foodwatch kritisiert Versagen der Lebensmittelbehörden und legt Beschwerde bei Bayerischem Staatsministerium ein.
Die Großkäserei Hochland wird ihren Grünländer Käse nicht mehr wie bisher mit „Freilaufkühen“ und „Grüne Seele“ bewerben. Das teilte die Verbraucherorganisation foodwatch am Freitag in Berlin mit und berief sich dabei auf eine Unterlassungserklärung des Unternehmens. Obwohl die Tiere im Stall stehen, hatte Hochland das Produkt auf der Verpackungsvorderseite mit diesen Angaben beworben. Mit der Unterlassungserklärung reagierte das Unternehmen auf die Abmahnung eines im Wettbewerbsrecht tätigen Verbands. foodwatch kritisierte, dass die zuständigen bayerischen Lebensmittelbehörden sich zuvor geweigert hatten, gegen die irreführenden Werbeaussagen vorzugehen. Die Verbraucherorganisation legte deshalb Fachaufsichtsbeschwerde beim Bayerischen Staatsministerium für Verbraucherschutz ein. foodwatch bezeichnete den Fall als exemplarisch für das Versäumnis von Lebensmittelbehörden, gegen Täuschung vorzugehen, und als Versagen der Aufsichtsbehörden.
„Der Fall Hochland zeigt: Die zuständigen Lebensmittelbehörden decken irreführende Werbung sogar dann, wenn das Unternehmen selbst nicht daran glaubt, dass die eigenen Werbeaussagen legal sind – das ist haarsträubend“, sagte Manuel Wiemann von foodwatch. Es sei kein Wunder, dass es unzählige Werbelügen auf dem Markt gebe: „Wie soll das im Lebensmittelrecht verankerte Täuschungsverbot jemals umgesetzt werden, wenn die Behörden selbst dann nicht gegen eindeutige Werbelügen vorgehen, wenn man sie ihnen auf dem Silbertablett serviert?“.
foodwatch hatte Hochland 2020 den Negativpreis „Goldener Windbeutel“ für die dreisteste Werbelüge des Jahres verliehen und den Käsereikonzern im September beim zuständigen Landratsamt in Lindau angezeigt. Als Beleg für die Täuschung legte foodwatch zwei repräsentative Umfragen vor. Darin bewerteten drei Viertel der Verbraucherinnen und Verbraucher die Darstellung der Haltungsform auf der Verpackung des Grünländer Käses als irreführend. Trotzdem weigerte sich die Lindauer Behörde unter Verweis auf eine Einschätzung der obersten Landesbehörde, des Landesamts für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit, gegen die irreführenden Werbeaussagen aktiv zu werden. foodwatch wirft der bayerischen Staatsregierung deshalb vor, ihre Aufsichtspflicht vernachlässigt zu haben. Der Fall Grünländer offenbare ein Vollzugsdefizit beim Schutz vor Täuschung. Diese Lücke könnten Verbraucherorganisationen und Wettbewerbsverbände nicht schließen – auch wenn das Landratsamt in Lindau seine Untätigkeit unter anderem mit den Klagemöglichkeiten von foodwatch im Rahmen des Wettbewerbsrechts begründet hatte.
„Wir können nicht für jede einzelne Täuschung Klage einreichen: Die Lebensmittelämter sind dafür zuständig, die vielen Werbelügen aus dem Regal zu räumen und können die Verantwortung dafür nicht auf private Organisationen abwälzen“, sagte Manuel Wiemann von foodwatch.
Neben dem Grünländer Käse hatte foodwatch im September zwei weitere Produkte bei der Lebensmittelüberwachung gemeldet, den Volvic-Bio Rooibos-Tee von Danone Waters und die Haltbare Bio-Weidemilch von Arla. Zuständig sind in diesen Fällen die Ämter in Frankfurt am Main (Danone) und Düsseldorf (Arla). Das Verbraucherschutzamt in Düsseldorf wollte die irreführende Klimaschutz-Werbung auf Arla-Milchpackungen unterbinden – wurde daraufhin aber von der Großmolkerei verklagt. Das Verfahren ist derzeit beim Verwaltungsgericht Düsseldorf anhängig. Die zuständige Behörde in Frankfurt blieb dagegen im Fall Danone untätig – foodwatch reichte deshalb im Dezember Klage gegen das Amt ein.
Gemäß Artikel 16 der „EU-Basisverordnung“ für Lebensmittel dürfen die „Werbung und Aufmachung von Lebensmitteln (…) die Verbraucher nicht irreführen.“ Auch die EU-Lebensmittelinformationsverordnung schreibt vor, dass Informationen über Lebensmittel „nicht irreführend“ sein dürfen, beispielsweise in Bezug auf die „Eigenschaften“ und „Methode der Herstellung oder Erzeugung“. Lebensmittelbehörden kommt nach dem deutschen Lebensmittelrecht die Aufgabe zu, die Einhaltung dieser Vorschriften zu überwachen.
Der Verband Sozialer Wettbewerb e.V. hatte die Grünland GmbH abgemahnt, worauf die Firma Ende Dezember 2020 eine Unterlassungserklärung abgab. Grünland verpflichtete sich, die Produktreihe „Grünländer Käse“ nach Ablauf einer Umstellungs- und Aufbrauchfrist bis zum 10. Januar 2022 nicht mehr in der bisherigen Form mit den Angaben „Freilaufkühe“ und/oder „Grüne Seele“ zu vermarkten. Die Unterlassungserklärung konnte foodwatch einsehen.
Quellen und weiterführende Informationen:
- Fachaufsichtsbeschwerde beim Bayerischen Staatsministerium für Verbraucherschutz
- Mitteilung des Verbands Sozialer Wettbewerb e.V. über die Unterlassungserklärung
- Antwort des Landratsamts Lindau mit Verweis auf Wettbewerbsrecht
- foodwatch-Pressemitteilung zu den Ergebnissen der Umfrage von forsa.omninet
- Stellungnahmen des Landratsamts Lindau und des Bayerischen Landesamts für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit an foodwatch
- Aufforderungsschrift von foodwatch an die Behörden
- Antworten der Behörden an foodwatch
- Pressemitteilung „Negativpreis für Tierhaltungslüge: „Grünländer Käse“ von Hochland erhält den Goldenen Windbeutel 2020“
Quelle: foodwatch