Global Policy Report: Europäische Regierungen investieren 2022 rund 370 Millionen Euro in alternative Proteine

Die EU und nationale Regierungen in Europa haben 2022 rund 370 Millionen Euro in Lebensmittel auf Basis von Pflanzen und Fermentation sowie kultiviertes Fleisch investiert.

  • Dänemark und die Niederlande sind 2022 ins internationale Spitzenfeld aufgerückt, in Deutschland gab es hingegen nur vereinzelte Fördermaßnahmen mit niedrigen Summen.
  • GFI Europe fordert eine kohärente politische Gesamtstrategie für die Entwicklung des Alternative-Proteine-Bereichs.

Europäische Regierungen und die Europäische Union haben 2022 rund 370 Millionen Euro in die Entwicklung von nachhaltigen Alternativen zu Produkten aus der Tierhaltung investiert. Das zeigt der neueste Global Policy Report des internationalen Think Tanks The Good Food Institute, der sich für pflanzenbasiertes und kultiviertes Fleisch und andere alternative Proteine einsetzt.

Weltweit haben sich die öffentlichen Investitionen in die Weiterentwicklung von alternativen Proteinquellen im letzten Jahr auf 603 Millionen Euro (635 Millionen US-Dollar) verdoppelt. In vergangenen Jahren war Europa deutlich gegenüber anderen Weltregionen zurückgefallen, 2022 haben die europäischen Investitionen hingegen mit rund 370 Millionen Euro mehr als die Hälfte der weltweiten öffentlichen Investitionen ausgemacht. Insgesamt haben europäische Regierungen in den vergangenen Jahren 477 Millionen Euro in den Sektor investiert.

Während in Deutschland 2022 nur einzelne kleinere Projekte gefördert wurden, haben zwei unmittelbare Nachbarländer im vergangenen Jahr weltweite Rekordinvestitionen im Bereich alternative Proteine getätigt:

  • Dänemark hat Investitionen von 91 Millionen Euro (675 Millionen Kronen) angekündigt, um den wachsenden Plantbased-Sektor des Landes weiterzuentwickeln und um Landwirten Anreize für den Anbau von eiweißreichen Pflanzen zu bieten.
  • Die Niederlande haben das 60 Millionen Euro schwere Förderprogramm Cellulaire Agricultuur Nederland aufgelegt, um Forschung und Kommerzialisierung von kultiviertem Fleisch und Präzisionsfermentation voranzubringen.

Auch andere europäische Länder und die EU haben größere Förderinitiativen und Förderprogramme angekündigt:

  • Die Europäische Union hat die Mittel für die Erforschung alternativer Proteine im Rahmen des Programms Horizon Europe auf 25 Millionen Euro aufgestockt.
  • Frankreich hat bis zu 67 Millionen Euro für die Forschungsförderung im Proteinbereich und für den Aufbau einer Plantbased-Produktionsanlage zur Verfügung gestellt.
  • Finnland unterstützte das Fermentations-Startup Solar Foods mit einem Zuschuss in Höhe von 34 Millionen Euro für den Aufbau einer Produktionsanlage.
  • Großbritannien hat über seine Innovationsagentur 23 Millionen Euro (20 Millionen Pfund) für Forschung und Kommerzialisierung des Bereichs angekündigt.

In Deutschland fördert der Bund seit 2022 den Forschungsverbund Cellzero Meat mit 1,2 Millionen Euro, der Verfahren zur Kultivierung von Fleisch mit tierfreien und nachhaltigen Verfahren voranbringen soll. Zudem gab es in den vergangenen Jahren immer wieder einzelne Fördermaßnahmen in den Geschäftsbereichen der Bundesministerien für Bildung und Forschung, Ernährung und Landwirtschaft sowie Wirtschaft und Klimaschutz.

Dabei handelt es sich jedoch um kleinere, vereinzelte Fördermaßnahmen mit eher niedrigen Volumina. Ein größeres Förderprogramm zu alternativen Proteinen wurde Ende 2021 vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft ausgeschrieben, die Bewilligung der Fördergelder ist jedoch noch nicht abgeschlossen.

Die Förderung von pflanzlichen und anderen alternativen Proteinquellen ist im Koalitionsvertrag von SPD, Bündnis90/Die Grünen und FDP angelegt, und auch ein Bericht des Büros für Technikfolgenabschätzung beim Deutschen Bundestag (TAB) betont die Rolle von öffentlichen Investitionen für die Entwicklung dieser nachhaltigen Produkte.

Ivo Rzegotta, Senior Public Affairs Manager Deutschland, GFI Europe:

„Dänemark und die Niederlande sind an die Spitze der Länder vorgerückt, die pflanzenbasiertes und kultiviertes Fleisch mit öffentlichen Mitteln voranbringen. Deutschland sollte diesen Beispielen folgen und den Bereich mit öffentlichen Investitionen weiterentwickeln, um seine Nachhaltigkeitsziele zu erreichen. Hierfür braucht es deutlich mehr öffentliche Investitionen für Forschungsförderung und Kommerzialisierung, vor allem aber statt einzelner Projekte eine kohärente Strategie für die Förderung des Bereichs. Die Bundesregierung sollte eine nationale Roadmap erarbeiten, die konkrete Ziele für die Proteinwende benennt und diese mit politischen Maßnahmen für die Förderung von nachhaltigen Alternativen unterlegt.”

Während sich die öffentlichen Investitionen in Europa 2022 verdoppelt haben, zeigt der Global Policy Report auch bedenkliche Entwicklungen für den Standort Europa auf. Während die USA vor wenigen Wochen als zweites Land der Welt erste Produkte aus kultiviertem Fleisch zugelassen haben, haben einzelne Länder in Europa versucht, ihre Märkte gegenüber nachhaltigen Alternativprodukten mithilfe von Verboten und restriktiven Einschränkungen bei der Kennzeichnung von Produkten abzuschotten.

Ivo Rzegotta, Senior Public Affairs Manager Deutschland, GFI Europe:

„Europa sendet widersprüchliche Signale an Unternehmen, Investoren und Verbraucher. Der Versuch von Italien, die Entwicklung von kultiviertem Fleisch zu verbieten, und die Bestrebungen einzelner Länder, absurde Beschränkungen für die Kennzeichnung von pflanzenbasierten Lebensmitteln durchzusetzen, schaden dem Wirtschaftsstandort Europa und konterkarieren die Bemühungen, unser Ernährungssystem nachhaltiger, sicherer und gerechter zu machen. Statt Märkte gegenüber nachhaltigen Produkten abzuschotten, brauchen wir in Deutschland und Europa eine Kraftanstrengung dafür, dass pflanzliche und kultivierte Alternativen hierzulande entwickelt und kommerzialisiert werden können, so dass die wirtschaftlichen und ökologischen Vorteile auch auf dieser Seite des Atlantiks zur Geltung kommen.”

  • Der Global Policy Report von GFI erscheint einmal pro Jahr und fasst weltweit politische Entwicklungen rund um pflanzenbasierte und fermentationsbasierte Lebensmittel sowie kultiviertes Fleisch zusammen. Der Report kann unter dem folgenden Link heruntergeladen werden: State of Global Policy Report
  • Einen Überblick über den Alternative-Proteine-Sektor in Deutschland und den politischen Handlungsbedarf in Deutschland gibt ein kürzlich veröffentlichter GFI Report: GFI Report Alternative Proteine in Deutschland (PDF) 

Quelle: Good Food Institut