt
Telefon: 069 / 2470 6796
Fax: 069 / 7076 8753
ak@jodmangel.de
www.jodmangel.de

Quelle: Arbeitskreis Jodmangel e.V.