Fettleibigkeit bei Kindern: Auf diesen „sozialen Sprengstoff“ muss sich Politik fokussieren!

Eine aktuelle Studie der Universität Ulm hat erneut bestätigt, welche Kinder das größte Risiko für Übergewicht haben. Uwe Knop, evidenzfokussierter Ernährungswissenschaftler, hat die Ergebnisse der Studie analysiert und beantwortet wichtige Fragen zu diesem Thema. Lesen Sie weiter, um mehr über die Faktoren zu erfahren, die das Risiko von Übergewicht bei Kindern erhöhen, und welche Maßnahmen wirklich helfen könnten.

Eine aktuelle Studie der Uni Ulm hat erneut bestätigt, welche Kinder das größte Risiko für Übergewicht haben – was kam raus?

Die neue Studie [1] hat folgendes Wissen bestätigt: Kinder sind häufiger übergewichtig, wenn sie in einer Familie mit geringem Haushaltseinkommen oder Migrationshintergrund aufwachsen oder ein Elternteil selbst Übergewicht hat. Wesentlich relevanter scheint jedoch der Bildungsstatus der Eltern zu sein, denn: Gesundheitsbezogene Risiken treten besonders in Familien mit niedrigem Bildungsniveau auf, und das schon bei Kindern im Alter von drei bis fünf Jahren. Eine konkrete Korrelation sieht wie folgt aus: Kinder von Eltern ohne Hochschulabschluss waren doppelt so oft übergewichtig wie diejenigen von Akademikerinnen und Akademikern. Diese Korrelate sind nicht neu und wurden bereits in zahlreichen vorherigen Studien immer wieder beobachtet. Für Ernährung und Bewegung hingegen sind diese statistischen Zusammenhänge in keiner Weise derart eindeutig. Aber: Welche Ursache-Wirkungs-Beziehungen hier verantwortlich sind („Kausalevidenz“), das weiß niemand. Darüber kann nur spekuliert werden.

 

[1] Hermeling, L et al. (2024). Beyond correlates: the social gradient in childhood overweight. Archives of Public Health.

Haben wir denn überhaupt ein wachsendes Problem steigender Zahlen fettleibiger Kinder?

Ganz klar: Nein. 96,45 % aller deutschen Kinder & Jugendlichen sind nicht fettleibig und der Anstieg juveniler (kindlich-jugendlicher) Adipositas während Corona 2019-2021 betrug nur niedrige 0,36 % (2019 bei 3,19 % und 2021 bei 3,55 %). Damit bestätigen diese aktuellen Gesamtzahlen (3,55 %) von Deutschlands zweitgrößter gesetzlicher Krankenversicherung, Barmer, die Verlaufsdaten der drittgrößten bundesweiten Krankenkasse. Denn der DAK-Kinder- & Jugendreport dokumentierte in sechs aufeinanderfolgenden Veröffentlichungen unverändert: Insgesamt wurde bei etwa 3,7 % aller Kinder und Jugendlichen in den Jahren 2016 bis 2021 eine Adipositas-Diagnose gestellt. Da die DAK-Daten eine hohe Repräsentativität aufweisen (im Altersgruppenvergleich zum Mikrozensus), ist eine Übertragbarkeit dieser Ergebnisse auf Gesamtdeutschland hoch wahrscheinlich. Das gleiche gilt für die Barmer-Daten.

 

Die Politik täuscht die Öffentlichkeit jedoch gerne mit leicht durchschaubaren Taschenspielertricks beim Thema dicke Kinder, um ein ganz anderes Bild vorzugaukeln, das dazu dient, sinnlose und willkürliche Zwangsmaßnahmen zu rechtfertigen, damit diese in der Bevölkerung akzeptiert werden – so das Werbeverbot für „ungesunde“ Lebensmittel.

Was bringt das geplante Werbeverbot für „ungesunde“ Lebensmittel von Cem Özdemirs Ministerium?

Das weiß niemand – wahrscheinlich wird es rein gar nichts bringen. Warum? Es liegen keinerlei Beweise (Kausalevidenz) vor, dass diese vermeintlich „bösen“ Produkte die Kinder krank oder dick machen. Solche Studien gibt es nicht und sie wird es aufgrund der massiven Limitierungen der Ernährungswissenschaft auch niemals geben. Und das ist noch längst nicht alles, denn bei dieser avisierten staatlichen Zwangsregulierung des freien Marktes passt rein gar nichts zusammen. Sehr spannende Hintergrundinformationen dazu finden Sie in Artikel Besser als sinnlose Werbeverbote wäre kostenloses Schulessen für Kinder

Welche Maßnahmen könnten den besonders betroffenen dicken Kinder deren Eltern helfen?

Grundsätzlich müssen es Maßnahmen sein, die exakt die Zielgruppe (siehe erste Frage, Uni Ulm) adressieren und fokussiert die potenziellen Ursachen angehen. Genau diese Frage aber muss die Bundesregierung und besonders das „anti-adipös stets bemühte“ Bundesministerium für Ernährung beantworten- und dann entsprechend liefern. Aber Minister Özdemir wird sich sicher nicht öffentlich hinstellen und klar fordern: „Wir brauchen gezielte Maßnahmen, um besonders die dicken Migrantenkinder, deren Eltern mit wenig Einkommen selbst dick und schlecht gebildet sind, vor Fettleibigkeit zu schützen.“ Da wäre der massive Shitstorm des moralinsauren Zeitgeists garantiert. Darauf haben Politiker aber keinen Bock. Deshalb verstecken sie sich gerne hinter „Allgemeinplätzen“ und versuchen sich im Lichte der Öffentlichkeit mit vermeintlich wichtigen Projekten wie „Werbeverboten“ zu profilieren, Das hilf den betroffenen Kindern und Familien jedoch in keiner Weise.

Dieser Beitrag erschien zuerst auf FOCUS online-Experte

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Uwe Knop (*72) ist evidenzfokussierter Ernährungswissenschaftler (Dipl.oec.troph./JLU Gießen), Publizist, Referent und Buchautor (u.a. Erfolgreich abnehmen und schlank bleiben, Springer 2022). Seit mehr als 14 Jahren bildet die objektiv-faktenbasierte Analyse tausender aktueller Ernährungsstudien den Kern seiner unabhängigen Aufklärungsarbeit. Knop hat den mündigen Essbürger mit eigener Meinung zum Ziel, der umfassend informiert selbst und bewusst entscheidet, worauf er bei der wichtigsten Hauptsache der Welt – genussvolles Essen zur Lebenserhaltung – vertraut.