Bio-Lebensmittel – es gibt gute Gründe dafür, aber Gesundheit ist keiner!

Die Debatte um Bio-Lebensmittel versus konventionelle Ernährung ist eine „never-ending-story“. Aber was sagt die Wissenschaft dazu?

Uwe Knop, evidenzfokussier Ernährungswissenschaftler, gibt uns einen klaren reflektierten Einblick in diese Thematik – und das abseits der „heilen Biowelt“, denn auch hier muss differenziert analysiert werden.

Sind Bio-Lebensmittel gesünder als konventionelles Essen?

Das lässt sich grundsätzlich nicht sagen, denn: Dafür fehlt der wissenschaftliche Nachweis. Es gibt noch nicht einmal einen Beleg (im Sinne der härtesten „Forscherwährung Kausalevidenz). der die generelle Einteilung in gesunde und ungesunde Lebensmittel erlauben würde. Daher lehnen auch die sieben großen Fachinstitutionen der Ökotrophologie (Ernährungswissenschaften) in Deutschland, Österreich und der Schweiz diese Einteilung unisono ab (siehe Infokasten hier am Ende „7 auf einen Streich“).

Auch wenn Bio-Obst und Gemüse vielleicht ein paar Vitamine mehr und Pestizid-Mikrospuren weniger aufweisen und Bio-Milch, -Fleisch und Eier mehr ungesättigte Fettsäuren enthalten: Diese Surrogatparameter (Ersatzwerte für relevante klinische Endpunkte) lassen keinerlei Schlussfolgerung für die Wirkung auf die Gesundheit zu. Bio-Produkte haben jedoch unabhängig davon Vorteile.

Welche Vorteile sind das und worauf sollte man beim Kauf von Bio-Produkten achten?

Idealerweise stammen die Produkte aus der ökologischen Landwirtschaft in Ihrer regionalen Nähe, die sich aufgrund strenger Bio-Richtlinien positiv auf die Umwelt auswirken kann – beispielsweise auf die Artenvielfalt von Wildkräutern und Insekten. Und: Damit fördert auch man die lokalen Bauern und die hiesige Wirtschaft. Wer tierische Produkte wie Fleisch oder Milch kauft, kann davon ausgehen, dass die Tierhaltungsstandards deutlich höher und besser sind als in der konventionellen Massentierhaltung. Denn die Bio-Siegel erlauben zwar kein Statement, ob ein Produkt gut für die Gesundheit ist, aber sie geben konkrete Aussagen über Qualitätsstandards bei Aufzucht und Herstellung.

Warum entscheiden sich die Konsumenten für Bio-Lebensmittel?

Einerseits herrscht noch der weit verbreitete Glaube, Bio-Essen sei gesünder. Andererseits will man Umwelt und Tiere schützen. Auf Meta-Ebene, leicht philosophisch betrachtet, ist es wohl so: Mit dem Erwerb von Bio-Lebensmitteln landet auch ein Stück „gutes Gewissen“ im Einkaufswagen. Man will Gutes tun und kauft sich so teilweise von „kollektiver Schuld frei“. Das alles sind begrüßenswerte Triebfedern, gut-reflektierte Gedanken, die jedoch gelegentlich von der Macht des Faktischen konterkariert werden – so beispielsweise bei Bio-Milchprodukten.

Sind Bio-Milchprodukte etwa nicht die bessere Wahl in Sachen Tierwohl?

Die Antwort ist ein „jein“. Denn – und das wird viele überraschen – die zunehmende Produktion von Bio-Milch führt dazu, dass immer mehr Bio-Kälber geboren werden. Aber: Für den (im wahren Sinn) bio-logischen Grund der vielen Bio-Milch, die Bio-Kälber, für diesen Bio-Kuhnachwuchs existiert so gut wie kein Markt Die Folge: „Die Tiere werden größtenteils an konventionell arbeitende Betriebe verkauft. Für die Tiere bedeutet dies nicht nur lange Transporte, sie verlassen in der Regel auch die regionale Bio-Wertschöpfungskette, da sie meist an konventionell arbeitende Mastbetriebe verkauft werden. „Diese Kälber erfahren weder unter ethischen noch ökonomischen Aspekten eine Wertschätzung“, bedauert die Uni Hohenheim. Und das ist wahrlich paradox bis schwer (ent)täuschend: Die Menschen kaufen einerseits mit „gutem Gewissen“ Bio-Milch – und dann andererseits sowas: Gerade die Jungtiere landen in der Massentierhaltung. Wenn die tierwohl-sensiblen Bio-Produkte-Käufer das wüssten, würden Sie wohl auch bei Bio-Milch deutlich differenzierter einkaufen. „Eventuell verdrängen sie diese Tatsache aber auch, um Schuldgefühle beim Kauf von Milchprodukten zu vermeiden“, vermuten die Wissenschaftler der Uni Hohenheim. Ja, das kann sein.

Wie sieht denn eine gesunde Ernährung aus?

Generell gilt: Die beste Ernährungsform ist immer absolut individuell. Daher ist es wichtig, auf den eigenen Körper zu hören, Hunger und Sättigung und vor allem die individuelle Verträglichkeit zu kennen und zu beachten. Die beste, auf Ihre individuellen Bedürfnisse zugeschnittene Empfehlung bietet die natürlichste Ernährungsform überhaupt: Das intuitive Essen Hier gibt es keine Verbote, Verzichte oder andere „Vorgaben“, was man darf und soll. Beim intuitiven Essen ist jeder sein eigener „Ernährungscoach“ – und das ist der optimale Weg. Das Basiscredo lautet: Es gibt so viele gesunde Ernährungen, wie es Menschen gibt, denn jeder Mensch is(s)t anders. Gut zu wissen: Es gibt für keine der derzeit kolportierten Besser-Esser-Hypes wie Low-Carb, vegan oder paleo einen Beweis als „beste Ernährungsform der Welt“.

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Dieser Beitrag erschien im Original zuerst auf FOCUS online-Experte

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Uwe Knop (*72) ist evidenzfokussierter Ernährungswissenschaftler (Dipl.oec.troph./JLU Gießen), Publizist, Referent und Buchautor (u.a. Erfolgreich abnehmen und schlank bleiben, Springer 2022). Seit mehr als 14 Jahren bildet die objektiv-faktenbasierte Analyse tausender aktueller Ernährungsstudien den Kern seiner unabhängigen Aufklärungsarbeit. Knop hat den mündigen Essbürger mit eigener Meinung zum Ziel, der umfassend informiert selbst und bewusst entscheidet, worauf er bei der wichtigsten Hauptsache der Welt – genussvolles Essen zur Lebenserhaltung – vertraut.