Experten bei f.eh live im Talk raten zu genussvollem Essen, um Gewichtszunahme zu vermeiden. Rekalibrierung hin zu kleineren Portionen ist mit mehr Ernährungskompetenz zu verbinden.
Ob in der Gastronomie, zuhause oder bei verpackten Produkten: Die Portionsgrößen sind seit einigen Jahren kontinuierlich angewachsen. Das beeinflusst die Kalorienaufnahme und wirkt sich negativ auf die Prävalenz von Übergewicht und Adipositas aus. WHO, OECD und McKinsey Global Institute nennen daher eine Reduktion der Portionsgrößen als wichtigsten und kosteneffizientesten Hebel, um die Prävalenz von Übergewicht und Adipositas zu reduzieren.
Dr. Manuel Schätzer von SIPCAN und DDI Elisabeth Buchinger von Sensorikum nennen bei f.eh live im Talk zum Thema „Portion Size & Bodyweight – Rolle der Portionsgröße“ weitere positive Effekte: Kleinere Portionen werden von den Konsumenten als hochwertiger wahrgenommen, was den Genuss erhöht. Damit gehen ein konzentrierteres und langsameres Essen und besseres Wahrnehmen des Sättigungsgefühls einher. Im Gespräch mit Dr. Marlies Gruber, Geschäftsführerin des forum. ernährung heute (f.eh), warnen sie vor Stress als Risikofaktor und Genusskiller. Das Webinar kann auf dem Youtube-Kanal des f.eh nachgesehen werden.
Global sind laut Zahlen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) 40 Prozent der Menschen übergewichtig oder adipös – Tendenz steigend. Parallel dazu sind auch die Portionsgrößen angestiegen. Wie aber hängen beide Faktoren zusammen? Der sogenannte Portion Size Effect besagt, dass Menschen mehr essen, wenn die Portion größer ist. Das ist wissenschaftlich belegt. Ein häufig zitiertes Experiment von Wansink aus 2005 zeigt: Wir nehmen im Schnitt um 73 Prozent mehr Suppe zu uns, wenn heimlich welche nachgepumpt wird, als die Kontrollgruppe ohne Nachfüllung. Selbst Non Plate Clearers essen deutlich mehr.
Ähnliche Effekte sind bei großen Tellern und Packungen zu beobachten. Man spricht dann vom Plate Size Effect bzw. Package Size Effect. Die Dimension des Referenzrahmens beeinflusst demnach, welche Mengen wir als adäquat einschätzen – und weniger das Hungergefühl. Doch isst man bei einer Mahlzeit zu viel, kompensiert man das über den Tag verteilt nicht, was sich mit einem zunehmenden Gewicht auswirkt.
Dabei sind Menschen bei der Geburt sehr Sättigungs-intrinsisch orientiert. Kleinstkinder trinken nicht weiter, wenn das Sättigungsgefühl erreicht ist. Diese Achtsamkeit wird im Laufe des Lebens in vielen Kulturkreisen abtrainiert. Schließlich ist „Aufessen“ gerade in unseren Breiten sehr positiv konnotiert, oft ein Akt der Höflichkeit und der Wertschätzung. In anderen Kulturen wie z.B. in China oder Kuba wiederum gilt ein leer geputzter Teller als Signal, dass das Essen zu wenig war und gar als unhöflich.
Das Dilemma mit den Portionsgrößen wird in manchen Situationen auch leicht umgangen: Dabei ist an alle Varianten des Teilens gemeinsamer Speisen bei Tisch zu denken, etwa an die spanischen Tapas, Mezze der Levante-Küche oder auch die österreichische Jausentradition. Das Einstellen von Essen in die Tischmitte und die selbstständige Wahl der Portionsgröße birgt dahingehend Vorteile und steigert zudem die soziale Interaktion durch das gemeinsame gemütliche Erlebnis. Gleichzeitig kann es jedoch auch passieren, dass man den Überblick verliert.
Bewusst satt werden
Manuel Schätzer und Elisabeth Buchinger empfehlen daher, auf das eigene Körperbewusstsein zu achten und das Erkennen des Sättigungsgefühls zu trainieren. Während der Mahlzeit beginnt sich der Magen zu dehnen, Hormone werden ausgeschüttet und das Sättigungsgefühl tritt ein. Idealerweise, so Buchinger, hört man auf zu essen, wenn man sich zu etwa 80 Prozent satt fühlt. Das ist freilich schwer festzustellen und bedarf einer ausgeprägten Körperwahrnehmung. Als Faustregel gilt: Ausreichend aufgenommen hat man bei normalem Esstempo nach ca. 15 Minuten. Dann schmeckt es meist noch gut und man ist zufrieden, der Hunger nimmt aber bereits ab. Darüber hinaus entwickelt sich meist ein Völlegefühl.
Langsamer und bewusst zu essen, hilft nicht nur, sich auf ein Gericht zu konzentrieren und seinen Geschmack zu erfassen, es unterstützt auch dabei, die Sättigung wahrzunehmen. Dann reichen auch kleinere Portionen aus und man nimmt weniger Kalorien auf. Dafür spielt auch die Textur eine wichtige Rolle, denn das Kauen fester Nahrung dauert länger und wird im Mund intensiver registriert als Flüssiges. Das verdeutlicht beispielsweise der Vergleich des Sättigungsgefühls, wenn wir ein Kilo Weintrauben essen oder sie püriert trinken.
Portionsgrößenvielfalt und Kompetenzen steigern
Was wir in welcher Menge essen, wird vor allem von kulturellen Aspekten wie Bildung und Kompetenzen sowie der sozialen Umgebung und den Auswahlmöglichkeiten beeinflusst. Die Experten sprechen sich daher für eine breitere Vielfalt der Portions- und Packungsgrößen sowie für ein aktive Bewerbung der kleineren Varianten als gesunde Wahl aus. Zudem befürworten sie – wie auch das f.eh – eine umfassende Ernährungs- und Verbraucherbildung. Damit können u.a. Empfehlungen vermittelt werden, wie groß eine Portion bei unterschiedlichen Lebensmitteln ist. So entspricht etwa eine Faustgröße Reis, Obst oder Gemüse bei unverarbeiteten Lebensmitteln einer Portion. Manuel Schätzer und Elisabeth Buchinger sehen das Setting Schule als einen Schlüssel für eine Rekalibrierung bei Portionsgrößen, da wichtiges Wissen, Fertigkeiten und Kompetenzen im Unterricht und bei der Verpflegung vor Ort vermittelt werden können.
Quelle: forum. ernährung heute